Der Morgen danach

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Der Spiegel, hci dnu ud eiw treizilpmok os

Der nächste Morgen ist unangenehm Still und obwohl es Sommer ist, friere ich zum ersten mal seit Wochen wieder. Zwischen Vincent und mir...da ist es einfach nur eisig. Nach seinem Geständnis hat er sich losgerissen und im Wohnzimmer verbarrikadiert. Glaube ich. Ich hatte nicht den Mut zu klopfen.

Feigling!

Ich weiß. Nachdenklich blicke ich in meinen Kaffee, der sicher schon kalt ist.

Du magst doch überhaupt keinen Kaffee, was wird das?

Bitte, ich habe die ganze Nacht kein Auge zu bekommen, ich brauch Koffein oder ich übersteh den Tag nicht und meine Therapiesitzung gleich dreimal nicht...und die Cola aus dem Kühlschrank bekomm ich nicht auf. Seufz. Ich hab es endgültig verkackt. Das steht ja wohl außer Frage. Vor dem Fenster geht die Sonne langsam auf, aber nicht mal darüber kann ich mich freuen. Ich fühle gar nichts. Nur diese Zerrissenheit tief in mir und dieser zehrende Schmerz in meiner Brust. Ich lausche in mich hinein, auf der Suche nach einer Antwort. Ich bekomme keine. Natürlich. Wisst ihr, ihr seid genauso verschissen Feige wie ich!

Das leise kaum hörbare Knarzen der Holzdielen verlangt meine Aufmerksamkeit und als ich zur Tür schaue steht da Vincent oder wohl eher das, was ich von ihm übriggelassen habe. Er sieht beschissen aus, so wie ich. Seine Augen sind verquollen und feuerrot. Er sieht aus als hätte er die halbe Nacht geweint...

Ach wirklich? Na, woran das wohl liegen mag...keine Ahnung aber vielleicht ist das ja ALLES DEINE SCHULD?!

Vielleicht? Ganz sicher sogar. Vincent sieht mich nicht mal an, seine Augen kleben irgendwo auf dem Küchenboden. Er schluckt und auch wenn er unglaublich fertig aussieht, wie er auf seiner Lippe herumbeißt und mit seinen verstrubbelten Haaren, die wohl nichts mehr retten kann an diesem Tage, er ist noch immer schön.

„Hey." Meine Stimme bricht weg aber seine Augen bekomme ich für einen kurzen Moment richtig zu sehen. „Hey..." Traurig, verzweifelt, kaputt...und das habe alles ich angerichtet. „Willst du auch nen Kaffee?" Ich spar mir die unnötigen Floskeln ‚Hast du gut geschlafen?' und ‚Wie geht es dir?', so gemein bin selbst ich nicht. Vincent nickt, bewegt sich aber keine Stück. Es ist noch verdammt, vor Allem für ihn. Wie viel Uhr haben wir? Halb Fünf? Scheiße. Er kann gar nicht geschlafen haben. Auch wenn ich es mir schon gedacht habe, dass es wahr ist, macht es noch schwerer zu akzeptieren. „Du magst keinen Kaffee." Stellt er leise fest, als ich einen kleinen Schluck aus meiner Tasse nehme und sofort das Gesicht verziehe. Noch schlimmer als Kaffee, ist kalter Kaffee. „Aber du." Ignoriere ich seine Aussage und stehe auf um ihm auch eine Tasse zu holen. Unsicher gehe ich auf ihn zu und reiche ihm die Tasse. Immerhin zuckt er nicht zurück...er steht wie Angewurzelt im Türrahmen und sieht mich an, wie ein Reh im Scheinwerferlicht.

„Danke..." Seine Stimme klingt abwesend. Aber er hat den entfernten Schatten eines Lächelns für mich übrig, den ich nicht verdient habe. Meine Mundwinkel zucken hilflos. Was kann ich denn machen?

„Tut mir leid, dass ich mich in dich verliebt habe. Ich...ich wollte nicht unsere Freundschaft killen, das musst du mir bitte glauben." Mir zerreißt es schon wieder das Herz, die Worte aus seinem Mund zu hören. Wie es wohl in ihm aussieht? Ich glaube er braucht grade ganz dringend eine Umarmung, da sind wieder Tränen in seinen Augen. Aber er beobachtet mich auch, als hätte er Angst vor mir...fuck.

Hilflos umarme ich mich selber und starre aus dem Fenster. Ich habe doch auch keine Ahnung wie ich hier raus komme! Ich trau mich ja noch nicht mal laut zu Atmen, aus Angst, Vincent zu verschrecken. Ich weiß ja noch nicht mal was ich fühlen soll. Wahrscheinlich sollte ich schockiert sein, weil Vincent sich in mich verliebt hat, ganz egal was mein bescheuerter Körper für Bedürfnisse äußert, er ist noch immer mein bester Freund. Aber es fühlt sich nicht komisch an. Ich fühle gar nichts mehr. Ich weiß nur, dass ich ihn nicht verlieren will. Das verkrafte ich nicht. „Hör doch auf dich zu entschuldigen. Das tut weh, weißt du?" Mir kribbelt es in den Fingern, ich müsste schon längst eine geraucht haben. Ich weiß echt nicht wie ich diese Anspannung wieder loswerden soll, ohne ein Ventil. „Ok." Vincent senkt seinen Kopf und ich kann sehen wie es in seinem Kopf rattert. Wenn ich nur wüsste, was er wirklich von mir denkt...er will grade abhauen oder? Jap. Definitiv.

Deine CollegejackeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt