Mein Herz schlägt nicht mehr, es prügelt auf mich ein

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Triggerwarnung: Erbrechen. Wie immer Markiert zwischen den * Sternechen *

Ein Kind in einem Labyrinth

Das klingeln meines Telefons reißt mich aus dem Schlaf. Meine Augen brennen im kalten Licht des Displays. Von wegen Nightmode...die helle Schrift fickt genauso mit meinem Kopf! Ich erkenne die Nummer auf dem Display zwar nicht, aber irgendwie kommt sie mir bekannt vor, kann aber auch dran liegen, dass meine Augen noch total müde sind...

„Hallo?" melde ich mich, meine Stimme klingt noch rauer als ich es erwartet habe...wie spät ist es eigentlich?

„Dag? Dag wo steckst du?! Du solltest schon vor einer halben Stunde hier sein, Dag ich brauche dich hier, ich...wir können das nicht ohne dich...bitte komm schnell!" Die Frauen Stimme kommt mir irgendwoher bekannt vor, doch ich habe keine Zeit nachzufragen, da ist die Leitung bereits Tod. Was...? Ich will sie zurückrufen und fragen wer sie ist und wo ich sein sollte - ich habe was wichtiges vergessen oder? Fuck...

Meine Füße berühren den Fußboden, doch als ich aufsehe, stehe ich vor einer Kirche. Einer Kirche? Wie bin ich denn hier her gekommen...? Vielleicht sollte es eine Rolle spielen, aber hier sieht alles so schön aus, ich will mich erstmal nur umschauen. Um mich herum stehen viele Autos, frisch gewaschen, mit Blumen Gestecken und Wimpeln.

Zielstrebig gehe ich auf das alte Gebäude zu, die vielen fein herausgeputzten Menschen bemerke ich erst jetzt. Sie tragen lange bunte Kleider, schicke Anzüge, manche erkenne ich sogar. Ich bin auf einer Hochzeit. Auf einer ganz besonderen glaube ich. Der Mond hebt sich vom dunklen Himmel ab, was machen wir hier nochmal? Ich sehe an mir herunter und bemerke, dass ich ein Hemd und eine schwarze Hose trage. Ich habe bestimmt in den Sachen geschlafen.

Die Glocken läuten und weiße Tauben fliegen auf, als ich auf die große Holztüre zugehe. Und so langsam werde ich nervös und meine Handflächen schwitzig. Doch auf einmal wird mir zugejubelt und auf die Schulter geklopft. Ich schaff das schon! Ja. Ich schaff das! Es fühlt sich unglaublich gut an. Ein angenehmer Schauer überläuft mich als ich die Kirche betrete.

Die Tür fällt hinter mir ins Schloss und schließt das fröhliche Geschnatterte aus. Mein Lächeln verblasst, als ich die düstere Stimmung bemerke. Was...was ist denn los? Das ist doch meine Hochzeit, warum tragen denn alle schwarz?

Je mehr ich mich umsehe, desto mehr Leute sitzen auf den dunklen langen Kirchenbänken. Die Blumen hier sind nicht länger bunt, sie sind weiß und schlicht. Je länger ich hinsehe, desto mehr, sehen die weißen Blütenblätter aus wie Zähne, die aufeinander mahlen und gefletscht werden. Ich reiße meinen Blick sofort wieder los, weil es mir Angst macht.

Vorne an der Kanzel, steht eine große Gestalt, sie wird immer kleiner je näher ich komme. Doch ich erkenne sie. Ja. Das ist Marie, sie hat ihre langen roten Haare zu einem Zopf gebunden und trägt ein schwarzes Kleid. Ihr Mascara ist verschmiert und sie sagt kein Wort. Erst jetzt bemerke ich den kleinen Jungen, der sich an ihrer Hand festhält. Er ist vielleicht fünf, aber auch er trägt schwarz und in seinen braunen Augen spiegeln sich tränen.

Er kommt mir so bekannt vor...bestimmt kenne ich ihn, auch wenn ich mich nicht erinnern kann ihn schonmal getroffen zu haben. Vielleicht heißt er ja Vincent, er sieht zumindest aus wie er...nein, sein Papa heißt Vincent. Bruno oder Benno, ja ich glaube er heißt Benno. Ich schenke ihm ein lächeln, doch die traurigen Kinderaugen sehen mich nur leer an.

Dann sehe ich an ihm vorbei und in mir verkrampft sich etwas. Da steht ein Sarg hinter den beiden, ein schwerer aus Eiche. Er ist noch nicht verschlossen worden, zum Abschied nehmen.

Tränen laufen mir übers Gesicht, als ich nähertrete und hinab blicke in ein Totes Gesicht. Es sieht nicht alt aus, es ist einfach nur eingefallen und blass. Markante Lippen, ein gepflegter Drei-Tage-Bart, lachfalten um die Augen...

Deine CollegejackeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt