Die mysteriöse Mondbibliothek

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Jedoch war das, was das Bild seines Vaters verzehrte kein normales Feuer. Es war lila. Und handförmig. Oder eher klauenartig. Eine lila Klaue aus Feuer, die das Foto... auflöste.

Kilian wusste nicht, was er denken oder fühlen sollte und bevor er sich entscheiden konnte, ging die Tür hinter dem Tisch auf und gab den Weg in Eine riesige Bibliothek frei.

Er hatte gedacht, die Universitätsbibliothek wäre groß gewesen, doch die Mondbibliothek übertraf all seine Erwartungen. Mit weit aufgerissenen Augen blickte er sich um. Hunderte von hohen Regalreihen, deren oberste Bretter man nur mit Leitern erreichen konnte, säumten den mittleren Gang auf beiden Seiten, so weit er von seinem Standpunkt im Türrahmen sehen konnte. Hinter ihm schlug die Tür zu und schob ihn dabei unsanft die letzten Zentimeter hinein. Zögernd ging er einige Schritte in die Bibliothek hinein.

Auf der rechten Seite war ein überdimensionierter Tresen aufgebaut, hinter dem ein riesiger Vogel saß. Der gekrümmte Schnabel sah nicht gerade freundlich aus, sondern verriet, dass es sich definitiv um die fleischfressende Sorte Vogel handelte. Der Vogel - Kilian tippte darauf, dass es eine Art Adler sein musste - legte den Kopf schief und musterte ihn. Kilian schluckte und näherte sich dem Tresen, in der Hoffnung eine Bibliothekarin dahinter anzutreffen, die ihm weiterhelfen konnte.

"Kilian Henot?", ertönte eine tiefe Stimme, die Kilian erstarren ließ.

"Ähm, ja", brachte er hervor.

"Du bist ein Junge", sagte die Stimme und Kilian verstand, dass sie nicht hörbar sprach, sondern in seinen Gedanken. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, doch er trat näher an den Tresen heran. Der Vogel klackte mit seinem riesigen Schnabel und Kilian musste sich überwinden, noch etwas näher zu treten. Die Vogelaugen musterten ihn nun über den Tresen hinweg und die Stimme sprach wieder zu ihm.

"Wir sehen hier sonst nie männliche Wesen. Was führt dich hierher?"

"Ich suche nach Informationen", sagte er. Dann merkte er, dass das eine dumme Antwort war und präzisierte seine Aussage: "Ich suche Informationen über ein bestimmtes Schwert."

"Du suchst nach Gram." Die Stimme klang überrascht, aber interessiert. Der Adler legte den Kopf auf die andere Seite. War es der Adler, der mit ihm sprach? Kilian fiel wieder ein, dass Faina etwas von einem Greif erwähnt hatte. Und dass dieser gefährlich sei. Kilian schluckte und musterte den Vogel. Er konnte den restlichen Körper zwar nicht sehen, doch das tiefe Brummen der Stimme würde zu einem Löwenkörper passen.

"Ja. Ich suche Gram. Siegfrieds Schwert aus der Nibelungensage." Die Worte hörten sich selbst in dieser Hexenbibliothek, wo er sie an einen Greif richtete, blöde an.

"Wir haben nichts über Gram", ertönte die Stimme. Es wäre ja auch zu einfach gewesen. Eine Zauberbibliothek mit einem magischen Buch, das ihm beschrieb, wo er das verschollene Schwert finden könnte.

"Aber wir haben andere Bücher, die dir helfen könnten. Warte hier. Ich werde einige Titel für dich bereitstellen." Kilians Herz tat einen Hüpfer. Vielleicht war es nicht ganz so einfach, aber auch nicht allzu kompliziert?

"Während du wartest, lies dir die Regeln zur Nutzung der Bibliothek durch." Nach diesen Worten hielt Kilian plötzlich ein Blatt Papier in der Hand. Verdattert blickte er zu dem Vogelkopf, der sich, gigantische Schwingen ausbreitend, in die Luft erhob und seinen - gut, dass Kilian es vorher schon erraten hatte, sonst hätten vor Schreck vermutlich seine Knie nachgegeben - riesigen Löwenunterleib in die Tiefen der Bibliothek bewegte. Kilian blickte ihm noch nach, bis er am Ende des langen Mittelgangs rechts abbog und verschwand. Dann wandte er seinen Blick dem Blatt Papier in seiner Hand zu. "Regeln zur Nutzung der Mondbibliothek" lautete die Überschrift. Nicht sehr überraschend. Kilian betrachtete die drei darauf abgedruckten Punkte.

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