Wenn ich noch da bin, verlass mich nicht

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4 Uhr in der Früh, ein bisschen Hoffnung (?)

Die Stunden kriechen vor sich hin, ziehen sich wie Kaugummi unerträglich. Irgendwann höre ich auf, auf meine Armbanduhr zu schauen. Es macht schlicht und ergreifend keinen Unterschied.

Nachdem Connie die Papiere vorne am Empfang abgegeben hat, ist es Still geworden. Über was hätten wir den reden sollen? Es hatte irgendwie etwas Endgültiges, die Dokumente abzugeben.

Ich...wir haben dreimal oder auch viermal versucht Nikolas nachhause zu schicken, er hat schon so viel getan, vielleicht oder sogar ganz wahrscheinlich hat er Dag das Leben gerettet. Er sollte sich hier nicht die Nacht um die Ohren schlagen, dafür bin ich doch da.

Aber es ist ohnehin egal, er weigert sich zu gehen bis wir etwas neues wissen. Oder überhaupt irgendwas...

Mittlerweile hat mein Haustelefon, welches ich natürlich noch immer bei mir habe, den Geist aufgegeben. Akku alle. Ich war wirklich so in Eile, dass ich es einfach mitgenommen habe. Jetzt steckt es nutzlos am Bund meiner Jeans.

Hier gehen seit Stunden die Türen auf und zu, Ärzte und Pfleger kommen und gehen, laufen durch den Flur hin und her. Aber keiner kann uns was sagen, wir werden weiter vertröstet, immer und immer wieder auf später, so bald wie möglich, haben sie noch etwas Geduld, wir geben wirklich unser bestes.

Geduld. Ich kann es nicht mehr hören. Mittlerweile habe ich den vierten Becher Krankenhauskaffe intus und meine Unruhe hat sich in äußerste Anspannung gewandelt. Ich weiß nicht ob das eine Verbesserung ist, doch es ist mir auch egal.

Der Gedanke, dass Dag grade irgendwo, in einem dieser Zimmer stirbt wird immer mehr zu einem drückenden Verdacht. Es macht mich verrückt nicht zu wissen wo er ist und wie es ihm wirklich geht, das macht die quälenden Gedanken nur noch schlimmer.

Das eigentlich doch leise Ticken meiner Armbanduhr klingt viel zu laut in meinen Ohren. Wahrscheinlich bilde ich es mir nur ein.

Eine weitere Schwester läuft an uns vorbei, das bedauernde Lächeln auf ihren Lippen sagt eigentlich schon, dass sie uns nicht helfen kann, trotzdem hält sie kurz bei uns an.

„Bitte, haben sie noch etwas Geduld. Die Operation ist gut verlaufen und Herr Kopplin wird direkt auf Station gebracht. Vielleicht können sie ja jetzt etwas Ruhe bekommen und..."

„Wie geht es ihm? Warum wurde er Operiert? Warum weiß hier niemand was überhaupt los ist? Ich will zu ihm, jetzt." Connie, mit zerstörter Frisur und tiefen Augenringen unter den Augen steht auf bevor die Pflegerin auf die Idee kommen kann einfach so wie die anderen wieder zu gehen und uns mit nichts alleine zulassen.

„Frau Kopplin, ich fürchte, dass das jetzt noch nicht möglich ist, aber gleich kommt Frau Doktor Schöpf. Sie wird ihnen sicherlich sagen können wa-..."

„Nein, nein bitte ich...wir können nicht noch länger einfach hier sitzen und abwarten!" Und wieder sind es Tränen die über Connies Gesicht laufen und es macht mich fertig sie wieder so zu sehen. Sie hat doch erst vor kurzem aufgehört zu weinen.

Der Hilfe suchende Blick der Schwester in meine Richtung treibt mich auf die Beine. Wackelig und ebenfalls wieder leicht bebend vor Schluchzern die mich zittern lassen gehe ich zu ihr hinüber und versuche sie zu beruhigen. Meine Tränen sind getrocknet, ich kann nicht mehr weinen, aber sie kann es noch. Unbeholfen lege ich einen Arm um sie. Ob es was bringt?

Ich bin überfordert, wie sehr ist mir wahrscheinlich gar nicht bewusst, was vielleicht gar nicht mal so schlecht ist.

Ich weiß auch, dass ich wahrscheinlich was tun sollte um sie zu beruhigen, aber ich weiß nicht was ich sage soll. Besser machen kann ich es nicht. Wir sitzen hier schon so lange...

Deine CollegejackeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt