Kapitel siebenundvierzig

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Raphaels Sicht 

„Na toll, wieso habe ich kein Netz?", brummt Mercedes und rückt wild in der Gondel hin und her, wir beginnen alle zu schwanken und Eden fällt gegen mich, während Marvin nur lacht und den Arm um seine Freundin legt, die ihr Handy an die Decke hält und ratlos schaut. Sie scheint nicht wirklich Lust auf den Urlaub zu haben, jedenfalls nicht in den Bergen. Als wir gerade noch zu acht im Dorfladen waren und danach die Schlüssel abgeholt haben, haben Marvin und sie nur rumgemacht und weichen einander jetzt auch nicht von der Seite. „Babe, wir sind auf einem Berg", lacht Marvin und grinst uns glücklich an, während er dann über unsere Köpfe hinweg den anderen vier winkt, die in der Gondel vor uns mit den Einkäufen sitzen – sie sind einfach die leichtere Gruppe. „Das weiß ich, Babe. Aber das muss doch klappen, ich will nämlich wissen, was Andy und Terra schreiben", seufzt Mercedes und pustet sich ihre bunten Strähnen aus dem Gesicht, Eden neben mir zieht die Augenbrauen hoch und löst ihren Blick aus dem Fenster. Unter uns ist ein ewig langer Pfad, den wir ohne Gepäck sicher hoch gewandert wären, ringsherum nur Bäume und ein Bach. „Ihr seid seit fünf Stunden oder so getrennt", Eden schmunzelt – sie gibt sich echt Mühe – und spielt an ihren Haargummis herum, Mercedes lacht. „Ja, aber ich will wissen, was sie von den Jungs berichten. Vor allem wegen Gab", sie schaut mich direkt an und grinst pervers, ich schaue so erstaunt wie möglich und bin sicher, dass ich rot werde. „Ja, du weigerst dich seit fünf Stunden uns zu sagen, was mit Gab ist", pflichtet Marvin seiner Freundin bei und Eden lacht schadenfroh auf. „Wir sitzen keine fünf Stunden in der Gondel", entgegne ich, Eden schlägt mich und verdreht die Augen. „Ja! Gib's ihm! Frechheit! Wir versuchen doch nur, etwas herauszufinden! Komm schon, sag! Dann erfahre ich es noch vor Andy und Terra! Uhhh, vielleicht sogar noch vor Pat und Felix, da frage ich mich ja eh, ob die etwas ahnen", plappert Mercedes, Eden schnaubt und schüttelt den Kopf. „Im Ernst? Die beiden sind unfassbar dumm und blind. Ich denke nicht, dass sie checken, dass Gab auch auf Raph steht. Zumindest scheint ihr rumgemacht zu haben", mutmaßt Eden gelangweilt und Marvin nickt eifrig. „Oh ja. Sag! Habt ihr geknutscht oder euch einen runtergeholt? Oh mein Gott oder noch mehr?", bohrt Marvin nach und stützt sich auf meinen Beinen ab, um an mich ranzurutschen, mit den Wimpern zu klimpern und neugierig zu schauen. „Marv! Ed! Ihr seid unmöglich! Mich erst dafür verurteilen, dass ich auf ihn stehe und dann das", seufze ich, Mercedes lacht amüsiert und betrachtet mich nachdenklich. „Wir verurteilen dich immer noch", kommentiert Eden trocken, woraufhin Mercedes dreckig lacht und Marvin gluckst, ich strecke ihnen die Zunge raus. „Leute, Gab ist kein schlechter Typ. Auch die anderen beiden nicht. Wirklich nicht. Sie sind eigentlich ganz normale Typen, die viel Scheiße erlebt haben, das ist alles. Sie sind genau wie ihr", Mercedes lächelt mich an und steckt ihr Handy wieder ein, als hätte sie jetzt aufgegeben. „Raph, er hat dich bei unseren letzten Treffen zu sechst immer in Schutz genommen und mich echt oft gefragt, wie es mit Marvin und euch anderen läuft und so. Er hat auch ein paar Mal versucht, alleine mit mir zu reden, aber die anderen haben uns immer unterbrochen. Man merkt schon, dass da was ist und er versucht, irgendwie dazu zu stehen und damit kämpft, es den anderen zu sagen. Es allgemein zu sagen, wir tappen ja alle im Dunkeln", sie zuckt mit den Schultern und schaut bedauernd, ich nicke. „Ich weiß", seufze ich und beiße mir auf die Lippen, Marvin lacht. „Aber ihr habt rumgemacht! Gib es zu!", schreit er herum, ich lache. „Vielleicht, okay?" „Uhhh, ist er gut?", Mercedes grinst und ich schüttele den Kopf über sie. „Was? Man wird ja wohl fragen dürfen, wenn die Zwillinge sich immer so aufspielen. Aber, Raph, nochmal zu dem vorher mit Gab. Er versucht es echt, aber ... es ist nicht leicht, nicht mit Pat und Felix, die andauernd über euch alle fünf herziehen. Es vergeht kein Abend, an dem sie sich nicht über Maze und Jannis aufregen, das macht es schwer. Auch für mich manchmal", gesteht Mercedes und schaut bedrückt, ich nicke ihr dankbar zu und merke, wie sich mein Herz zusammenzieht. Verdammt, ich weiß, dass sie mit allem recht hat und ich bin auch dankbar, diese Beobachtung von jemandem zu hören, der mit Gabriel befreundet ist und nicht nur von mir, der sich das alles wünscht. „Oh je, wirklich? Haben sie wieder was über uns zwei gesagt?", tröstet Marvin sie gleich und drückt Mercedes, sie schüttelt ihn lachend ab und die beiden albern herum, bis wir oben ankommen. Eden und ich sterben vermutlich mehrere Herztode vor Panik, dass unsere Gondel sich gleich löst und wir Meter in die Tiefe stürzen, weil die beiden sich nicht benehmen. Kaum halten wir, schubst Eden mich raus und wirft unser Gepäck nach; das Paar verpasst beinahe den Ausstieg und wird fast von der darauffolgenden Gondel umgefahren, wir anderen lachen alle und machen uns dann von der Bergstation auf den Weg zu der Gruppe an Hütten, die hinter der Wiese steht.

Repressed Colours (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt