27. Kapitel

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    Meine Gedanken beruhigten sich, je länger wir auf die Wohnung zuliefen. Die Lust hatte sich aufgelöst. Stattdessen waren meine Sinne zurückgekehrt. Genau wie bei Vaughn. Die anderen hatten dennoch bemerkt, dass etwas nicht stimmte.
     Dass wir beide lange Zeit in unserer eigenen Welt gefangen waren. Doch gerade kümmerte mich das wenig. Sie alle hatten nichts gesagt.
    Das war das Wichtigste gewesen. Und alles andere zählte nichts. Meine Gedanken hatten sich beruhigt. Alles andere zählte gerade nicht. War nicht wichtig. Alles, was zählte, war die Tatsache, dass es mir gut ging. Dass es Vaughn gut ging.
     In der Wohnung angekommen herrschte seltsame Spannung zwischen Rocco und Dejan. Beide sagten kein Wort zueinander, doch sahen sich immer wieder an. Stacy und die anderen bemerkten dies natürlich auch und wirkten nicht gerade begeistert davon. Auch ich verstand nicht ganz, was ich davon halten sollte.
     Zu meiner Überraschung aber spürte man ein paar Minuten später keine Anspannung mehr. Sie sagten nichts. Sie prügelten sich nicht.
     Auf der anderen Seite aber lächelten sie auch nicht. Sie gingen sich einfach aus dem Weg. Beides schien mehr als merkwürdig zu sein.

     Trotzdem hatten wir Spaß. Dec hatte für uns alle gekocht und es schmeckte herrlich. Selbst Rocco schien davon überzeugt zu sein.
    Denn seine Lippen waren zu einem Lächeln verzogen und seine Augen glänzten. Ich wusste nicht genau, was er dort sah. Es war mir auch nicht weiter wichtig.
     Das Wichtigste war nur, dass die beiden sich nicht jeden Moment an die Gurgel gingen. Das war wichtig.
    Alles andere war weniger wichtig. Trotzdem schienen alle sich zu freuen. Wir saßen alle noch mal zusammen, obwohl der Urlaub bald vorbei war. So viele Tage in Zadar blieben mir nun auch nicht mehr und auch Vaughn würde bald wieder fahren.
     Die Zeit hier war wie im Flug vergangen. Vielleicht war das auch Dec bewusst geworden. Die Tatsache, dass er nicht mit Rocco zusammen sein konnte, weil dieser schon bald weg sein würde.
    Ich fragte mich, was mir das sagen sollte. Fragte mich, was ich denken sollte.
    Trotzdem versuchte ich nicht weiter darüber nachzudenken. Es sollte mir egal sein. Es war sein Leben.

     Trotzdem sorgte ich mich um ihn. Sorgte mich darum, dass er sein Herz nie wieder öffnen würde. Denn ich wusste nicht, ob er das jemals tun würde. Ich wusste es nicht.
     Dejan schien sich verschlossen zu haben. Vor vielen Dingen. Besonders vor Leuten, die anscheinend nicht vorhatten hier zu leben.
    »Wenn ihr euch nur anstarrt, wird es nie besser«, meinte Stacy zu beiden. Beide sahen von sich selbst zu Stacy und waren nicht gerade erfreut. Stattdessen verzogen sie ihre Lippen zu einer schmalen Linie.
    »Wir sehen uns nicht an«, zischte Dec und Rocco sagte einfach nichts. Seufzend betrachtete ich die beiden und wusste nicht, was ich davon halten sollte. Beides war nicht gerade gut.
    Doch die beiden taten, was sie wollten. Helfen konnte ich ihnen dabei weniger. Niemand konnte das. Beide mussten das mit sich selbst austragen. Niemand konnte helfen.
    »Dann versucht wenigstens zu lächeln. Geht das?«, fragte Vaughn und klang dabei etwas säuerlich. Es war nicht unser letzter Abend hier, doch es war der Abend, den wir vielleicht bald schon nicht mehr so haben würden. Denn das würden wir nicht. Diese Art von Abenden würde es in naher Zukunft nicht mehr geben. Vermutlich nie wieder.

    Denn wer wusste schon, wie die Zukunft aussah? Niemand.
    Meine Gedanken rasten, während die beiden Jungs sich anstarrten. Da war so viel Wut in ihren Blicken. So viel verdammte Wut. Ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte mit den beiden. Wusste nicht, wie das werden soll. Ich wusste es nicht.
    »Das könnten wir. Wollen wir aber nicht. Verstehst du?«, sagte Dejan. Vaughn hob eine Braue.
    »Könntet ihr euch dann bitte zumindest entspannen«, sagte ich zu beiden. Dejan blinzelte. Schien nicht wirklich überzeugt. Dann aber lächelte er leicht. Wenn auch nur wenig. Er schien nicht ganz überzeugt. Aber wer konnte ihm das verübeln. Ich schon gar nicht. Stattdessen lächelte ich leicht. Und Dec schien leicht überfordet mit diesem Lächeln. Etwas war nicht in Ordnung. Er war angespannt. Ich konnte nur nicht sagen wieso. Wegen Rocco? An ihm allein? An seiner Nähe? Rocco schien ihm stark unter die Haut zu gehen und ich wusste nicht, ob das gut oder schlecht war. Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich einen ruhigen Abend wollte.
    »Tut uns leid«, hauchte Rocco und Dec schien sich zurückhalten zu müssen, nicht wütend zu werden. Was ich verstehen konnte.
    Irgendwie aber auch nicht. Rocco hatte nur versucht freundlich zu sein. Nett. Damit ich mich nicht wie der letzte Depp fühlte. Damit ich mich gut fühlte.

Das Rätsel des VertrauensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt