Die hinterste Ecke meines Verstands

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Der Spiegel, treissap tsi saw

Schaut euch Dag-Alexis an. Er sitzt auf der Couch und weint. Wann hat er denn damit wieder angefangen? Glaubt ihr es geht ihm gut? Er hat schon lange nicht mehr so verloren ins nichts geschaut oder? Wie lange betrachtet er denn die Regentropfen auf der Scheibe eigentlich schon? Glaubst du er merkt was er tut? Eher nicht, der ist total durch wenn du mich fragst. Naja, vielleicht hat er einfach den falschen Stoff erwischt, wäre ja nicht das erste mal.

Leises Kichern, kalt, hämisch, eisern.

„Nein hab ich nich..." Meine Stimme klingt, als hätte ich seit Stunden kein Wort gesprochen und alles geht in einem uferlosen Schluchzen unter.

Die in meinem Kopf sind genauso schneidend wie ich sie in Erinnerung hatte. Ich will ihnen nicht zuhören und trotzdem tu ich es, was soll ich auch dagegen machen? Ich tue es schon wieder und dabei weiß ich doch genau, dass ich ihnen nicht antworten sollte.

Ich weiß das sie nicht wirklich da sind, trotzdem macht das Antworten die Sache grade leichter. Wäre das nicht der richtige Zeitpunkt, mir die Frage zu stellen wo ich diesmal Falsch abgebogen bin um wieder an diesem Ort zu landen?

Das weißt du doch ganz genau. Antwortet es mir aus dem rauschen in meinem Kopf.

Scheiße. Meine Handflächen pressen sich wie von selbst in mein Tränen und Rotz verklebtes Gesicht, als die Nachricht, dass ich diesmal wirklich komplett am Arsch bin, langsam zu mir durchsickert.

Das Getuschel, welches von einer Ecke des Zimmers in die andere schallt, malt Muster aus Gänsehaut auf meinem Körper und hinterlässt den bitteren Beigeschmack von Versagen in meinem Mund. Sie sind wieder da. Die Stimmen in meinem Inneren, die doch eigentlich verstummt waren, sind wieder da. Und das ist alleine meine Schuld.

Das wars dann wohl jetzt, game over. Hasta la vista und tschüss Leben.

Weitere Tränen verschleiern meine Sicht, sie sind anders als die Regentropfen auf der Fensterscheibe nicht kalt. Meine Augen brennen, vom ganzen Geheule und dem ständigen reiben.

Wahrscheinlich seh ich beschissen aus. Komplett fertig halt. Eigentlich will ich gar nicht so genau wissen wie ich aussehe, die nassen Scheiben sind nur leider ein viel zu guter Spiegel.

„Fuck..."

Ach komm, tu nicht so. Du sahst schon schlimmer aus, Dag.

Irgendwie schafft es ein trockenes lachen zwischen meinen Krokodilstränen an die Oberfläche. Ich ignoriere sie einfach, dann sind sie nicht da. Diesmal wirklich, ja. Das ist eine gute Idee. Ich will einfach nur in meiner Verzweiflung versinken und den Scherbenhaufen betrachten in den ich das was Vincent und Dag-Alexis mal gewesen sind verwandelt habe.

Er übertreibt oder? Sicher, dass er nicht doch was Falsches geschmissen hat? Was macht er eigentlich hier an nem Samstagabend? Der war doch mal cool, wann ist der überhaut so ne Pussy geworden? Pssscht, sei doch mal still! Jetzt weint er wieder, toll gemacht! Was denn? Es ist doch nicht meine Schuld, wenn er mit seinem Kumpel Krach hat. Das wird schon wieder, wirste' schon sehen. Die beiden haben sich noch immer zusammengerauft, Vinnie würde ihm doch noch verzeihen, wenn er seine Schwester gevögelt hätte!

„...Vincent hat doch überhaupt keine Schwester!" Bricht die Verzweiflung mit noch mehr Tränen aus mir heraus und für einen Moment ist da gar nichts. Kein Getuschel, kein Geflüster, nur der prasselnde Regen und meine Stimme die in der leeren Wohnung verhallt.

Also hast du IHN gefickt?

Wird das Schweigen Jäh zu einem Ende gebracht. Auch wenn die verräterische Stille härter ist als jedes Wort und für einen Moment denke ich allen Ernstes darüber nach: Habe ich Vincent gefickt?

Deine CollegejackeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt