7 Leben

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Das Ergebnis

Piep, piep, piiiiieeeeeeep!

Rennen, schnelle Schritte hallen durch den gebohnerten Flur, das Quietschen von Sicherheitsschuhen, begleitet von hektischen Rufen, Informationsaustausch, kaum verständlich über das laute Piepen.

Es sind drei Rettungssanitäter, die Empfangsdame und eine ratternde Rettungsbare, welche um 2 Uhr nachts durch die erschreckend volle Notaufnahme in der Dieffenbachstraße geprescht kommen.

Erschrockene, müde Gesichter, keiner weiß so genau was passiert, nur dass es nichts Gutes bedeutet und höchst wahrscheinlich eine immense Verlängerung der Wartezeit mit sich bringt.

Mit einem lauten Knallen fliegt die Tür zum Schwesternzimmer auf und vier Krankenschwestern schließen sich trabend der Kolonie an.

„Was haben wir?" Fragt die Ärztin, Dr. Simone Schöpf, welche aus der entgegengesetzten Richtung zu ihrem Team stößt und nimmt im rennen die Infusionsflasche von der Liege um sie in den eilig von einer Schwester herbeigerissenen Ständer zu hängen.

„Patient ca. Mitte bis Ende dreißig, nicht ansprechbar. Vitalwerte niedrig, Herzschlag arrhythmisch, fortgeschrittene Hypothermie bei 29,2° KT, Erfrierungen ersten Grades an Händen und Füßen, Fraktur linkes Handgelenk, drei große Hämatome, Brustkorb und Schulter. Weitere Anamnese und Identifizierung nicht möglich." Mit einem lauten Quietschen geht es um die nächste und somit letzte Kurve in den Schockraum.

„Wer hat den Notruf abgesetzt?" Noch während die letzte Schwester in den Raum gelaufen kommt zieht sich die Ärztin sich ein paar frische Gummihandschuhe über. Das Klicken des Desinfektionsspenders geht nahtlos in das Piepen der Monitore über und als die Schwestern die Kabel umstecken wird es noch viel lauter.

„Ein Nikolas Keller, Personalien sind aufgenommen. Der Mann will noch nachkommen."

Das laute Knistern der goldsilbernen Rettungsdecke übertönt für einen Moment alles und macht Kommunikation so gut wie unmöglich.

„Also kein Verwandter?" Ein Hilfsarzt kommt in den Schockraum gestürzt und mit ihm drei weitere Assistenten, die sich sofort an die Arbeit machen dem Patienten die verbleibende Kleidung, einen dünnen Pulli, eine Jogginghose und ein paar Socken, vom Körper zu schneiden.

„Nein. Ein zufälliger Passant, er war wohl mit dem Fahrrad unterwegs zum nächsten Späti, als er ihn gefunden hat." Als die Ärztin das Überwachungsprotokoll aus dem RTW checkt, wirft es mehr Fragen auf, anstatt welche zu beantworten. Viel ist ja nicht zu sehen. Der Blutdruck ist nur in den ersten Sekunden hoch und runter gerast, jetzt ist er im Keller. Alles andere als typisch für eine Unterkühlung...das ist eigentlich gar nicht möglich bei der Symptomatik.

Die Atmung ist ebenso viel zu langsam und schwach. Das würde dann eine Verlangsamung des Herzschlags, nicht aber die Aussetzer erklären.

Das geschäftige Treiben um die Ärztin wird langsam routinierter, weniger chaotisch, mit jedem Moment, den ihr Patient stabil ist und den das Team seine Checkliste abarbeiten kann. Jeder weiß genau, was er zu tun hatte, ein eingespieltes Team, trotzdem ist es jedes mal eine neue Herausforderung ganz besonders bei einem solchen schwerwiegenden und verwirrendem Fall.

Das passt irgendwie alles nicht zusammen.

„Oliver checkst du mal die Pupillen und machst mir bitte ein großes Blutbild irgendwas passt hier noch ni-..."

Der Rest geht unter in einem ohrenbetäubend anhaltenden Piepton.

„Herzstilltand, Patient Atmet nicht mehr, Reanimierung einleiten! Defibrillator bereit machen!" Aufgeregte Stimmen rufen sich über das anhaltende Piepsen zu, Informationen die innerhalb von Sekunden erfasst werden. Eine Schwester reißt die EKG-Pads wieder von der Brust des Patienten um richtig Platz für die Herzmassage zu haben, während der Assistenzarzt den Defibrillator bereit macht.

„Erstversuch, bereit machen! Kalibrierung 1000-2000, bereit und wegtreten!" Der Stromschock wird ausgelöst und für den Bruchteil einer Sekunde ist es zum ersten mal Still. Dann das erlösende Piepen.

„60, 64, 65. Wir haben ihn wieder. Hypothermie nicht notwendig, er ist schon kalt genug. EKG vorbereiten, wir brauchen einen freien Zugang. Ich brauche ganz dringend ein großes Blutbild bevor wir hier weitermachen." Dr. Schöpf macht sich sofort daran die Brust des Mannes abzuhören, während einer der Pfleger schnell die Verbrennungen vom Defibrillator versorgt.

„Simone, die Pupillen sind verengt, unbewegliche Muskulatur, könnte ein Anfall sein oder er steht noch immer unter Schock. Soll ich Phenytoin geben?" Der Assistenzarzt ist bereits dabei eine Spritze aufzuziehen, doch dann bemerkt er den kritischen Blick der Ärztin.

„Verengte Pupillen sagst du? Ich glaube ich weiß nach was wir suchen." Mit einem schnellen Blick auf die Armbeugen des noch unbekannten Patienten ist dann auch alles klar.

„Alle mal herhören! Wir verabreichen KEIN Morphin! Die Einstichstelle am Arm muss desinfiziert werden. Chris, mach dem Labor bitte eine Notiz, dass sie auf Opiate testen sollen. Bevor wir kein Ergebnis haben werden keine weiteren Schmerzmittel verabreicht, Mund und Nasenraum frei machen, falls er sich übergeben muss. Danke!" Geschäftiges nicken, dann geht es auch schon weiter.

„Heroin?" Die beiden Ärzte legen ihre Handschuhe ab und machen sich gemeinsam an die Papierarbeit.

„Da wette ich drauf. Wir müssen unbedingt rausfinden wer das ist. Er sieht für mich nicht wie ein Junkie aus und um auf der Straße zu leben ist er zu gepflegt. Bestimmt hat er ein Handy." Es braucht nur ein paar Handgriffe um das Smartphone in den traurigen Überresten von Pulli und Hose zu finden.

„Bingo. Drei Notfallnummern. Vielleicht erfahren wir endlich wen wir hier vor uns haben."

Diese Nacht werden zwei Anrufe von Dags Telefon abgesetzt. Der erste um 22:32, an den Kontakt Vinnie Stein. Der zweite um 2:11, an Mama.


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So, cut!

Wir fangen mal langsam an, dachte ich um wieder rein zu kommen, ein kurzes Kapitel. Ich muss zu meinem eigenen Erschrecken feststellen das mir das hier viel zu viel Spaß beim Schreiben gemacht hat. Sämtliche hier beschriebenen Notfallmedizinischen Eingriffe und Abhandlungen stammen aus meiner Zeit beim Rettungsdienst, ai bin ich froh das die Zeit vorbei ist und keine Sorge, das war der vorerst letzte Ausflug in die Notfall Medizin!

Man liest sich!

Deine CollegejackeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt