Gabriels Sicht
Etwas scheppert dermaßen laut, sodass ich aufwache. Knurrend ziehe ich mir das Kissen über den Kopf und riskiere einen Blick auf die Uhr: es ist fucking acht Uhr, nicht mal. Welcher Vollidiot macht so einen Lärm? Stöhnend wälze ich mich auf die andere Seite und versuche, nochmal zu schlafen – nicht mal vier Stunden Schlaf habe ich abbekommen, weil Raphael und ich wieder so lange gechattet haben. Doch es knallt wieder draußen und etwas geht zu Bruch. So eine Scheiße. Genervt rappele ich mich auf und stapfe zur Tür, um im Flur von Sonnenlicht geblendet zu werden, zu stolpern und in Scherben zu treten. „So eine verfickte Scheiße!", schreie ich los, als jemand lacht und versucht, es zu unterdrücken. Ich fahre herum und entdecke Andy mit einem Karton unter dem Arm, den sie krampfhaft versucht festzuhalten, während sie sich vor Lachen biegt. „Sorry, Gab, hast du Schmerzen?", prustet sie und ich beiße die Zähne zusammen. „Irgendetwas steckt in meinem Fuß, aber kein Problem", knurre ich und suche den Boden nach mehr Scherben ab, erst dann setze ich mich hin und betrachte meinen nackten Fuß, in dem eine Keramik-Scherbe steckt. Nicht tief, also ziehe ich das Ding wieder raus und betrachte das Blut, das raustropft. Andy stellt schnell ihren Karton ab und eilt zu mir, unter ihren Chucks knirscht es laut und sie kniet sich neben mich. „Sicher, dass alles passt? Pat hat versucht, dich zu wecken, aber du hast unfassbar tief geschlafen", sie schaut mit verzogenem Gesicht meinen Fuß an und holt dann ein Handtuch aus dem Bad, um es auf die Wunde zu drücken. „Ihr habt nicht mal Verbände", beschwert sie sich und zupft dann an meinem T-Shirt. „Können wir nicht das nehmen? Das ist hässlich", sie grinst mich dreist an und klopft mir auf den nackten Oberschenkel, ich schaue sie verächtlich an. Dein Ernst? „Deine Scherben sind auch hässlich", brumme ich und betrachte das, was am Boden liegt. Könnte eine Statue gewesen sein – der Typ für Vasen ist sie nämlich nicht. „He, das war eine richtig coole Figur! Aber ihr habt ja lauter Müll am Boden stehen, über den man stolpert. Ich räume euch übrigens nicht alles hinterher!", kündigt sie an und ich lache sie aus. „Doch." „Nein, Gab", sie streckt mir die Zunge raus, als Pat (im Gegensatz zu mir natürlich gänzlich angezogen) ein Regal hochträgt und gegen den Türrahmen poltert. „Fuck, ist das scheiße sperrig. Gab, kannst du mir gleich helfen?", stöhnt er und verpasst dem Regal einen Tritt, Andy schreit auf und verpasst Pat einen Tritt im Gegenzug. „Hm ja, Andy hat gerade meinen Fuß geschrottet, aber ich komme gleich", seufze ich und gähne herzhaft. Bock habe ich keinen, jetzt den ganzen Tag die Möbel der Frauen in unsere Wohnung und in Felix' zu schleppen. „Bitte! Boa, ich habe gerade Terras Zeug hochgetragen und musste den Scheiß wieder runterbringen. Weil ihr mal euer Zeug nicht beschriftet habt, sondern einfach alles in dem Umzugswagen geschmissen habt", beschwert Pat sich und Andy lacht. Ich grinse – das hat Pat auf jeden Fall verdient. „Grinse nicht so sadistisch und hilf mir!", Pat wirf mich mit dem Haustürschlüssel ab und ich stöhne genervt. Trotzdem rappele ich mich auf und humpele mit diesem Handtuch am Fuß in mein Zimmer. Weil ich nichts Besseres finde, stopfe ich eine Socke als Pflaster unter meinen Fuß, bevor ich angezogen in die Sneaker schlüpfe und noch eine Joggingjacke über mein braunes T-Shirt werfe, bevor ich wieder nach draußen stolpere. Beim Verlassen meines Zimmers fällt mein Blick auf meinen Nachttisch, auf dem ein angefangenes Bild und mein Handy liegen – soll ich ihm schreiben? Nein, bloß nicht. Seit unserem Treffen schreiben wir sowieso ständig und haben sogar einmal telefoniert, als Pat duschen war, was schon extrem dumm war. Seitdem halte ich mich zurück und tue so, als wäre nichts gewesen. Nichts, das ich Pat eigentlich erzählen müsste. Nichts, das mich genauso scheiße macht wie Andy, die ihn damals wegen Maze angelogen hat. Fuck, ich bin echt ein Scheiß-Bruder. Und dann verschlafe ich noch den Einzug seiner Freundin, super.
Zähneknirschend mache ich mich auf den Weg nach unten und ziehe ein paar Mal scharf die Luft ein, als mein Fuß brennt. Fuck, das hat Pat nicht verdient, dass ich jetzt nicht mitmache. Also blende ich den Schmerz und meine Sehnsucht nach meinem Handy aus und eile die Treppen nach unten zu dem kleinen Umzugswagen, in dem lauter Kartons und wenige Möbel stehen. Pat hievt gerade den Kleiderschrank aus dem Wagen und flucht, als ihm das Teil auf den Fuß fällt – Gewichte sind ja kein Problem für uns, aber so etwas Sperriges wie Möbel. Wer braucht so etwas? „Kannst du bitte auch so doof beim Ausladen aussehen?", Andy stellt sich lachend neben mich und nippt an ihrem schwarzen Kaffeebecher, auf dem irgendetwas steht. „Wieso ziehst du nochmal bei uns ein?", brumme ich und sie schmunzelt: „Oh, sorry, herzallerliebster Gab." „Ha ha", ich knuffe sie in die Hüfte, sodass sie die Augen zusammenkneift, weil ich weiß, dass sie da kitzelig ist und humpele dann zu dem Wagen, um meinem Zwilling mit dem Schrank zu helfen. „Na endlich, du Penner", begrüßt er mich und drückt mir voller Wucht den Schrank in die Arme, ich knirsche mit den Zähnen und schleppe ihn dann mit ihm hoch. Andy lacht uns aus und macht ein paar Fotos, vermutlich für Mercedes, während sie selbst dann auch wieder anfängt, Zeug auszupacken.
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Repressed Colours (Band 1)
RomansaBunt und düster. Warm und kalt. Frei und wild. Treu und loyal. Raphael und Gabriel. (Band 1) Unterschiedlicher könnten ihre Welten nicht sein und doch vermischen sie sich: online und im realen Leben. Das bunte Quintett der besten Freunde Raphael, Ma...