Eine Lösung?

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Die Tür schlug fester hinter ihm zu, als er es beabsichtigt hatte, doch das war ihm egal. Lu hastete hinter ihm her.
"Hey, wo willst du denn hin?"
"Ich weiß nicht. Lass uns einfach eine Weile gehen." Und das taten sie. Weg von den Häusern, von den Autos und anderen Leuten in Richtung Stadtpark, wo sie sich schließlich an einem Weiher auf einem Stein niederließen.
"Sprich mit mir. Was ist los? Was soll das alles bedeuten?"
"Du hast es doch gehört. Weil ich eine Hexe - dieses Wort ist schon so dämlich - bin, muss ich auf die Hexenakademie gehen. Das wollen sie morgen mit dem Coven besprechen."

"Warum bist du so aufgebracht deswegen? Überraschung und Schock kann ich verstehen, aber diese Wut?"
"Weil ich das nicht will. Mein schlimmster Alptraum ist heute Morgen wahr geworden."
"Hallooo? Du kannst zaubern! Magie! Ich kann es kaum glauben und du bezeichnest das als Alptraum?"
"Du verstehst das nicht."
"Richtig. Deshalb möchte ich, dass du es mir erklärst. Und du weißt genau, dass ich dich nicht in Ruhe lassen werde, bis du das getan hast."

Er seufzte. Dann fuhr er sich durch die Haare. Seufzte wieder.
"Als ich klein war, war ich immer neidisch auf meine Schwester, weil sie einmal eine Hexe wird und ich nicht." Lu öffnete leicht den Mund, als hätte sie plötzlich eine Eingebung, sagte jedoch nichts. Also sprach er weiter: "Bis das mit meinem Vater passiert ist." Ihr Mund klappte zu.
"Es war ein Fluch und kein Krebs", flüsterte er. Lu schlug entsetzt eine Hand vor den Mund und griff mit der anderen nach seiner.
"Ich hatte ja keine Ahnung. Kilian, ich-", sagte sie und verstummte kopfschüttelnd.
"Er hat irgendwo in Ägypten ein bis dato verschollenes Pharaonengrab gefunden. In den 1920ern gab es da doch diesen Mythos über verfluchte Gräber im Tal der Könige",  begann er und Lu nickte eifrig.

"Wo alle dachten, es gäbe einen schlimmen Fluch, obwohl es eigentlich Pilzsporen waren, die die Archäologen eingeatmet haben?" Sie musterte ihn und er sah, wie die Zahnräder in ihrem Kopf arbeiteten. 

"Genau. Seit diesen Pilzvergiftungen haben alle natürlich immer Schutzkleidung getragen. Aber die hat meinem Vater nicht geholfen, als er seine Entdeckung machte, denn er hat leider ein tatsächlich verfluchtes Grab geöffnet." Lu drückte seine Hand sanft und legte die andere auf seine Schulter.
"Das ist nicht alles. Meine Mutter hat versucht ihn zu heilen. Sie hat alles versucht. Alle Zaubersprüche und -tränke, Beschwörungen und Rituale, einfach alles. Aber nichts konnte ihm helfen. Und so starb er. Wegen Magie."

"Und jetzt willst du mit Magie nichts zu tun haben? Aber deine Familie ist doch nun mal so. Und du liebst sie doch, oder?"
"Ja, natürlich liebe ich meine Familie. Mit meiner Mutter gerate ich zwar oft aneinander, aber wir sprechen uns dann aus und gut ist."
"Und sprecht ihr nie darüber? In einem Haushalt, der zu drei Vierteln aus Hexen besteht, ist das doch unvermeidlich oder nicht?"
"Sie unterlassen ihre Hexerei in meiner Anwesenheit und versuchen das Thema weiträumig zu meiden, aber nervig ist es schon. Es ist einfach so- seltsam." Er machte eine unbestimmte Geste, als würde er versuchen Worte aus der Luft zu fischen.

"Erinnerst du dich noch, wie du mich damals gefragt hast, weshalb wir kein Weihnachten feiern?", fragte er und Lu nickte.
"Du hast gesagt, ihr macht aus Weihnachten keine große Sache, weil ihr Atheisten seid", erinnerte sie sich.
"Deine Familie ist doch auch nicht religiös und trotzdem feiert ihr Weihnachten, oder?" Lu nickte.
"Siehst du Seltsam. Mit großem S. Wir feiern kein Weihnachten, weil wir das Julfest feiern. Wir feiern nach dem vorchristlichen Kalender, dem der Wicca-Kult folgt." Lu sah skeptisch aus.
",Kult' ist ein ziemlich abwertendes Wort für eine Religionsgemeinschaft, die die Natur verehrt und der zudem auch noch deine Familie angehört", tadelte sie ihn.

Er rollte mit den Augen.
"Wie auch immer. Das, was sie machen, ist für mich ein Kult."
"So richtig mit Opferritualen und so?", Lu rümpfte angeekelt die Nase.
"Normalerweise nicht." Sie sah ihn so entsetzt an, dass er sich ein Lachen nicht verkneifen konnte.
"Es gibt Rituale mit Opfern, das sind aber meistens individuelle Opfer, wie persönlicher Schmuck oder symbolische Opfer, wie Blumen oder Nahrungsmittel. Es gibt wohl auch Tier- oder sogar Menschenopfer, aber soweit ich weiß, sind das nur wirklich abgedrehte Leute, die sowas machen." Er zuckte mit den Schultern. Lu schüttelte sich.

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