Wirklichkeit in Watte

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Der Spiegel, elees eniem tsi ow

Leises piepen, stetig, gleichmäßig, regelmäßig. Es ist das erste was ich höre. Da ist etwas Warmes an meiner Hand, mir ist so kalt. Ein stechender Schmerz in meiner Brust, so als wäre ich einen Marathon gerannt, brennt sich durch meine Brust. Mir ist so kalt...

Da ist etwas Eisiges an meinem rechten Arm, es ist kälter als alles andere. Ich versuche meine Augen zu öffnen, doch die Dunkelheit lässt mich nicht entkommen, meine Lider sind viel zu schwer.

Ich bilde mir ein, Vincents Geruch in der Nase zu haben, aber wahrscheinlich ist das nur eine vertraute Erinnerung um es mir leichter zu machen.

Der Tod fühlt sich an, wie eine harte Matratze, eine weiche Decke und ein dickes Kissen. Aber so sicher kann ich mir da gar nicht sein, alles ist wie in Watte gepackt, schwer und langsam, aber auch weich und schützend.

Das einzig schöne ist die Wärme an meiner Hand, ich will danach greifen, aber meine Finger lassen sich nicht überzeugen, auch nach der Wärme zu greifen.

Es fühlt sich so gut an, dass es das einzige wird worauf ich mich konzentrieren möchte. Ich weiß nicht was als Nächstes kommt, ob überhaupt etwas kommt.

Vielleicht ist das die Unendlichkeit?

Ich habe nie wirklich geglaubt, dass nach dem Leben noch etwas kommt und hatte wohl recht wie auch unrecht zugleich. Das hier ist etwas, aber nichts Wirkliches.

Ich versuche Vincents Geruch auszublenden, weil er mich traurig macht. Er ist nicht da. Er wird nie wieder da sein.

Dann ändert sich plötzlich etwas. Das Piepen, welches ich schon fast vergessen hatte setzt kurz aus, bevor es mit doppelter Intensität wieder losgeht. Für einen Moment bilde ich mir ein, dass es mein Herz ist, das wie wild schlägt, dann fällt mir wieder ein, dass das ja gar nicht sein kann, weil ich tot bin.

Bilde ich es mir nur ein oder streichelt die wärme meine Hand? Ja, es fühlt sich an als würde mich jemand streicheln, ganz sanft und vorsichtig als würde ich bei einer falschen Berührung kaputt gehen und so schön warm...

Dann ist die Wärme an meiner Wange, noch viel sanfter, beinahe wie ein Versuch mich zu beruhigen und es funktioniert. Es macht, dass ich meine Augen wieder bewegen kann, meine Augenlider, auch wenn ich es noch nicht ganz schaffe sie zu öffnen.

Das Piepen wird wieder langsamer, aber nicht schwächer. Ich unternehme noch einen Versuch meine Augen zu öffnen, diesmal langsamer und es funktioniert. Blasses Licht, dunstig, irgendwie nicht wirklich da.

Langsam, weil ich Angst habe, was mich noch erwartet, öffne ich meine Augen einen kleinen Spalt. Weiß, nicht grell, fast ein bisschen neblig.

Alles ist weiß oder hellgrau? Meine Augen spielen mir wahrscheinlich Streiche, keine genauen Farben, nur unbestimmte Schattierungen.

Ich fühl mich schläfrig, die Watte in meinem Kopf hält mich empfindungstaub.

Je mehr ich mich traue meinen Augen zu öffnen, desto mehr erkenne ich. Endlich finde ich heraus woher die schöne wärme um meine Hand kommt. Doch als ich den Blick senke wünsche ich sofort, ich hätte es nicht getan.

Ist der Geruch nicht genug? Muss mir dieses hier, wo auch immer hier ist, es noch schwerer machen?! Das ist Folter!

Warum ist Vincent hier? Er ist doch gar nicht hier!

Er kann nicht hier sein, denn er ist ja nicht tot, richtig?

Das ist nur Einbildung, nichts als Einbildung...und wenn das der Tod ist, warum tut es dann noch immer weh?

Deine CollegejackeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt