Gabriels Sicht
Oh fuck. Überfordert bleibe ich dicht neben Mercedes stehen, so wie Pat es schon den ganzen Abend lang von mir erwartet. Ein paar Meter entfernt von uns steht Raphael dicht mit seinem orangenen Freund zusammen, der gerade aussieht, als wäre ihm ein Ei aus der Hose gefallen. Er glotzt wie ein Vollidiot rüber und hat sich gerade sein Bier auf die Schuhe gekippt. „Boah, ne", brummt Pat neben mir und Andy rückt näher an uns, als würde sie signalisieren wollen, dass sie auf unserer Seite ist. Dumm nur, dass sie nicht wirklich etwas von der Schlägerei weiß. Und dass sie und Pat sich gerade die letzten Tage wieder angenähert haben, aber jetzt ihre verdammte Vergangenheit vor uns steht. Jedenfalls ein paar davon, die Schlimmsten sind immerhin nicht da. Mit rasendem Puls suche ich die Umgebung ab, aber Raphael und Orange bleiben alleine – von Hellblau, Grün und Rot keine Spur. Erleichtert suche ich Pats Blick, der nur angepisst und wütend wirkt. Schon klar, er hat sich zu einem fucking Date mit Andy überreden lassen und ein verdammtes Doppeldate mit ihrer Mitbewohnerin daraus gemacht, weil er sich ein Alleinsein mit Andy noch nicht zutraut, und dann tauchen ausgerechnet die da auf. „Ich fasse es nicht", denkt Mercedes neben mir laut. Sie beißt sich auf die Lippen und blendet mich förmlich aus – nicht, dass es zwischen uns gefunkt hätte. Sie ist heiß und hat geile Brüste, aber irgendwie ist schon echt ein Bad Girl und nicht wirklich kreativ oder ein Freigeist oder so. Sie ist mehr die Mechanikerin mit der Werkstatt, irgendwie haben wir beide heute ziemlich schnell gemerkt, dass wir nicht funktionieren, was sehr gegen Andys und Pats Pläne ist. Schon klar, ich hätte es auch gefeiert – wir als Zwillinge, beste Freunde und Mitbewohner mit Andy und ihrer neuen Mitbewohnerin (wenn auch aus Mitleid). Ich bin sicher, wir würden auch eine gutes Sechsergespann mit Felix und Terra abgeben, die keinen Bock auf Menschen und Festivals haben und deswegen zusammen kochen wollten. Fuck, früher hätte Felix nie gekocht und Terra nicht in seine verdammte Wohnung eingeladen! Aber scheinbar verlieben sich hier alle wie bei einer Krankheit. Selbst Mercedes und dieser idiotische orangene Trottel, der sie anschaut. „Oh mein Gott, du bist doch der Kerl von Halloween! Die Mumie, die mir Bier in den Ausschnitt gekippt hat!", quatscht sie schonungslos diesen Idioten an. Natürlich kommen er und Raphael langsam zu uns rüber. Mercedes geht ebenfalls rüber – sie ist groß für eine Frau und wirkt im Gegensatz zu dem Lauch trotzdem klein. Fuck, sie wirken auch so Platon-Hälften-mäßig. Sofort tut mir Raphael irgendwie leid. Er bemerkt, dass ich ihn anstarre und seine Augen leuchten ein wenig auf. Er grinst mich schräg an und zuckt leichthin mit den Schultern, auch wenn deutlich ist, dass er gerade verwirrt ist. Schon wieder trifft einer seiner besten Freunde die Liebe seines Lebens in seiner Anwesenheit – auch wenn er meinte, dass er gerne dabei ist. So was ist scheiße, wenn man sieht, wie die Welt des anderen aus den Angeln gehoben wird und gefühlt der ganze Schwerpunkt jetzt anders ist. Klar, da ist auch Freude für sie. Und Verzweiflung. Zu sehen, wie Pats und Felix' Welt auf einmal eine andere waren, das war scheiße. „Alter! Hat dieser Spast sie schon auf unserer Party angemacht?! Und wieso war sie überhaupt da?!", flucht Pat mit zusammengebissenen Zähnen. Hastig wende ich mich von Raphael und den anderen beiden ab, die ganz offensichtlich miteinander flirten – jedenfalls Orange mit ihr, sie wirkt noch skeptisch. „Das ist mir auch neu. Scheint wohl Schicksal zu sein", Andy räuspert sich und bleibt bei uns stehen. Immerhin. „Schicksal! Das ist doch einfach nur eine dreckige Nummer von denen", Pat ballt seine Hände zu einer Faust und zerquetscht aggressiv den Becher in seiner Hand, bis er ihn Andy in die Hand drückt. „Der Kerl kann was erleben! Erst legen seine besten Freunde Andy und Terra flach und dann muss er dir das Date ausspannen! Was ist falsch mit denen?! Die sind doch voll hässlich und unattraktiv!", schreit Pat langsam laut herum. Er übertönt damit definitiv die Musik und das Gelächter anderer. Sofort drehen sich Mercedes und der Trottel in unsere Richtung; Raphael steht nur daneben und presst die Lippen aufeinander, als Pat auf ihn zustürmt. Erst dann, als ich sehe, wie Pat die Faust hebt, löse ich mich aus meiner Starre und reiße meinen Bruder zurück. „Ey, er kann doch nichts dafür", ich brauche einiges an Kraft, meinen Zwilling ruhig zu halten und ihn daran zu hindern, auf Raphael oder Marvin loszugehen. „Hey, was soll das?!", Mercedes stemmt wütend die Hände in die Seite und baut sich beschützend vor diesem Marvin auf. „Alles gut, erzähle ich dir nachher", versucht Andy ebenfalls die beschissene Lage zu deeskalieren. Sie legt Pat beschwichtigend die Hand auf die Schulter und wirft mir fragende Blicke zu. Was machen wir jetzt verdammt nochmal? „Ja, alles gut. Ihr wolltet doch gerade in das Zelt dahinten gehen", Raphaels Stimme klingt brüchiger als sonst. Süß, schießt es mir verdammt nochmal durch den Kopf. Und irgendwie verdammter Weise auch heiß, dass er alles tut, um seinem besten Freund zu helfen. Wie er ohne zu zögern mit einer fremden Frau wegschickt und alleine hier bei uns bleiben will. Vermutlich ist er nur für Orange hierhergekommen und jetzt steht er bei Andy, die ihn jahrelang angelogen und indirekt seine Freundschaft zu den anderen ruiniert und bei Pat, der ihn wieder zusammenschlagen will. Und bei mir, wo ich keine Ahnung habe, was das für Raphael bedeutet. „Stimmt, ich stelle euch später vor, okay? Ups, wie heißt du überhaupt?", der Idiot kichert wie ein kleines, glückliches Kind (nehme ich jedenfalls an, sonst kenne ich keine verfickten Kinder)und Mercedes lacht und nennt ihren Namen. Sofort ist er aus dem Häuschen; mich wundert es ja, dass er keinen Ständer kriegt. Auf seiner Stirn steht es trotzdem geschrieben und er sagt etwas, das ich ausblende. Die Zeit droht stehenzubleiben, bis die beiden endlich losgezogen sind. Auch ich bin irgendwie erleichtert, dass ein Problem vom Tisch ist. Und dass ich nicht mehr mit Mercedes verkuppelt werde, so cool sie auch ist. Irgendwie wäre es scheiße, würde Raphael denken, dass da etwas liefe. Aber er schaut auch so schon verstört und vergräbt seine Hände in den Jackentaschen, als wir alleine zu viert hier zwischen all den fröhlichen Menschen stehen. In der ersten Sekunde schweigen wir alle. Andy und Pat stehen wie ein Team zusammen und sie weicht nicht von seiner Seite, was mir die Möglichkeit gibt, Raphael irgendwie Beileid und Anerkennung zu signalisieren. Es ist so verdammt scheiße, dass er jetzt auch das wieder miterleben und ausbaden muss. Und andererseits ist es gut zu wissen, dass er bis eben glücklich ausgesehen hat und sich jetzt mit wieder einem Freund mehr verträgt. „Sorry, dass Pat dich eben angegriffen hat. Das hat er nicht so gemeint", ergreift Andy das Wort und sieht Pat scharf an. Mein Zwilling knurrt und mustert Raphael abschätzig. „Doch." „Das ist äh sehr nachvollziehbar", lenkt Raphael auch noch ein. Fuck, dafür würde ich ihn – nein, halt. Panisch verdränge ich meine Fantasie. Was ist bloß los mit mir? Das darf verdammt nochmal nicht sein! Dass ich ihn als Gelb und Braun mochte, mag das eine Beschissene in meinem Leben sein. Aber das hier, das ist Pat und Felix gegenüber unverzeihlich. Jetzt stehen zwischen uns dreien und den fünf nicht nur Andy und Terra, sondern Mercedes kommt auch noch oben drauf, auch wenn ich das mit ihr am wenigsten schlimm finde. Meine Fresse, ich wollte ja nichts von ihr und es war nicht meine Idee, sie zu daten. Aber ich verstehe auch Pats Wut. Es ist echt krass, dass die fünf uns immer wieder mit Frauen dazwischenkommen. „Was laberst du? Was weißt du schon von nachvollziehbar? Du bist doch eine Schwuchtel. Zumindest liebst du meinen Bruder, was echt ekelhaft ist", Pat spuckt die Worte förmlich vor Raphaels Füße und ich kann nichts tun, als gequält die Augen zu schließen. Pat liegt falsch. Früher hätte ich ihm zugestimmt, aber nicht bei Raphael. Er ist deswegen nicht anders, er ist – und wieso zum Fick sagt er, er würde mich lieben?! So ist das nicht. So kann es nicht sein. Ich habe ihn scheiße behandelt, geschlagen und blockiert. Und was war dann das in der Galerie? Oder als wir uns treffen wollten? Fuck. „Bist du bescheuert?! Ich dachte, du hättest endlich deine verdammte toxische Männlichkeit abgelegt! Frauen sind nicht weniger wert als Männer und auch queere Menschen nicht!", herrscht Andy ihn an und verpasst Pat einen wütenden Schlag. „Er holt sich auf Gab einen runter!", schreit Pat zurück. „Das weißt du doch nicht einmal! Und dann wäre es so! Na und? Gab hat mit ihm geschrieben!", brüllt Andy zurück. Wie schön, dass Pat ihr das auch alles erzählt hat – meine Version versteht sich. „Ja, weil er ihn in sich verliebt gemacht hat, um uns zu rächen!", verteidigt Pat mich und sieht mich an. Sag etwas. „Ist doch jetzt scheißegal, der Kleine wird jetzt eh nicht mehr auf mich stehen", höre ich mich sagen. War das gut? Pat wirkt zufrieden mit der Lösung, Raphael sieht mich nur an. Ist okay, sagen seine warmen braunen Augen. Es tut mir fucking leid, dass ich so zu ihm bin. Es ist deutlicher denn je, dass er das nicht verdient hat, aber ich habe keine Ahnung, was dann. Außerdem ist es die Wahrheit. Sie muss es sein, weil alles andere mir eine verdammte Angst machen würde. „Raph, es tut mir so leid. Wie daneben die Zwillinge sich benehmen und was ich dir und euch angetan habe. Wie ... wie geht es dir? Eden? Wie – kann ich –", Andy lässt Pat links liegen und sieht zerknirscht zu Raphael. Die Leute schauen belustigt herüber und am liebsten würde ich ihnen eine reinschlagen, dass sie weder Pat noch Raphael so anschauen sollen. „Gut. Irgendwie. Keine Ahnung, sie – ich", ist er auf einmal nervös. Verwirrt runzele ich die Stirn. Eigentlich ist er lässiger. Er lässt sich von nichts verunsichern und hat keinerlei Angst vor mir. Aber vielleicht vor Pat. „Guckt, er ist noch in dich verknallt", höhnt Pat neben mir und legt mir den Arm um die Schultern. Er grinst schmutzig und ich erwidere das Grinsen ganz automatisch. „Quatsch." „Das spielt keine Rolle", mischt Andy sich nach wie vor ein und schüttelt den Kopf über Pat. Ich glaube, das ist einer der Momente, in denen sie es nicht akzeptieren kann, dass sie wirklich auf ihn steht und ihn zurückhaben will. „Scheinbar schon. Okay, von mir aus, ich stehe immer noch auf deinen Bruder. Na und?", höre ich auf einmal Raphael antworten. Tief, selbstbewusst und ruhig. Mein Herz bleibt stehen. Vor Angst. Vor Stolz. Vor Panik, was das ist und warum zur Hölle mein Herz überhaupt stehen bleibt. „Was?!", blafft Pat ihn an. Ich bin unfähig etwas zu sagen. Was? Was will ich überhaupt sagen? „Wenn du das hören willst, okay. Dein Bruder hat gute Arbeit geleistet und ich habe mich in ihn verliebt. Und ich kann ihn nicht vergessen. Er hat dich und Sch- Felix wunderbar gerächt. Weit mehr als das wegen Andy und Terra, die nicht wussten, dass es euch gibt, als sie damals und letztes Jahr etwas mit Maze und Jannis hatten. Und ja, mir ist klar, dass diese Frau, Mercedes?, das Date von Gabr- von Gab war. Das tut scheiße weh und vermutlich mehr als die Tatsache, dass Marvin sie ihm ausgespannt hat oder was auch immer. Von mir aus habt ihr gewonnen oder was auch immer das ist. Ihr habt die Frauen und den Erfolg – und die zerbrochene Freundschaft und das gebrochene Herz sind auf meiner und auf unserer Seite. Bist du jetzt zufrieden, Pat?", schnappt Raphael nach Luft, als er fertig ist und schaut meinem Zwilling fest in die Augen. Fuck, mein Herz macht gerade fucking Saltos und ich würde Raphael am liebsten umarmen. Dass er das tut und Pat genau so erkannt hat, wie er ist und was ihn fertigmacht, das ist unfassbar. Dass er das alles sagt, um das zu beenden und um Pat zu beruhigen und – alles. Es ist fucking krass und es lässt mich schlucken und Raphael anstarren. Diesen absolut mutigen Mann, der gerade meinem Schwulen und seine Freunde hassenden Zwilling gesagt hat, dass er auf mich steht. Fuck, Mann. Fuck, dass er das gesagt hat und dass es noch immer die Wahrheit sein könnte. „Ja", Pat nickt perplex und sucht meinen Blick. Er sucht in meinen Augen Ekel und Stolz, dass wir es geschafft haben und ich strenge mich an, das zu fühlen und ihm zu zeigen. Es fühlt sich wie ein Verrat an, dass ich es nicht fühlen kann. Und gleichzeitig fühle ich mich scheiße, weil ich es fühlen will und damit Raphael verletze, der gerade so viel für mich und uns getan hat. Für seine Freunde, für jeden, nur nicht für sich. „Wenn du ihn jetzt schlägst, sind wir getrennte Leute, Patrick. Ich will es echt mit dir versuchen und ich fühle mich scheiße, für das, wie ich mit dir umgegangen bin, aber ich ertrage es nicht, wenn du andere auch scheiße behandelst", warnt Andy ihn. Mein Bruder spannt sich an und nickt dann. „Okay. Schon okay, ich mache ja nichts. Ich will nur nicht länger hierbleiben", brummt er dann. Auffordernd sieht er mich an und ich nicke, da schüttelt Andy den Kopf. „Komm, wir holen uns etwas zu trinken. Gab sollte vielleicht das alles mit Raph klären", flüstert sie halblaut. Vorsichtig sieht sie mich an, ob sie soweit gehen darf. Für heute ist es okay. Dankbar nicke ich ihr zu und lege meine Hand kurz auf die Schulter meines Bruders. Es ist okay, dass du gehst. Geh, ich muss das hier klären. „Pass auf dich auf und komm gleich nach, okay?", vergewissert er sich besorgt bei mir, ich nicke wieder nur. Sofort fühle ich mich wieder noch beschissener, dass Pat nicht die Wahrheit kennt – aber die kenne nicht mal ich, verdammt. Stattdessen bleibe ich nur wie angewurzelt stehen und warte wie bei einer fucking Todesstrafe, bis Andy Pat mich sich gezogen hat und die zwei in der Menge verschwinden. „Es tut mir leid, Raphael", ergreife ich zuerst das Wort. Er lächelt matt und betrachtet angestrengt das Bier in seinem Becher. Einvernehmlich verziehen wir uns von dem Schauplatz und wenden uns von den Bühnen ab, bis wir eine ruhige Ecke hinter einem Zelt finden. Schweigend lassen wir uns nebeneinander ins Gras fallen. Es ist komisch, dass es mit ihm beinahe genauso synchron wie mit Pat funktioniert. „Es tut mir einfach nur leid, ich kann mich nur wiederholen, was du ihm gerade alles gesagt hast –", deute ich an und kippe hastig das Bier in meinen Mund. Ob man uns ansieht, was wir bereits mit den Mündern gemacht haben? Ich habe das Gefühl, dass alle uns anstarren, obwohl kaum jemand hier ist. Dass alle sehen, wie dicht meine Lederjacken- und seine Jeansjacken-Schultern beieinander sind und wie vertraut er neben mir sitzt und auf die Tattoo-Punkte auf seinem Unterarm starrt, als sein Ärmel hochrutscht. „Es war nicht alles wahr. Das mit Mercedes und dir, oder wie sie heißt ...", deutet er an, ich spanne mich an. „Es war kein Date. Es war nur wegen Pat und Andy, weil sie mit ihr zusammenwohnt und ...", will ich erklären und halte inne. Wieso rechtfertige ich mich? „Das habe ich mir gedacht. Zwischen euch war kein Vibe und es hat mich nicht getroffen mit euch. Das war nur, damit dein Bruder zufrieden ist", Raphael schließt kurz die Augen und sieht mich dann wieder ruhig an. Irgendwie hat er eine erdende Wirkung auf mich. Am liebsten würde ich kotzen, so sehr krümmt sich mein Magen. Er verneint nicht, dass er sich in mich verliebt hätte. Es immer noch ist. Das macht mir Angst, dass es jetzt ausgesprochen ist und nicht nur im Chat steht. Indirekt. Aber das hier ist fucking direkt. „Sorry, ich hätte ihn nicht anlügen sollen, es war nur – es erschien mir das Beste, weil ich den Rest so sehe. Dieser ganze Krieg zwischen deinen Freunden und meinen ...", er schüttelt den Kopf und eine schwarze wellige Haarsträhne fällt ihm in die Stirn. Meine Finger zucken, als müsste ich sie ihm – nein. „Nein! Ich meine, nein, du warst super. Das war mutig und stark und ehrlich und loyal und aufopferungsvoll ... Das war krass. Du warst krass", murmele ich und verstumme. Raphael grinst nur breit. „Danke. Irgendwie, egal. Ich möchte einfach nur ... Frieden. Oder Waffenstillstand. Dass ich mich wieder mit meinen Freunden verstehe und das mit deinen nicht gefährden. Denn das mit Pat und Andy wirkte doch ganz gut, oder? Wie kam es, dass die beiden wieder so eng sind?", er schaut mich warm an und ich knacke mit dem Kiefer, während sich gleichzeitig ein ungläubiges Lachen auf meine trockenen Lippen schleicht. „Dein Ernst? Du hast dich gerade zwei Kerlen gestellt, die dich geschlagen haben und dein bester Freund hat gerade vor deinen Augen seine andere Hälfte getroffen und du fragst mich?" Raphael lacht und zuckt mit den Schultern: „Sieht so aus? Es kommt mir einfach surreal vor." „Geht mir auch so", ich schnaube und lasse meinen Blick über das Feld schweifen, soweit ich um das Zelt herum sehen kann. Vorne bei den Bühnen geht das meiste ab, ein paar Leute stehen bei den Zelten und Dixiklos, aber nirgends entdecke ich Pat und Andy oder Mercedes und den Lauch. „Shit, wir sollten zu den anderen", kommentiert er meinen Blick und rappelt sich auf. Als ich ihn nur verwirrt anschaue, hält er mir seine Hand hin. Zögernd betrachte ich sie. Es spricht alles dagegen, mich von ihm nach oben ziehen zu lassen, aber dennoch ergreife ich sie und reiße ihn erst fast mit um, bis er sich lachend gefangen hat und mich dann mit einer erstaunlichen Leichtigkeit auf die Füße zieht. Er schmunzelt ein wenig und stupst mich dann am Arm an. „Dunkelblau, Pat, wird sonst misstrauisch. Nicht, dass es etwas gäbe, warum er misstrauisch sein sollte", ein wenig ironisch klingt er schon. So, als wüsste er nicht, ob er sich langsam einfach an meine Version gewöhnen sollte oder noch an dem Chat von vor Monaten festhalten soll. Wo wir ein fucking Date, Treffen, wie auch immer, geplant haben. „Und was ist mit dir? Du bist alleine und es gibt so viel, worüber du reden musst", ich mustere ihn und er zuckt mit den Schultern. „Ich finde schon jemanden, ich bin kommunikativ", entgegnet er dann. „Und wenn du mitkommst? Es ist viel verlangt, das weiß ich. Fuck, es ist eine dumme Idee. Es wäre nur eine Folter für dich, etwas mit Andy zu machen. Und mit Pat, vor allem nach heute", ich würde mir am liebsten selber eine reinschlagen. Doch Raphael lächelt nur. „Ja. Also wahrscheinlich ist es dumm, zuzustimmen. Aber ich würde trotzdem mitkommen. Irgendwie", denkt er laut und läuft bereits los. „Sicher, dass du das willst? Wir können hier bleiben und reden", biete ich ihm an. Fuck. „Nein, das können wir nicht und das willst du nicht. Du musst zu deinem Bruder und zu Andy, die beiden brauchen dich", beharrt er darauf. Fuck, er ist echt zu gut. Und ich glaube, er spürt, was ich denke. „Dann schreibe ich dir", rutscht es mir raus. Aber irgendwie will ich es. Ich will es annähernd wiedergutmachen, was ich ihm alles angetan habe und ihm zuhören. „Da bin ich ja mal gespannt", er grinst mich frech an und kurz scheinen all seine Sorgen vergessen, dann legt sich wieder ein dunkler Schimmer über sein strahlendes Gesicht und er läuft los, um meinen Bruder zu suchen.
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Repressed Colours (Band 1)
RomanceBunt und düster. Warm und kalt. Frei und wild. Treu und loyal. Raphael und Gabriel. (Band 1) Unterschiedlicher könnten ihre Welten nicht sein und doch vermischen sie sich: online und im realen Leben. Das bunte Quintett der besten Freunde Raphael, Ma...