Die eine Seite macht dich größer, die andere kleiner.

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Es war absurd einfach gewesen die Jungen zu überzeugen, ihm zu helfen. Diejenigen, deren Familien zum Coven gehörten, waren sogar euphorisch. Kilian schien der einzige Junge aus einer Hexenfamilie zu sein, der ein normales Leben haben wollte. Silas, ein blonder junge mit blassblauen Augen erzählte Kilian sogar, dass er sich einmal heimlich zur Samhain-Feier geschlichen hatte. Das war vor zwei Jahren gewesen. Doch seine Großmutter hatte ihn erwischt und er musste den ganzen Abend alleine in dem Zelt der Ältesten sitzen.

"Seitdem wollte ich so gern Teil dieser wunderbaren Kultur sein", seufzte er und David und Thomas nickten mit sehnsüchtigen Blicken. Nils und Leon waren beide zunächst sehr skeptisch gewesen, hatten sich aber glücklicherweise von einer mehrere handbreit über dem Boden schwebende und ihre Gedanken - "ja, meine Haare sind wirklich so weich, wie sie aussehen" und "du denkst gerade wirklich an Schokoladenkuchen?!" - lesende Faina überzeugen.

Nun saßen sie aber seit drei Stunden zu zehnt - sieben Jungen, Sally, Faina und Lu - auf dem Dachboden und versuchten das Schwert irgendwie herbeizubeschwören.

"Ihr seid nicht bei der Sache", tadelte Sallysie schließlich. Ein Geraune und Gestöhne erklang.

"Da Leon die ganze Zeit an Schokokuchen denkt und ich jetzt auch an nichts anderes mehr denken kann, sollten wir vielleicht eine kurze Pause machen", schlug Sally vor und die Jugendlichen erhoben sich. Lu öffnete die Fenster, ein eisiger Wind pfiff hinein. Doch Kilian spürte ihn kaum. Er konnte nichts anderes denken, als dass er nur noch anderthalb Tage Zeit hatte. Er hatte es so weit gebracht. Nun zu scheitern, wäre einfach nicht fair. Kilian stellte sich zu Lu ans geöffnete Dachfenster und sah hinaus. Es hatte wieder geschneit. Am 30. Januar nichts Ungewöhnliches. Aber es war die letzten Tage so mild gewesen, dass er nicht damit gerechnet hätte. Er ließ seinen Blick über die Dächer der umliegenden Häuser schweifen und atmete tief die kalte Winterluft ein. Beim Ausatmen stieß er kleine Dampfwolken aus. Lu stand neben ihm und sagte nichts, bis sie plötzlich hochschreckte. Kilian folgte ihrem Blick. Eine schwarze Krähe war direkt neben dem Fenster auf ihrem Dach gelandet. Kilian wollte sie erst verscheuchen, besann sich aber, als er sie genauer musterte. Der große schwarze Vogel sah aus wie eine normale Krähe. Aber sie musterte ihn nicht wie eine normale Krähe. Der Vogel sah ihn eindringlich an, blinzelte langsam und klackte mit dem Schnabel. Er konnte nicht festmachen, weshalb, aber Kilian sagte unwillkürlich: "Radha?" Die Krähe öffnete und schloss den Schnabel erneut. Kilian ignorierte Lus hochgezogene Augenbrauen.

"Ich habe die sechs Jungen gefunden. Die ungeschmiedeten Schwerter. Sie sind alle versammelt. Aber das Schwert haben wir dadurch nicht gefunden. Was soll ich tun? Was sollen wir tun? Gibt es einen Zauber, ein Ritual, irgendetwas?" Kilian versuchte seine Stimme nicht zu weinerlich klingen zu lassen, doch er hörte sich in seinen eigenen Ohren verzweifelt an. Die Krähe hüpfte ein Stück auf ihn zu. Kilian streckte langsam und vorsichtig eine Hand nach ihr aus. Der Vogel kam noch näher. Als Kilian sein Gefieder fast berühren konnte, bewegte das Tier ruckartig seinen Kopf und zwickte ihm schmerzhaft in den Finger. Zischend zog er seine Hand zurück.

"Was soll das?", fragte er empört. Doch die Krähe klackte nur noch einmal mit dem Schnabel und flog davon. Kilian sah ihr noch eine Weile nach, bis sie aus dem Blickfeld verschwand. Dann senkte er seinen Blick auf seinen schmerzenden Finger. Ein fetter roter Blutstropfen quoll daraus hervor.

"Blödes Vieh", murmelte Kilian verärgert und steckte sich die verletzte Stelle in den Mund.

Als das Blut seine Zunge berührte, durchzuckte es ihn wie ein Blitz.

Sein Sichtfeld wurde weiß , er versuchte das helle Licht wegzublinzeln, doch es änderte nichts, ob seine Augen geöffnet oder geschlossen waren. Er konnte nichts sehen. Er fühlte wie von fern, dass jemand ihn am Arm berührte, doch die Information drang kaum zu ihm durch. Ein Rauschen schwoll an, wie Blätter im Sturm. Es formte Worte:

WitchboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt