Reden ist schweigen, Silber ist Gold

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Der Feind in meinem Kleiderschrank, unter meinem Bett ein Hauch Zweifel


Schweigen. Ruhe. Absolute Stille. Etwas anderes ist da nicht. Mein Blick klebt finster auf meinen Händen, ich will gar nicht hier sein. Eigentlich will mich Zuhause mit Vincent auf der Couch kuscheln und meinen Kopf auf seine Brust legen. Sein Herz schlägt immer so schnell, wenn ich das mache. Das ist schön. Es ist faszinierend entspannend mich auf die einzigartigen Signale seines Körpers zu konzentrieren. Ich liebe es einfach, wie seine Atmung schneller wird, wenn ich mit den Fingerspitzen ganz vorsichtig und sanft seine Arme hinauf streiche und wie sein Herzschlag davon galoppiert, wenn ich über seinen Bauch streichle. Die Wärme seiner Haut ist für mich mittlerweile das, worauf ich mich am Abend am meisten freue, gleich nach dem Kuss den ich Vincent gebe, wenn er nachhause kommt und den hat er sich in den letzten Tagen wirklich verdient. Er war kein einziges mal zu spät, seit ich ihm den Kopf grade gerückt habe. Pünktlich um 18:45 geht die Wohnungstür hinter ihm mit dem vertrauten leisen klicken zu.

Und dann geht unser kleines neues Ritual los, jeden Abend ganz verlässlich. Ich begrüße ihn und Vincent bekommt seinen Kuss, auf den er, auch wenn er mittlerweile weit mehr als einen am Tag bekommt, jedes mal aufs Neue kaum warten kann. Dann essen wir zusammen, meistens koche ich, aber manchmal bringt er auch was zu essen mit. Mir fällt es noch immer schwer, für mich eigentlich normale Portionen zu essen. Über den Tag esse ich deshalb kaum, das Abendessen ist in diesem Sinne also eigentlich ein sehr verspätetes Frühstück für mich und das sieht man mir mittlerweile auch an, vor allem im Gesicht da wo ich es nicht verstecken kann. Tja und dann kommt das, was weder Vincent noch ich so wirklich verstehen, glaube ich. Meistens passiert es im Wohnzimmer, aber manchmal passiert es schon in er Küche noch während ich lustlos in meinem Essen herumstochere: Er kniet sich vor mich und zieht meine Hand auf seinen Kopf, damit ich ihn kraule.

„Dag du hast seit du heute in die Praxis gekommen bist kein einziges Wort gesagt. Du hast dich noch nicht mal darüber aufgeregt, dass ich festgestellt habe wie schlimm du aussiehst, obwohl das höchst unprofessionell von mir ist." Ich kann nur müde mit den Mundwinkeln zucken. Eklund würde es ohnehin nicht verstehen und dass es keinen Sinn hat, gegen die unterschwellige Beleidigung anzustinken weiß er genau so gut wie ich. In den Spiegel schauen kann ich immerhin selbst, auch wenn ich mir damit auch immer schwerer tue und angst habe, dass sich mein Hirn nochmal was zusammen spinnt oder ausdenkt.

Am liebsten würde ich einfach die Spiegel abhängen oder was darüber hängen...

„So schlimm?" Seufzt der Psychiater meines unfreiwilligen Vertrauens. Ich will mit den Schultern zucken als mich ein lautes Schnipsen aus der Fassung reißt.

„Ja." Ist meine reflexartige Antwort. Verdammt! Der Pisser tut es schon wieder! Wie kann es eigentlich sein, dass der mich seit meiner Jugend konditioniert und ich noch immer nicht ralle, wie ich ihn davon abhalten kann?! Das ist unfair und mit Sicherheit verboten!

„Was genau ist denn schlimm? Die Nebenwirkungen der Medikamente?" Hakt er nach und ich nicke einfach verbittet. Ja, unter anderem sind auch die schlimm. Mittlerweile bekomm ich nicht mal mehr einen hoch. Wahrscheinlich denkt sich mein Schwanz nach dem ich ihn so lange stehen lassen hab: Nope, keinen Bock. Wirklich böse sein kann ich ihm dafür auch nicht muss ich zugeben...

Ein weiteres seufzen, dann legt Eklund sein allgegenwärtiges Klemmbrett auf den Tisch zwischen uns. „Dag wie lange kennen wir uns jetzt? 25, 26 Jahre?" Ich nicke stumm. Holy shit, das ist echt lange...ich habe mich nie gefragt wie alt Eklund eigentlich ist, für mich sieht er noch immer genau so aus wie bei unserer ersten Sitzung. Gut, ein paar Falten und Graue Haare sind dazu gekommen, aber seine Art hat sich nicht geändert. Ich war damals glaube ich sogar einer seiner ersten Patienten, ursprünglich für eine von meinem Hausarzt Angesetzte „Verhaltenstherapie" der alte Faschist, was bin ich froh, dass der auf jeden Fall nicht mehr praktiziert...

Deine CollegejackeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt