31 - Schlagende Türen

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Am Morgen war Almar mit seiner trunkenen Schar und einem Geleit von Rittern und Soldaten losgezogen, um seine Mutter an den Stadttoren zu empfangen. Er führte sie durch die Straßen Lirells, das ihr einst so schmählich den Rücken gekehrt hatte, und zeigte ihr den Weg, den die Parade am nächsten Tag nehmen würde. Endlich hatte sich der Prinz dazu überreden lassen, den Hohepriestern die Ehre zu erweisen, sie aufzusuchen. Zuvor aber sollte das Volk einen Vorgeschmack darauf erhaschen, welch eine Pracht von Herrscher er ihnen abgäbe.

Nach jenem vorfreudigen Umzug waren Mutter und Sohn in die Burg eingefallen. Sie lustwandelten durch die Gärten und königlichen Gemächer, die Jolana Helisses zuletzt vor über zwei Jahrzehnten gesehen hatte, und Almar ließ sich von ihr auf dem Throne feiern. Seit Tagen war er in Hochstimmung und hatte seine Berater in Ruhe ihren Aufgaben – und Plänen – nachgehen lassen. Doch als Godfrey am Nachmittag die heraneilenden Schritte hörte und die Türen seiner neuen Residenz aufgestoßen wurden, da wusste er, dass des Prinzen Siegeslaune Vergangenheit war. Endlich!

Sir Symgar war der Erste, der die Pforte zum Solar aufwarf, wo der Graf über Unterlagen gebrütet und mit Zahlen jongliert hatte, im Versuch, ein klareres Verständnis für Wohlstand und Armut des Reiches zu gewinnen. Krachend fiel der Türflügel hinter dem Ritter in den Rahmen und ließ ihn zusammenzucken.

»Verzeiht«, presste Sir Symgar hervor, als er sich wieder gen Godfrey wandte und verneigte. »Mein Herr, Prinz Almar hat die Parade für morgen abgesagt. Er–«,

Erneut schwang die Tür auf und brachte eine Böe kühler Luft herein. Einige Papiere flatterten unter Briefbeschwerern; eine Karte segelte von einem Tisch; die Kerzen flackerten. Diesmal war es Barus Vogel, völlig außer Atem. Die Röte war ihm bis auf die Glatze gestiegen, und – zusammenfahrend, als die Tür erneut schwer ins Schloss krachte – wischte er sich mit einem Spitzentuch den Schweiß von der Stirn. Die Ringe an seinen Fingern blitzten.

»Prinz Almar hat die Parade abgesagt!«, japste er. »Es kam ein Kind vom Tempel. Sie wissen es! Er ist so wütend!«

Godfrey trat dem Herzog entgegen, bot ihm Wein und einen Stuhl, doch kam nicht dazu, sich die Neuigkeit berichten zu lassen. Nochmals schoss die Tür auf, knapp an Barus Vogel vorbei, der beiseite sprang, wobei sich seine Roben aufplusterten wie das Federkleid des gleichnamigen Tieres. Die schwächlichen Flammen einiger Kerzen wurden ausgeschlagen; ein Stapel Papiere stieb in die Lüfte und verstreute sich auf dem Boden. Nun war es Almar höchst persönlich, der hereinstürzte, dicht gefolgt von seiner Mutter. Seit ihrer Ankunft am Hofe nach Tagmitte, bei der Godfrey ihr hatte die Aufwartung machen müssen, aber kaum beachtet worden war, hatte sie gebadet, sich frisiert und neue Kleider angelegt.

Der Graf schloss die Augen, als die Tür zum dritten Mal heftig zufiel und der Knall im Solar nachechote. Dann war Almar vor ihm. Er trug feinste Roben, die er aus den Schränken und Truhen seiner toten Vettern geplündert hatte, damit sein Schneider sie ihm anpasste. Letztlich war es Leichenfledderei.

Hemd und Hose waren gefertigt aus dunkelrotem Samt, der über und über mit Ziersäumen und Einsätzen aus schwarzem Brokat versehen war. Darüber schmückte eine schwere Goldkette des Prinzen Hals. Der Anhänger formte das Symbol der Götter, zwei einander zugewandte Sicheln, die sich an den Spitzen berührten: Die eine golden und mit fünf sich nach außen ringelnden Strahlen, die andere silbern und mit reinweißen Perlen besetzt. Für gewöhnlich genügte die Form. Dieses Schmuckstück indes war weniger ein Zeichen des Glaubens als des Reichtums.

Almars dunkles Haar war von den Schläfen an mit Bändern umflochten und sammelte sich im Nacken zu einem kurzen, dünnen Knoten. Aufgrund der Hast waren einzelne Härchen entschlüpft. In des Prinzen braunen Augen flackerte kalter Zorn.

Die Herrin der Scherben (Die Macht des Dritten - Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt