1. Kapitel

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     »Oh mein Gott! Ich bin so aufgeregt!«, drang die schrille Stimme eines Kindes an mein Ohr, die ihrer Mutter an ihrem Shirt zog und immer wieder auf das große Schiff deutete, dass gleich ablegen würde. Die Fähre, die nach Zadar fahren würde.
     Die Sonne brannte auf meiner Haut und Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn und auf meinem Rücken, während die Touristen zur Fähre drängelten. Manche mit ihren Autos, andere zu Fuß. Ein Tagesausflug. Und ich? Ich schwenkte mit Absicht nach rechts, auf die kleinere Yacht zu.
     Es gab da jemanden, der dafür bezahlen musste, was er bei der letzten Party auf seinem Schiff getan hatte. Noch immer ging der bittere Beigeschmack der Demütigung in mir. Noch immer konnte ich nicht glauben, dass er das getan hatte. Einfach so. Ohne weiter darüber nachzudenken. Er hatte mein Vertrauen missbraucht.
     Einfach so. Und jetzt dachte er, dass er sich einfach vor mir verstecken konnte. Den ganzen letzten Monat hatte er das getan. Er hatte sich versteckt. Hier in Mali. Nach der Party war seine Yacht nicht mehr im Hafen von Cres gewesen. Einfach so. Er war einfach verschwunden.
     Wenn du denkst, Vaughn, dass du mir einfach so entkommen kannst, dann hast du dich geschnitten. Das Lachen der anderen hallten noch immer in meinen Ohren wider, die Demütigung war noch immer tief in mir verankert. Tausendmal hatte ich ihm gesagt, dass ich von seinem Essen Durchfall bekommen würde. Schrecklichen Durchfall. Er hatte mir nicht geglaubt und irgendwie hatte er mir etwas von dem Zeug untergemischt.

     Einfach so. Die Überraschung in seinem Blick hatte ich ihm nicht abgekauft. Immer hatte ich ihm gesagt, was passieren konnte. Tja, Vaughn, wird Zeit, dass du dafür büßen musst. Selbstsicher lief ich auf seine Yacht zu. Verlassen tänzelte sie mit den leichten Wellen auf und ab und wartete nur darauf den Hafen bald wieder verlassen zu können.
     Von Damir wusste ich, dass Vaughn noch heute abfahren würde. Also musste ich mich beeilen, wenn ich noch mit der Fähre nach Zadar wollte, um Dejan zu besuchen. Hoch erhobenen Hauptes lief ich über den kleinen Ministeg, den Vaughn immer dabei hatte, auf das Boot, zog meine Highheels aus und lief über die Yacht. Kein Mitglied der Crew war zu sehen. Gut. Vaughn brauchte für diese noch kleinere Yacht bereits eine Crew. Er fuhr selbst, brauchte aber Leute, die ihm beim Anlegen halfen. Deswegen war ich froh, ein kleineres Boot zu haben, obwohl ich mit einem Schlauchboot liebäugelte.
     Schnell fand ich die Treppe nach unten zu den Kajüten. Ich wusste genau welche die seine war. Rache war nicht mein Stil. Auf Rache war ich auch nicht aus. Es gab nur etwas, dass ich ihm wiedergeben wollte und nicht mehr haben wollte. Im letzten Jahr hatten wir versucht Freude zu werden. Hatten versucht miteinander auszukommen, um beide zu vergessen was passiert war.
     Was er getan hatte. Denn wir beide wussten, was er getan hatte und er wusste, dass ich es gesehen hatte. Doch wir hatten beide versucht miteinander auszukommen und irgendwie hatte es geklappt. Er hatte mich tatsächlich vergessen lassen, warum ich so wütend auf ihn war. Besonders, als er mir das hier geschenkt hatte.
     Plötzlich wog die Muschel schwer in der eingenähten Tasche meines Kleides und schien den Stoff zu verätzen. Denn dort wo das Kleid meine Haut berührte, schien diese zu brennen. Er hatte sie für mich hochgetaucht, als ich sie bei einem Ausflug mit Damirs Boot entdeckt hatte. Ohne zu zögern war er nach unten getaucht und hatte sie mir geholt. Einfach so. Als Zeichen unserer Freundschaft.

     Dumpfer Schmerz machte sich in meiner Brust breit, den ich versucht hatte im letzten Monat zu unterdrücken. Vaughn war es nicht wert, dass ich Schmerzen empfand. Es war mit ihm doch gewesen wie mit jedem anderen auch. Auf dieser Welt konnte ich eben nicht allen vertrauen. Vaughn schon mal nicht. Damir und Dardan konnte ich vertrauen, so wie Mika und Phoenix, aber ihm nicht.
     Nein, ihm konnte ich einfach nicht vertrauen. Eilig lief ich die Treppen hinunter, als ich das Tuten der Fähre hörte. Über mir vernahm ich Schritte. Mist. Jemand war an Bord. Vielleicht doch ein Teil der Crew. So leise wie möglich tapste ich zu seiner Kajüte und öffnete die Türe. Ein riesiges Zimmer wartete mich. Nur wage hatte ich die Schemen dieses Zimmer aus der Nacht in Erinnerung, in der Hoffnung etwas Frisches zum Anziehen zu finden, während mein Magen gekrampft hatte und ich das Gefühl gehabt hatte jeden Moment auf den Boden scheißen zu müssen.
     Schnell schüttelte ich die Erinnerungen ab und lief zu seinem Bett. Der Schmerz in meiner Brust wurde größer und größer. Tränen wollten sich in meinen Augen bilden, doch das ließ ich nicht zu. Wollte es nicht zulassen. Vaughn Michaels würde mich nicht zum Weinen bringen. Nicht er.
     Mit zittrigen Fingern legte ich die Muschel auf das Bett zurück und holte einmal tief Luft. So. Wir waren keine Freunde mehr und würden es auch nie sein. Jetzt musste ich nur noch ungesehen von hier wieder runter kommen und dan- Meine Gedanken wurden von dem Geräusch des Motors unterbrochen, der ansprang. Ich hörte Befehle, die über das Deck gerufen wurden und dann hörte ich wie die Seile an Deck geworfen wurden. Nein. Nein. Nein!
     So schnell ich konnte lief ich nach oben. Hastete den Gang entlang, dann die Treppe nach oben an Deck. Zu spät. Das Land war schon weiter weg und jetzt zu springen wäre verrückt. Besonders, da ich wirklich nicht im Hafenbecken landen wollte. Oder? Wollte ich lieber hier mit Vaughn an Bord sein? Nein. Ausgeschlossen.
     Wie von selbst rannte ich zur zweiten Treppe, die nach oben zum Führerstand führen würde. Eilig lief ich hinauf. Vaughn erstarrte oben angesichts der Schritte, die er hörte. Er war ein guter Kapitän und konnte diese Yacht aus dem Hafen steuern, jetzt wo die anderen ihm geholfen hatten abzulegen. Er fuhr immer mit der gleichen Crew, die man aber meist nicht zu sehen bekam. Mit hochrotem Kopf und schwitzigem Gesicht kam ich oben an, doch das mir egal. Mir war es egal das schweißnasse Strähnen an meiner Stirn klebten und dass er mich gerade sah.

Das Rätsel des VertrauensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt