"Ein gewisser Wieland soll ein Schwert geschmiedet haben, das er nach dem Schmieden wieder zerfeilt haben soll, nur um es dann an seine Gänse zu verfüttern", brachte Lu zwischen zwei Schlucken Kaffee hervor.
"Und dann sind die Gänse in die Schlacht gezogen?", spottete Kilian.
"Nein. Absurder. Er hat die Stahlspäne aus dem Gänsekot rausgewaschen und das Schwert nochmal geschmiedet."
"Aha?", fragte Kilian skeptisch.
"Ja. So wird es härter. Irgendwas mit Stickstoff oder so", gab Lu zurück.
"Das war vermutlich das Informativste, was ich in den letzten Tagen erfahren habe", sagte er und vergrub frustriert das Gesicht in den Händen. Lu sah ihn mitleidig an.
"Wir haben uns doch einen groben Überblick verschafft. Nun müssen wir die Details erforschen. Zum Glück können wir das allermeiste online erledigen. Stell dir mal vor, wir müssten in jedes Museum einzeln reisen."
"Oder in dieses Kloster in der Toskana?"
"Genau. Wenn wir erst dorthin hätten reisen müssen, um herauszufinden, dass es nicht das richtige sein kann, wäre das wirklich frustrierend gewesen."
"Würden wir doch einfach nur den Schatz der Nibelungen suchen. Dazu gibt es wenigstens Material und Untersuchungen", seufzte Kilian.
"Die aber bisher genauso erfolgreich waren, wie unsere Suche. Und teurer." Das stimmte. Es war absurd, wie viele Menschen sich im Laufe der Jahrhunderte ernsthaft damit beschäftigt hatten, den von Hagen angeblich im Rhein versenkten Schatz zu finden. Und es gab auch heutzutage immer noch wirkliche Untersuchungen dazu.
Sein Handy vibrierte plötzlich. Seine Schwester rief ihn an. Er zeigte der fragend dreinblickenden Lu den Bildschirm und sie bedeutete ihm mit einem Kopfnicken den Arbeitsraum der Bibliothek zu verlassen, in dem sie sich befanden. Im Foyer nahm er den Anruf an.
"Das hat ja lange gedauert", meckerte Selena.
"Es gibt Orte, an denen ist Telefonieren immer noch nicht so üblich, weißt du? Und Bibliotheken gehören nun einmal dazu."
"Bibli- Bist du in der Mondbibliothek?", fragte sie ihn mit ungewöhnlich hoher Stimme. War sie erschrocken? Aber viel wichtiger: "Mondbibliothek? Was soll das sein?", fragte er sie.
"Oh- Ach, nichts. Ich- äh, Oma wollte, dass ich dich frage, wann du nach Hause kommst. Sie wollte dich bitten auf dem Weg noch Einkäufe zu erledigen", stammelte sie hastig.
"Wir wollten hier bald Schluss machen, du kannst mir eine Liste schicken. Was ist diese Mondbibliothek?" Er würde nicht locker lassen.
"Ach, du willst doch eh nicht über Magie sprechen-" setzte sie an, doch er unterbrach sie forsch:
"Sally. Wenn es irgendetwas ist, was mir helfen kann, egal wie unwahrscheinlich, dann rück raus mit der Sprache!"
"Es ist eine Bibliothek der Akademie. Aber du brauchst eine Erlaubnis von einer Alten, um eingelassen zu werden."
"Dann frag ich eben Oma."
"Jaaa- ähm. Besprich das doch heute mit ihr. Ich schick dir eine Einkaufsliste! Bis später", sagte sie hastig und legte auf. Kilian fand ihre Reaktion sehr befremdlich und war noch in Gedanken versunken, als er zurück zu Lu kam.
"Und?", fragte sie ihn.
"Sie wollte eigentlich nur, dass ich unterwegs einkaufen gehe. Aber dann hat sie von einer Mondbibliothek erzählt", erläuterte er. Lus Augen weiteten sich. Stumm formten ihre Lippen das Wort.
"Und zwar aus Versehen. Sie wollte es mir nicht erzählen. Es handelt sich um eine Bibliothek der Hexenakademie. Ich brauche eine Erlaubnis meiner Großmutter dafür", sagte er.
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Witchboy
FantasyIn der Nacht zum sechzehnten Geburtstag zeigt sich, ob ein Mädchen eine Hexe ist oder nicht. Das ist die Nacht, in der sich ihre Kräfte offenbaren. Gut, dass Kilian kein Mädchen ist. Als einziger Junge in einem Hexenhaushalt will er so wenig wie mög...