Gedankenverloren starrte ich aufs Meer hinaus, dass so dunkel wie der funkelnde Nachthimmel über mir wirkte und nur vom Mondschein erhellt wurde. Rocco stand weiter vorne an der Reling, hatte aber klar gemacht, dass er niemanden sehen wollte. Hatte klargemacht, dass er allein sein wollte.
Dejan hatte nicht auf meine Nachrichten geantwortet und auch Rocco reagierte kaum auf uns andere. Er war in seiner eigenen Welt versunken.
Trotz allem genoss ich die Fahrt. Ich genoss den Fahrtwind in meinen Haaren, den Geruch des Meeres in der Nase. Ein Gefühl, das ich vermisst hatte. Ich hatte dieses Gefühl vermisst. Hatte es vermisst über das Meer zu fahren. Schon allein deswegen hatte es sich gelohnt, mit nach Trogir zu fahren.
Und ich freute mich, die Sache mit Vaughn genauer erkunden zu können. Doch ich wusste, dass auch diese Zeit in Trogir schnell vergehen würde. Etwas sagte mir, dass der Sommer vor meinen Augen verstreichen würde und dass ich schneller als mir lieb war vor einer Entscheidung stand, die den Rest meines Lebens beeinflussen würde.Denn ich fühlte mich zu Vaughn hingezogen. Sehr. Und ein Teil in mir flüsterte, dass ich ihm bereits vertraute und ihn liebte. Ein anderer Teil aber flüsterte, dass ich ihn noch nicht ganz liebte. Dass mein Vertrauen noch nicht so zurück war, wie es nötig sei.
Ich wusste nicht, welcher Stimme ich glauben sollte. Wusste nicht, welche Stimme recht hatte. Ich wusste nur, dass ich mir einen Tag ohne Vaughn momentan nicht vorstellen konnte. In Vaughns Nähe fühlte sich alles leichter an. Schöner. Gelassener.
Bei ihm musste ich mich nicht fragen, ob das, was ich trug, zu viel Haut zeigte oder ob es zu freizügig war. Das alles musste ich mich nicht fragen. Stattdessen wusste ich, dass er mich loben würde. Er würde sagen, dass ich schön aussah.
Ich sah es jedes Mal in seinem Blick. Jetzt lag es nur noch an mir, es auch ohne ihn zu glauben und mich nicht mehr von den anderen so behandeln zu lassen. Denn es waren fremde Menschen. Fremde Menschen, deren Meinung mir egal sein sollte.Es sollte mir egal sein. Seufzend wandte ich meinen Blick vom Meer ab und sah noch einmal zu Rocco. Er wirkte so traurig und niedergeschlagen, doch sein Blick verriet, dass man ihn in Ruhe lassen sollte.
Also tat ich genau das. Denn was hätte ich sonst tun sollen? Ich wollte garantiert nicht mit ihm streiten und schon gar nicht, dass er wütend auf mich wurde. Also lief ich wieder unter Deck, da ich spürte, wie meine Augen langsam zu brennen begannen und meine Augenlider sich nicht mehr so leicht öffneten, wie vor zehn Minuten noch.
Stacy war bereits im Bett, doch Mark war noch wach, da er Vaughn etwas später ablösen würde. Kopfhörer waren in seinen Ohren und sein Blick war auf seinen Handybildschirm gerichtet. Um ihn nicht zu stören, ging ich kurz leise nach oben zum Führerstand. Dort sah ich Vaughn, der beide Hände am Steuer hatte und durch die Nacht tuckerte.
Der Anblick der sich mir bot, war atemberaubend. Vaughn, wie er mit dem Rücken zu mir am Steuer stand und der Mond seinen Körper in silbriges Licht tauchte. Weitere Knöpfe leuchteten in der Dunkelheit der Kabine und wirkten wir bunte Sterne.
Der Drang davon ein Bild zu machen wurde stark, doch ich tat es nicht. Stattdessen sog ich das Bild einen Moment lang einfach in mich auf. Studierte jedes kleine Detail. Vaughns muskulösen Rücken, der sich bei jeder Bewegung angespannte, seine Arme, die nach vorne gerichtet waren und seine wunderschönen Hände, die das Steuer umschlungen hielten.Nur zu gut wusste ich, wie sich diese Hände auf meinem Körper anfühlten. Eilig versuchte ich die aufkommenden Bilder zu unterdrücken. Daran konnte ich schließlich nicht denken. Konnte es nicht. Nicht jetzt.
Doch ich tat es. »Wie lange möchtest du mich noch anstarren?«, hörte ich Vaughn fragen. Ein kleines Lachen huschte über meine Lippen und kurz drehte er sich zu mir um. »So lange wie ich will. Ist das ein Problem?«
Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. »Ja. Es lenkt mich ab. Ich will dann Dinge tun, die ich gerade sicher nicht tun sollte.«
Hitze schoss in meine Wangen, doch ich lächelte weiter. Lächelte, weil er Vaughn war. Lächelte, weil er wieder ehrlich war und sich nicht scheute die Wahrheit zu sagen. Und ich lächelte, weil es ihm damit ähnlich wie mir ging.
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Das Rätsel des Vertrauens
RomanceAbgeschlossen Sita kann Vaughn nicht ausstehen. Was daran liegt, dass ein Vorfall, der in der Vergangenheit liegt, die Zukunft der beiden überschattet. Bis jetzt hat sie es ganz gut geschafft ihm aus dem Weg zu gehen, doch eine verpasste Fähre nach...