Deine Collegejacke

Egoist

Nur Dein Kopf in meinem Schoß, dann ist die Welt ist in Ordnung

„Hey Kleener. Kann ich dir helfen?" Vincent legt von hinten sein Kinn auf meine Schulter. Ich versteife mich kurz, entspanne mich aber im nächsten Moment und muss lächeln, als ich unsere Reflektion in der schwarzen Küchenfront sehe.

Ihr seht schon cute zusammen aus. Hat doch was, mal nicht der große zu sein oder?

Was? Ich bin nicht klein! Und auch nicht der Kleine von...von irgendwas hier! Nur zur Info und nochmal zum mitmeißeln, wir sind KEIN Paar...auch...auch wenn-

Auch wenn du es dir, ganz tief in deinem kleinen vernarbten Herzen, wünschst?

Auch wenn wir grade so aussehen, Mann!

Frau! Fräulein...Dageline! Ohhh Dageline! Da-ge-li-ne! Das hat Klang! Das hat Körper, DAS ist PERFEKT!

„Nein!" Fuck! Jetzt habe ich es schon wieder nicht gepackt meine Gedanken für mich zu behalten! Was bringen diese Scheiß Pillen eigentlich außer Stimmungsschwankungen und Übelkeit?!

Vincent sieht mich unbeirrt durch die Reflektion an.

„Ok. Ich würde dir aber gerne helfen, wenn ich darf. Du hast mir gestern einen ganz schönen schreck eingejagt, bitte sagst du mir, wenn was zu viel ist?" warum hat er nur so eine scheiß Geduld mit mir, woher nimmt er dieses endlose Verständnis?! Manchmal glaube ich es wäre mir wirklich lieber, er würde einfach mal die Beherrschung verlieren und mich anschreien auch wenn er das noch nie gemacht hat, einfach nur damit mein Hirn wieder drauf klarkommt, dass Vincent ein Mensch und kein verfickter Engel ist!

Ich nicke eisern und starre seine Augen im Spiegelbild an. Nein, ich starre durch sie hindurch. Um ihn wirklich anzusehen bräuchte ich sowas wie Mut und den habe ich grade nicht. Der Kloß, welcher sich in meinem Hals bildet, je länger ich ihn ansehe, verschwindet auch nach mehrmaligem Schlucken nicht. Da will was aus mir raus, aber ich lasse es nicht zu.

Sind es die drei kleinen magischen Wörter, die die Macht haben Berge zu versetzen und Welten verändern?! Na? Na? Na?!

„...sorry, wollte dich nicht so anmachen. Diese scheiß Pillen hauen mich total raus." Und warum hab ich das jetzt schon wieder gesagt? Er weiß doch längst, dass es nicht nur die Tabletten sind. Ich bin einfach ein riesen Arsch, der ihn nach Strich und Faden ausnutzt, ihn toxisch behandelt, ihn anlügt, eifersüchtig ist und Besitzansprüche auf ihn erhebe, kurz, in der Rolle als bester Freund auf ganzer Linie versagt.

„Du musst dich deswegen nicht schlecht fühlen. Reicht schon, dass du dich fertig machst und...dinge hörst." Meine Hand verkrampft sich um die leere Tasse in meiner Hand und ich starre ihn weiter durch das verzogene Spiegelbild an, auch wenn ich jetzt noch mehr durch ihn hindurchsehe oder zumindest mein Bestes gebe so zu tun als wäre alles ok.

Dinge...ja wenn es nur DINGE wären, DINGE außerhalb von meinem Kopf, fucking pinke Elefanten meinetwegen, fleischfressende riesenpflanzen, explodierende Kaffeemaschinen, ich würde alles, wirklich alles gegen diese scheiß stimmen in meinem Kopf eintauschen!

Ok, rude. Bist du dir da auch ganz sicher Dag? Wir sind aus einem bestimmten Grund hier, um dir zu helfen. Nein, erinnere dich nicht, versuche nicht es zu forcieren, glaub einfach, dass es schlimmeres als uns in deinem Unterbewusstsein gibt.

Ein kalter Stich rast durch mich hindurch und ich fühle mich wie eine Marionette, gefangen in einem Gespräch, auf dass sie keinerlei Einfluss hat, in keine Richtung. Ich kann nicht reagieren, das ist nur Vincent der aus meinen unschlüssigen Überschusshandlungen folgert. Und die Tatsache, dass er so oft richtig liegt fickt meinen Kopf noch mehr. Mit jedem Gedanken...aber mit den Dingen lag er falsch.