Splitterspiel

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Denn nur der eine der im Kreis geht spührt den Spindelstich...


Ich begreife noch immer nicht was passiert ist oder was mit mir geschieht. Aber das gleichmäßige wackeln des Autos hat eine beruhigende Wirkung auf mich. Die Dunkelheit der Nacht lässt die Lichter der Stadt in den Autoscheiben spiegeln, ein verzerrtes Bild, ohne Bezug zur Realität. Da draußen ist alles dunkel, aber dennoch sieht man, im Glanz der leuchtenden Reklametafeln und Straßenlaternen. Ich lehne meinen Kopf an die Fensterscheibe und ziehe die Füße zu mir auf den Beifahrersitz um sie mit meinen Armen zu umschlingen.

Es ist passiert...

Es ist wirklich passiert. Ich hab die Kontrolle verloren und Vincent weh getan. In meinem Kopf hallt noch immer das dumpfe aufschlagen von Vincents Gesicht gegen das Holz wieder. Ich wollte das nicht...wie konnte ich das nur tun?

Das Auto reiht sich auf der linken Spur ein biegt ab. Ich habe Vincent geschlagen. Es ist raus, das ist die Realität mit der ich mich anfreunden muss. Egal wie sehr ich es auch hasse, es ist das was passiert ist...dass was ich getan habe.

Was danach geschehen ist fühlt sich an wie ein Film. Vincent hat mich in den Arm genommen, obwohl ich ein verdammtes Arschloch bin das ihm weh tut. Ich habe Männer die Gewalt nutzen um sich gegen andere, gegen Schwächere, durchzusetzen immer verachtet, Männer wie mich. Was ist nur aus mir geworden? Eigentlich dürfe es mich so gar nicht geben, wie sieht das aus? Von alleine erziehender Mutter großgezogen, mit allem, aber vor allem den richtigen Werten und so viel Liebe...und das soll aus mir geworden sein? Es kann nicht stimmen. Es...das geht doch nicht!

Oh Gott. Wenn meine Mama das erfährt dann bin ich ein toter Mann...

Mann? Wohl eher Memme. Du kannst froh sein, wenn sie dich nicht kastriert, wenn sie erfährt, dass du Vincent SO behandelst. Also bete das sie nichts davon erfährt. Du hättest das anders Lösen können. Vincent hört auf dich, es hätte völlig gereicht ihm die Meinung zu sagen und ihn danach für eine Weile in die Stille Ecke auf seine Knie zu schicken.

Ach jetzt auf einmal wisst ihre es wieder besser? Ich versuche die Tränen hinunter zu schlucken, doch scheitere kläglich. Vincent hat Eklund angerufen, weil ich nicht mal das alleine kann. Dann habe ich Angst bekommen, alles wurde zu viel, weil ich begriffen habe was ich bin, egal was Vincent sagt und...Das nächste an das ich mich erinnern kann, ist wie ich in der Ecke zwischen Kleiderschrank und Wand im stockfinsteren Zimmer kauere und mich so klein mache wie möglich. Das einzige Licht war der schmale Streifen im Türspalt. Das ist der einzige Ort der im blinden Winkel des viel zu riesigen Spiegels liegt. Keiner sieht mich und noch viel wichtiger: Ich muss mich nicht sehen.

So zusammengekauert habe ich dagesessen und als die Tränen kamen habe ich alles getan um keinen Mucks von mir zu geben. Ich habe gehofft einfach zu verschwinden. Aber das bin ich nicht. So einen ekelhaften Menschen wie mich sollte es gar nicht geben...natürlich hat Vincent mich doch gefunden. Er war weg weil, weil...warum nochmal? Er hat mich alleine gelassen, weil...richtig weil er Doktor Eklund angerufen hat! Darum hatte ich ihn ja gebeten. Er hat gesagt, dass er sein Handy holen will, als er gegangen ist. In Wirklichkeit war er aber im Bad, zur Schadensprüfung. Er wollte sehen wie schlimm ich ihn zugerichtet habe. Das weiß ich. Sein Handy war die ganze Zeit über in seiner Hosentasche, ich hab's gesehen.

Vincent hat sich vor mich auf den Boden gehockt und eine ganze Weile nichts gesagt. Irgendwann hat er seine Hand nach meinem Knie ausgestreckt und schließlich vorsichtig meine verkrampften Hände aus meinem Haar gelöst. Er hat sich ganz langsam bewegt, so als hätte er Angst, mit einer falschen Bewegung wieder Gewalt von mir zu erfahren. Ich habe es nicht anders verdient, sein Vertrauen habe ich ohnehin gebrochen.

Deine CollegejackeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt