Noviz*innen

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Als Kilian zum Frühstück in die Küche kam, blickte er in betroffene Gesichter. Er brauchte nicht zu fragen, was passiert war, denn er war sich sicher, die Antwort bereits zu kennen.

"Kilian, etwas Furchtbares ist passiert", begann seine Mutter. Kilian wunderte sich nun, ob vielleicht doch ein anderer Grund für die bedröppelte Stimmung vorlag. Fragend zog er eine Augenbraue hoch.

Seine Großmutter faltete die Hände auf dem Tisch und fuhr fort:

"Wir können dir nicht weiterhelfen. Jemand hat von unserem Ritual heute Nacht erfahren und die Ältesten haben unsere Magie gebunden."

Erleichtert seufzte Kilian auf. Versuchte aber sofort, seine Erleichterung als Bestürzung durchgehen zu lassen.

"Oh Nein! Was sollen wir denn nun tun?", fragte er und hoffte, dass seine Stimme nicht überzogen klang. Da seine Familie und Lu jedoch nichts von seinen Absichten wussten, wäre an dieser Stelle ja genau diese Reaktion angebracht.

"Ich weiß es auch nicht", schluchzte seine Mutter und Kilians schlechtes Gewissen meldete sich. Er beschloss, von seinem Traum zu erzählen.

"Du hast Magie?", zitierte Selena ihren Vater kritisch. "Was soll das denn heißen? Wie soll das helfen?"

Kilian konnte es noch nicht erklären, aber die Worte gaben ihm Zuversicht. Er würde eine Lösung finden.

"Ich denke, ich werde ein Schlupfloch finden. Irgendetwas muss es doch geben!" Er blickte in die Runde, beobachtete, wie Lu und Selena einen kurzen Blick wechselten und wie sich die Miene seiner Mutter etwas aufhellte.

"Du könntest dich an Faina Good wenden", schlug seine Großmutter vor und weitete erschrocken die Augen, als alle drei Jugendlichen in der Küche in Abwehrreaktionen ausbrachen. Den fragenden Blick seiner Großmutter ignorierte er. Auf keinen Fall würde er jetzt von dem Fiasko mit Faina erzählen.

Nun stimmte seine Mutter in das Gespräch ein: "Ich verstehe euch nicht. Du wolltest sie doch sowieso um Hilfe bitten. Sie ist diejenige, die die Novizinnen jedes Jahr ausfindig macht. Wenn dir jemand helfen kann, dann sie. Und wenn sie dir schon einmal geholfen hat, umso besser."

Kilian hasste es manchmal, wenn seine Mutter recht hatte. Er würde mit Faina sprechen müssen. Also zückte er sein Handy und schrieb ihr:

"Ich muss dich sprechen. Dringend."

Er sah umgehend, dass Faina die Nachricht gelesen hatte, doch es kam keine Antwort. Also setzte er hinzu:

"Bitte, Faina. Niemand anders kann mir helfen.

Faina las. Faina schrieb. Pause. Sie schrieb. Pause. Kilian kam es vor, als würden Ewigkeiten vergehen. Seine Geduld war zum Zerreißen gespannt. Schließlich:

"Café. 12 Uhr. Du zahlst."

Er atmete erleichtert aus.

"Deal"

***

"Ich verstehe, wieso du getan hast, was du getan hast." Er pausierte. Sammelte sich.

"Das heißt nicht, dass ich dir vergebe. Aber ich kann dich verstehen."

Faina verzog das Gesicht zu einer Grimasse und spuckte förmlich: "Kannst du nicht!"

"Ich habe auch jemanden-" setzte er an, doch sie schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab und fuhr ihn an:

"Vergleich das jetzt bloß nicht mit deinem Vater!"

Kilian schwieg. Er schluckte alle Bemerkungen darüber, dass es sicherlich schlimmer war, als Kind ein Elternteil zu verlieren, als eine Jugendliebe, herunter. Denn ihm wurde klar, dass das nicht stimmte. Verlust war etwas sehr Individuelles und jeder hatte ein recht darauf, seinen Schmerz zu empfinden.

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