3. Kapitel

152 15 2
                                    

     Das Essen schmeckte köstlich und sorgte dafür, dass die Wut des heutigen Tages etwas gemildert wurde. Wer konnte bei gutem Essen schon wütend sein? Vaughn und die Crew saßen mit mir an einem Tisch. Im Hintergrund lief zu meiner Überraschung kroatische Musik. Die meisten unterhielten sich lebhaft, während Vaughn immer mal wieder zu mir sah.
     Es gab Muscheln mit Nudeln und verdammt, er wusste, dass ich Miesmuscheln liebte. Ich liebte sie. Es gab nichts Besseres.
     Jedenfalls für mich. Die anderen bemerkten natürlich seine Blicke und musterten uns beide immer wieder. Neugier lag in ihren Blicken. Sicher kannten sie mich. Sie hatten mich schon öfter gesehen, doch sie wussten sehr wahrscheinlich nichts von der Vergangenheit, die mich und Vaughn wie ein schwarzer, dunkler Schleier umgab und der zwischen uns hing.
     Dieser schwarze Schleier verdeckte jede Zukunft, die wir hätten haben können, denn ich würde es nie vergessen. Würde nie vergessen, was passiert war. Wie Lila geweint und geweint und geweint hatte und mein Trost für uns beide nicht ausgereicht hatte, um den brennenden Schmerzen zu entkommen.

     Vaughn wusste ganz genau, was er angestellt hatte. Er wusste es. Und er wusste auch, dass ich das nie vergessen würde. Egal was er mir heute sagte, es würde nichts daran ändern, dass mein Herz ihm nicht mehr vertrauen konnte. Nicht mehr so wie damals.
     Wir könnten miteinander reden und vielleicht so etwas wie kleine Freunde werden, doch mehr nicht. Freunde, die sich ab und an mal schrieben und sich anriefen. Aber mehr nicht. Mehr brauchte es nicht. Jedenfalls nicht von meiner Seite aus.
      Vielleicht war diese Einstellung voreingenommen, doch ich wusste, dass ich damit nicht leben konnte. Wusste, dass mein Herz keine zweite Enttäuschung dieser Art überleben würde. Egal, wie sehr er sich auch bemühen würde.
      Ich wusste einfach, dass mein Herz das nicht mehr konnte. All die Zeit lang hatte ich sogar Damir auf Abstand gehalten und all meine anderen Freunde, bis ich sie wieder enger in mein Leben gelassen hatte.
     Mittlerweile vertraute ich ihnen blind, aber nur, weil sie mein Vertrauen nicht missbrauchten und ihr Wort hielten. Wenn Damir sein Wort gab, bedeutete es etwas. Vaughn hatte sein Wort gegeben und er hatte es gebrochen. Sein Wort war also nichts wert. Jedenfalls nicht für mich.

     Nicht mehr. Er hatte sein Wort gebrochen. Das Schlimmste daran war nicht, dass er es gegenüber mir gebrochen hatte. Das Schlimmste war, dass er es gegenüber von Lila gebrochen hatte und ihr Herz, da eh schon angeknackst war, noch mehr zum Brechen gebracht hatte.
     Das würde ich nie vergessen und ich wusste nicht, ob ich es verzeihen konnte. Doch noch hatte ich ihn nicht angehört.
     Meine Gedanken sorgten dafür, dass das Essen anfing bitter zu schmecken, weswegen ich meinen Blick auf das Meer hinauswarf, dass nun im Licht der untergehenden Sonne golden schimmerte.
     Die Sonnenstrahlen küssten das Meer und langsam senkte sich die Sonne Richtung Wasseroberfläche. Bald würde sie untergehen. Der Himmel leuchtete orange und rot. Wie ein Feuermeer.
     Wunderschön. Bis ich nach rechts sah und eine dunkle Wolkenwand erkannte, die immer näher kam. Wie ich feststellte, hatte der Wind gedreht. Kein gutes Zeichen. Der Wind kam vom Velebit-Gebirge. Ein Gebirge, was große Stürme mit sich bringen konnte, wenn es wollte.
     Stacy folgte meinem Blick. So schien es jedenfalls, denn als sie erkannte, was ich sah, schnappte sie nach Luft. So war das Essen für viele schneller beendet. Sie alle sahen auf den Wetterdienst der hohen See. In der Hoffnung, Antworten zu finden.
     Antworten darauf, ob wir in der Nacht fahren konnten, oder nicht. Die Antwort kannte ich schon jetzt. Wir würden in der Bucht bleiben. Da war ich mir sicher. Der Wind frischte immer mehr auf und die Schaumkronen auf dem Meer wurden immer höher. Der Wind peitschte gegen die Yacht und die kroatische Flagge wehte stark im Wind.
     »Wir fahren nicht. Das ist zu gefährlich«, hörte ich Vaughn sagen. Er deutete auf den Bildschirm vor sich, auf den ich lauter rote Stellen erkennen konnte und ein Warnzeichen war zu sehen.

     »Der Kern des Gewitters wird in Pula runterkommen, doch wir bekommen genug davon ab. Das Gewitter wird nach Pula ziehen, so wie es aussieht. Trotzdem wird uns viel treffen. Windgeschwindigkeiten von Stufe fünf. Wir bleiben in der Bucht. Hier sind wir zumindest etwas geschützt durch den Hang dort.«
     Mein Herz schlug wie wild und ich fragte mich, ob es mein Boot in Cres hart treffen würde. Damir hatte gesagt, dass er immer auf mein Boot mitachten würde, doch ich wusste nicht, ob er beide Boote stemmen konnte. Das war viel Arbeit. Innerlich aber vertraute ich ihm. Vertraute darauf, dass er wusste was zu tun war.
     »Gut. Dann lasst uns alles festmachen«, sagte Stacy und schon liefen sie an Deck. Ich sprang ebenfalls auf. »Du musst nicht helfen.« Vaughn. Ich wollte eine Braue heben, doch ich konnte es nicht. Hatte es noch nie gekonnt. Also verschränkte ich die Arme vor der Brust. »Ich muss nicht. Aber ich will. Ich kann nicht sitzen, wenn ich weiß, dass ein Sturm kommt.« Vaughn musterte mich einen Augenblick. Diese eisblauen Augen glitten über mich hinweg. Wollten in mich hineinsehen wie früher, doch meine Mauern waren zu hoch und zu dicht. Er konnte nichts mehr sehen.
     »In Ordnung. Wenn du das willst. Frag Stacy, was du machen sollst.«
     Und schon war ich verschwunden. Ich hastete Stacy hinterher und sie sagte mir, dass ich die Matten der Liegen aufräumen und dann die dichten Leinen checken konnte. Die Matten unter Deck zu bringen dauerte nicht lange und dann prüfte ich die Leinen. Sie alle waren fest. Bis auf ein Fender.
     Er hing bereits fast lose dort und baumelte eher so im Wind. Schnell zurrte ich ihn wieder fest, aber so, dass man ihn im Notfall schnell lösen konnte. Gut. In diesem Moment hörte ich ein Reisen und dann ein lautes Flattern. Ein Sonnensegel, dass sie am Vorderdeck gespannt hatten, hatte sich durch den starken Wind gelöst.
     Eilig band ich es um den Pfosten und band es mit einem Seil fest. Das Segel war egal. Nur es sollte nicht mehr Schaden anrichten.
     Der Wind war nun so stark, dass es selbst in der Bucht anfing, unruhig zu werden. Die Wellen schlugen gegen den Strand und die Schiffe schaukelten hin und her. Ein Verrückter auf seinem Schlauchboot fuhr mit voller Kraft aus der Bucht heraus.

Das Rätsel des VertrauensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt