Vertrauensfrage

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Kopf hoch, Hose runter

Ich döse vor mich hin, an nichts denken, nur die Geräusche, Gerüche und mich selbst spüren. Der Vertraute Geruch füllt meine Lungen, meine ganze Brust, bis in meinen Bauch hinein spüre ich meinen Atem. Meine heile Hand liegt auf meinem Bauch, ein Gefühl von wärme breitet sich langsam aber sicher in mir aus. Das leichte kribbeln, ich spüre es endlich wieder. Das bin ich. Mein Körper...so kaputt er auch ist, es ist meiner.

Loslassen, nur meine Atmung und die Wärme meiner Hand, die durch mich hindurch krabbelt. Ein weiterer tiefer Atemzug. Ich weiß, wie empfindlich meine kleine Parallelwelt ist, dass jeder Gedanke eigentlich zu viel ist und mich jeden Moment rausreißen kann.

Sie sind es, die mich zurück in die schmerzhafte Realität werfen könnten, nicht die leisen Schritte auf dem Dielenboden oder der Geruch von frischem Kaffee.

...und erst recht nicht Vincents sanfte Stimme.

„Du siehst grade so schön entspannt aus..." Seine Stimme ist nicht viel mehr als ein Flüstern, wahrscheinlich soll ich es gar nicht wirklich hören. Dennoch gebe ich ein leises zufriedenes Brummen von mir. Ich öffne langsam die Augen, als das leise rascheln von Stoff und das absetzten zweier Tassen kurz darauf die Stille entzweit. Es ist nicht, dass ich aus meiner Ruhe gerissen werde, es ist viel mehr, dass ich mich jetzt wieder soweit hergestellt fühle um etwas anderes außer mir selbst wahrzunehmen.

„Ich wollte dich nicht wecken, tut mir leid! Soll ich dir lieber einen Tee machen? Ist Kaffee grade nicht was du brauchst oder...!" Angespannt werde ich taxiert und mit Blicken gelöchert. Hat er grade Angst vor mir? Vincent muss doch keine Angst vor mir haben!

„Halt die Klappe Vinne, mir geht es grade ziemlich gut und jetzt lass mir bloß den Kaffee da, ich brauch endlich wieder n gescheiten nach dieser Krankenhaus-Plörre." Er will es nicht nach außen zeigen, aber ihm fällt grade ein Stein vom Herzen. Kein Wunder. Ich bin momentan wirklich nicht ganz einfach. Gut, das kennt er ja von mir, ist er ja auch nicht immer, aber ich war nie ungerecht zu ihm. Impulsiv ja, das ist einfach ganz tief in mir drinnen, mein Herz war schon immer mehr auf der Zunge als in der Brust, aber er hatte noch nie Angst vor mir.

Schon mal drüber nachgedacht, dass es vielleicht daran liegt das ihr rumgeleckt habt und andere Körperflüssigkeiten ausgetauscht habt? Er hat sich da in ne verdammt vulnerable Position begeben und du bist danach abgehauen, vielleicht hat er ja schiss, dass du wieder einfach gehst. Hm, eigentlich warst du doch der mit den Verlustängsten und der Bindungsstörung. Ach ja Traumata sind doch gleich viel schöner, wenn man sie teilen kann! Wie wäre es, wenn du dieses eine mit ihm teilst? Du weißt schon, dieses eine vor dem du so viel Angst hast, dass du nicht mal wagst daran zu denken...vielleicht wird es ja leichter, wenn du es mit ihm teilst?

Nein. Mein Kiefer verkrampft sich und für einen Moment wird alles verschwommen. Warum? Ich will es nicht wissen. Da ist eine Dornenhecke um einen Teil meiner Erinnerungen. Ich werde den Teufel tun und...nein ich denk nicht darüber nach.

„Na dann hab ich ja alles richtig gemacht. Der Kaffee, Monsieur, Kekse sind aus aber du wirst es schon überleben." Zwinkert er mir zu und schiebt die Tasse mit dem dampfenden Getränk auf mich zu.

„Ja lieber so, als dass die Küche wieder brennt..." Nuschle ich nach den ersten paar schlucken. Vincent legt schnaubend sein Kinn auf seinen Händen ab.

„Du wirst mir das wirklich ewig vorhalten oder?" Ich nicke breit grinsend. Das werde ich ihn nie vergessen lassen! Beim Versuch Aufbackbrötchen zu machen die halbe Küche abgefackelt. Und ich stand vorm Studio und hab mich gefragt ob der Herr Stein wirklich nicht da ist oder ob die Klingel den Geist aufgegeben hat, dann kam der Anruf und ich musste mich echt hart am Riemen reißen, nicht loszulachen. Das klingt halt leider immer noch so sehr nach etwas, das Vincent Stein auch heute noch problemfrei hinbekommt.

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