Prioritäten

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Faina und Klilian hatten den ganzen Abend miteinander geschrieben und sich am nächsten Tag wieder in dem Café getroffen. Sie hatte zwar ein paar Bücher dabeigehabt, doch sie hatten nicht wirklich hineingeschaut, sondern sich vor allem miteinander unterhalten. Als Faina ihn dann zum Schluss fragte, ob er sie am nächsten Tag auch wieder treffen wolle, fiel ihm ein, dass er eigentlich mit Lu verabredet war, doch er sagte trotzdem zu und sie verabschiedeten sich wieder mit einer Umarmung, die Kilian dieses Mal wesentlich länger vorkam, als zuvor.

Als Faina weg war, schrieb er Lu:
„Ich muss Filmabend absagen"
„FILMABEND? Der kann nicht abgesagt werden!"
„Ich muss ein Schwert finden"
„Filmabend ist heilig!"
„Faina ist meine einzige Chance irgendetwas zu erreichen"
„Jaja, Prioritäten. Nur, weil du überleben willst, soll ich jetzt alleine Filme schauen"
„Wenn ich lebend aus dieser Sache rauskomme, machen wir eine ganze Filmwoche"
„Deal"

*

Kilian und Faina saßen zusammen im Café und blätterten in der Speisekarte - Bücher hatte Faina heute gar nicht erst mitgebracht - um sich für ein Stück Kuchen zu entscheiden.
„Wow, die Schokotorte ist mit Popcorn. Ich hab so lange kein Popcorn mehr gegessen. Wollen wir nicht ins Kino gehen?", schlug Faina vor und klatschte in die Hände.

„Statt Kuchen oder danach?", fragte er und hob neckisch eine Augenbraue.
„Wenn wir jetzt losgehen, schaffen wir noch die 17 Uhr-Vorstellung", grinste sie. Kilian verabschiedete sich also wehmütig von der Aussicht auf Kuchen und zahlte, bevor sie sich auf den Weg ins Kino machten.

Sie schauten einen Marvel-Film. Kilian war zwar kein großer Fan, hatte aber trotzdem alle anderen Filme gesehen, weil Lu ihn immer mitgeschleppt hatte. "Popkulturelle Allgemeinbildung" nannte sie das.

Der Gedanke an Lu versetzte ihm einen kurzen Stich. Ein schlechtes Gewissen breitete sich aus. Nicht nur, weil er Filmabend abgesagt hatte -  ein Treffen zum Filmschauen,  das immer am zweiten Freitag jeden Monats stattfand und eine Tradition, die sie seit drei Jahren ununterbrochen gepflegt hatten - sondern auch, weil er diesen Film nicht mit ihr schaute.

Er brach also direkt mit zwei Traditionen ihrer Freundschaft. Kurz überlegte er, ob er Faina vorschlagen sollte, Lu einzuladen, doch dann entschied er sich dagegen. Es wäre ja doch irgendwie seltsam. Kilian schob also den Gedanken an seine beste Freundin beiseite und konzentrierte sich ganz auf das schöne Mädchen, das neben ihm gerade die goldensten Popcornstückchen auswählte, um sie sich einzeln in den Mund zu schieben.

Kurz bevor der Film losging, griff Faina nach seiner Hand und legte ihre Hand in seine. Dort blieb sie den ganzen Film über, wobei Kilian zwischendurch Schauer durch den ganzen Körper liefen, wenn Faina sie bewegte.

*

Die nächsten Tage verliefen ähnlich. Kilian und Faina trafen sich, manchmal im Café, manchmal im Park. Lu sah er in der Zeit nur einmal, als sie ihm Gesellschaft leistete, während er den Laden seiner Mutter beaufsichtigte. Sie unterhielten sich über Kilians stockende Suche, wobei er es vermied, ihr mitzuteilen, dass Faina und er sich kaum noch mit der Schwertsuche befassten. Kilian hatte auch so schon Gewissensbisse, weil er nicht weiterkam, da wollte er nicht noch Vorwürfe von seiner besten Freundin gemacht bekommen.

„Also lest ihr viel in irgendwelchen Ritualbüchern?", fragte Lu und Kilian nickte unbestimmt.
„Was steht da denn so drin? Jungfrauenopfer? Vivisektion?", bohrte sie nach und Kilian rollte mit den Augen.

„Es sind nicht solche Rituale. Eher Meditationsübungen zum Klären des Geistes", log er. Das war das erstbeste, was ihm einfiel.

„Und, ist dein Geist jetzt durchsichtig?", spottete sie.
„Was soll das denn heißen?", fragte er.

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