34. Kapitel

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     Der Rest der Fahrt verlief still für mich. Die meisten Leute verkrochen sich nach einer Weile wieder in ihre Autos, um allein zu sein. Der Fahrtwind sorgte für eine angenehme Abkühlung, da die Sonne heute mal wieder ihre ganze Kraft zeigte. Ihre ganze Kraft, die nur sie einem zeigen konnte. Ich wusste nicht so recht, was ich mit meiner Zeit anderes anstellen konnte als lesen. Ich war tief in mein Buch versunken, als wir etwas später bereits anlegten.
     Ich sah auf und erkannte mir den vertrauten Hafen von Mali und doch fühlte es sich anders als, als vor meiner Abreise. Wie von selbst glitt mein Blick zu dem Ort, an dem Vaughns Yacht gestanden hatte und ein drückendes Gefühl legte sich auf meine Brust. Es dauerte ein bisschen, bis ich erkannte, was es war.
     Sehnsucht. Ich sehnte mich nach diesem Tag, an dem alles begonnen hatte. Ich sehnte mich danach auf Vaughns Yacht zu sein. Denn das war alles, was ich wollte. Bei ihm zu sein. Doch dafür musste ich mich einen Monat gedulden. Was nicht gerade meine Stärke war und auch nie sein würde. Es würde nie meine Stärke sein. Nie.
     Trotzdem ging ich von Bord der Fähre, auch wenn es mir schwerfiel. Eher lustlos trottete ich zu meinem Auto. Mein Blick glitt dabei immer wieder zu Fähre, in der Hoffnung, dass ich vielleicht doch mit ihr fahren könnte.

     Nein, sagte ich mir. Nein. Das wäre reine Flucht und ich konnte es mir nicht leisten zu flüchten. Ich konnte es mir einfach nicht leisten.
     Ich musste mich meinen Problemen stellen. Erst dann könnte ich Vaughn wieder unter die Augen treten.
     »Du packst das, Sita. Du kannst das«, sagte ich leise vor mich hin, dann warf ich meine Tasche auf die Rücksitzbank und stieg ein.
     Die fahrt nach Cres kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor. Auf der Landstraße vor mir fuhr ein Auto gerade mal 50 und es war schwer, ihn zu überholen. Trotzdem versuchte ich Ruhe zu bewahren, was gar nicht so leicht war, wenn man bedachte, was in meinem Kopf vor sich ging. Denn das, was in meinem Kopf war, war alles andere als gut während einer Autofahrt.

     Immer wieder wanderten meine Gedanken zu Vaughn. Immer und immer wieder. Ich dachte daran, wie es mir ging. Wie es ihm ging. Und ob ich jemals wieder so sein würde, wie ich gewesen war.
     Heute hatte sich diese mutige Seite gezeigt. Wenn auch nur für einen kleinen Moment. Für einen kleinen Moment war ich die bekannte Sita gewesen. Die Frau, die sich nicht unterkriegen ließ. Die Frau, die mutig und selbstbewusst war. Ich hatte ihm diese Nachricht geschrieben und alles so gemeint.
     Zumindest war das ein Trost und ein kleiner Forstschrifft für das, was mich noch erwartete. Mein Plan war es, schon morgen zum Büro zu gehen und dort meine Sachen zu holen. Eines Tages musste ich mich dem stellen und morgen schien dafür ein guter Tag zu sein.
     Der Morgen war... lustlus, trüb und düster. Dicke Wolken hingen am Himmel und Regen fiel im Strömen vom Himmel, während ich an meinem Toast knabberte, in der Hoffnung, dass dieser meinen nervösen Magen auch mit etwas anderem als Kribbeln füllen würde. Leider ohne viel Erfolg.

     Mein Magen kribbelte noch immer und der Hunger blieb aus. Stattdessen sah ich in meinem Kopf Bilder, die sich später zutragen würde, von denen ich wusste, dass sie später passieren würden. Denn das würden sie. Sie würden passieren. Egal, wie sehr ich versuchte mir etwas anderes zu sagen.
     Denn ich wusste, wie die Leute auf der Arbeit zu mir waren und ich wusste, was sie mir sagen würden. Zwar versuchte ich mir einzureden, dass ich über diesen Dingen stand und dass sie mir nichts antun konnten, doch ich wusste auch, dass das nicht so laufen würde. Ich wusste, dass es nicht so einfach werden würde. Denn das würde es nicht. Es würde alles andere als einfach werden.
     Nach dem Essen machte ich mich ein letztes Mal frisch, ehe ich in meine Regenjacke schlüpfte und das Haus verließ. Die Arbeit war nicht weit weg und trotzdem hatte ich das Gefühl, eine Ewigkeit zu brauchen. Vor dem Gebäude angekommen kämpfte ich gegen den Drang der Flucht an, der in ihrer Nähe immer sehr präsent war. Sie mochten das für ein dummes Gefühl halten, doch ich hatte es immer, wenn ich dieses Gebäude sah.
     Es löste Erinnerungen in mir aus, die ich ganz sicher nicht haben wollte. Es löste Dinge in mir aus, die mich immer wieder in einen dunklen Strudel aus Gedanken zogen und das konnte und wollte ich nicht zulassen.

Das Rätsel des VertrauensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt