„Was soll das bedeuten?", fragte Kilian.
"Das wirst du bald verstehen. Obwohl ich glaube, dass du es schon fühlen kannst." Der Alte machte eine ausschweifende Handbewegung. Kilian wusste, was er meinte. Wald. Wald. Wald. Alles an diesem Ort vermittelte genau dieses Wort. Beziehungsweise nicht so sehr das Wort, sondern den Begriff. Die Essenz des Wortes.
"Aber nun haben wir dich ganz viel gefragt und uns gar nicht vorgestellt", schmunzelte der Rothaarige.
"Stimmt. Wie unhöflich von uns." Der alte Mann nickte zustimmend und zeigte erst auf die Frau, dann auf den jungen Mann und schließlich auf sich selbst:
"Das sind Bryanna und Flynn. Ich bin Moran."
"Okay, gut. Moran. Was macht ihr hier im - in Woda?" Fast hätte er sich versprochen und einfach nur "Wald" gesagt. Aber je länger er das Wort nutzte, umso weniger schien es angemessen für Woda.
"Wir sind Druiden. Wir leben in, von, mit und für Woda."
"Also eine Art Coven?"
Flynn schnaubte bei dem Wort Coven verächtlich, wofür er sich einen tadelnden Blick von Moran einfing.
"Nicht wirklich. Wir sind eine Gemeinschaft von Menschen mit besonderen Gaben, die im Einklang mit der Natur Magie wirken", erklärte Moran ruhig.
"Was ist der Unterschied?" Kilian war verdutzt. Das klang sehr nach seinem Verständnis eines Covens und dem, was seine Familie ihm vorgelebt hatte.
"Ein Coven ist ein Zusammenschluss weiblicher Magier, die die dreifaltige Göttin ehren und von ihr ihre Kräfte erhalten."
Kilian wollte sich ungern wiederholen, aber er verstand den Unterschied immer noch nicht.
Bryanna schien seine Verwirrung zu bemerken, denn sie lächelte verschmitzt und führte weiter aus:
"Bei uns sind alle willkommen. Das Geschlecht spielt keine Rolle. Denn Woda ist für alle da. Unsere Magie kommt nicht von Göttern und auch nicht von Orten. Der Kosmos hat sie uns verliehen. Die dreifaltige Göttin ist ein Teil des Kosmos, doch sie ist nicht das All. Auch Woda ist nur ein Bruchstück des Ganzen. Facetten der Existenz und der Kraft, die sie durchwebt."
Kilian schwirrte der Kopf. Diese Informationen waren zu groß, um so schnell aufgenommen und verarbeitet zu werden. Doch ein Aspekt wurde ihm ganz klar:
"Also ist es kein Missverständnis, dass ich eine Hexe bin? Es ist keine verrückte Ausnahme?" Die drei Druiden nickten. Wusste jemand außerhalb des Druidenzirkels davon? Hatten die Ältesten es gewusst? Kilian würde diese Fragen jetzt nicht beantworten können, doch er beschloss, ihnen auf den Grund zu gehen, wenn er zurück nach Hause kam.
"Habt ihr eine Idee, wo ich das Schwert namens Gram finden kann?", fragte er schließlich. So spannend er die Begegnung mit den Druiden fand, die Zeit drängte. Doch die Drei wechselten lediglich fragende Blicke und schüttelten dann ihre Köpfe.
"Du erscheinst mir ein vertrauenswürdiger junger Mann zu sein und ich möchte dir unsere Unterstützung bei deiner Suche zukommen lassen. Unsere Seherin Radha wird deine Frage sicherlich interessant finden. Wenn du möchtest, nehmen wir dich mit in unser Dorf", erklärte Moran mit einem freundlichen Lächeln. Kilian spürte schon, wie er nickte, noch bevor der Alte seinen Satz beendet hatte. Eine druidische Seherin. Wenn die ihm nicht helfen konnte, konnte es wahrscheinlich niemand.
Sie standen von den Felsen auf und machten sich erneut auf den Weg durch Woda.
Nach einer Weile, Kilians Zeitgefühl war in dem Nebel etwas durcheinander, aber er schätzte, dass etwa eine Stunde vergangen sein musste, betraten sie eine weitere Lichtung. Diese hier war wesentlich größer als die mit dem Steinkreis. Und voller.
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Witchboy
FantasyIn der Nacht zum sechzehnten Geburtstag zeigt sich, ob ein Mädchen eine Hexe ist oder nicht. Das ist die Nacht, in der sich ihre Kräfte offenbaren. Gut, dass Kilian kein Mädchen ist. Als einziger Junge in einem Hexenhaushalt will er so wenig wie mög...