Das was von mir bleibt

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Hier und jetzt (was auch immer das heißt), Selbstverlust

Tränen verwaschen meine Sicht, nehmen mir den Zug, die kalte Nachtluft und Vincent. Ich möchte weinen, aber ich heul ja schon...

Erbärmlich. Jämmerlich. Such dir was aus, ich hab keine andere Ausrede für dich. Wir haben keine. Außer vielleicht...

„Nein. NEIN!" Ich springe auf, die Tränen fliegen aus meinem Gesicht und Tropfen auf den Boden. Mir wird kurz schwarz vor Augen und mein Kreislauf pocht in meinen Ohren, gefährlich nah am Kollaps.

Doch die Regentropfen auf der Scheibe geben meinem Herz einen neuen Rhythmus vor, an den es sich halten kann. Doch je mehr ich mich darin verliere, desto leiser aber auch verworrener werden die Stimmen.

Und dann bin ich nicht mehr in meinem Wohnzimmer, sondern im Treppenhaus.

Was tust du...was machst du...wo willst du hin?!

Wo bin ich?

Der kalte Regen schlägt mir ins Gesicht, Böen der Gleichgültigkeit, die es nicht schaffen die Unruhe in mir zum Schweigen zu bringen. Wo bin ich?

Die Straßen verschwimmen im Regen, das einzige Licht sind die unnatürlich leuchtenden Straßenlaternen. Sonst ist da nur der schwarze Asphalt, der glänzt wie die Nacht um mich. Die unebenen Pflastersteine unter meinen Füßen bringen mich mit jedem Schritt ins Schwanken. Bis sie es auf einmal nicht mehr tun.

„Fuck!" Ein bestimmt zehn Meter tiefer Abgrund tut sich zu meinen Füßen auf. Seit wann bin ich auf einem verfickten Dach?!

Nein...nein...ich bin hier nicht rauf geklettert und habe nichts davon gemerkt. Das...das kann einfach nicht sein!

Hektisch sehe ich mich nach einem potentiellen Weg um, wie ich hier rauf gekommen sein könnte und auch schnell wieder von diesem Dach runter komm. Es sieht aber nicht so aus, als wäre ich diese Strecke schonmal gelaufen.

Umso bedenklicher, dass ich mich nicht daran erinnern kann wie ich hier hochgeklettert bin. Also so gar nicht!

Die Umgebung kommt mir bekannt vor, aber nicht aus dieser Perspektive. In der Ferne kann ich das Brandenburger Tor mit seiner Beleuchtung, welche die hellen Steine beinahe golden strahlen lässt, ausmachen.

Den eisigen Regen spür ich kaum noch, meine Haut ist taub geworden. Wie tausend kalte Nadelstiche, die nicht mehr ganz zu mir durchkommen, aber noch immer da sind.

Langsam trete ich an die Kante zum Abgrund. Dort unten fahren Autos, diese Stadt schläft schließlich nie.

Vincent könnte jetzt auch dort unten sein, um diese Zeit ist er oft unterwegs, vor allem, wenn er den Kopf nicht frei bekommt...

Denk nicht an ihn, denk nicht an ihn, denk nicht an ihn...!

Dann ist da kein Grund mehr unter meinen Füßen und ich falle. Moment...Ich falle?!

Dag, ernsthaft, jetzt stell dich nicht so an. Wir fallen nicht. Warum sollten wir zulassen das wir fallen? Und selbst wenn, Katzen wie du landen immer auf ihren vier Pfoten.

Was?! Ich bin aber keine Katze!

Panik rauscht durch mich und ich kämpfe gegen den Reflex an, meine Augen zu schließen. Der Boden kommt rasend schnell, in Zeitlupe näher.

Mir bleibt kaum Zeit zu reagieren, aber es reicht um mir die Arme vors Gesicht zu reißen und mich wie ein Igel zusammen zu Kugeln.

Der harte Boden der Tatsachen holt mich einen Augenblick später ein. Genauer gesagt mein linkes Handgelenk, das als erstes Kontakt mit dem Pflasterstein macht.

Deine CollegejackeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt