33. Kapitel

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     Vor ein paar Tagen noch hatte ich gedacht, sehr viel Zeit zu haben. Stellte sich heraus, dass die Zeit einem davonlief, egal wie sehr man sich an sie klammerte. Die Zeit ließ einem im Stich und ehe man sich versah, war ein Urlaub vorbei.
     Nur mit langsamen, angestrengten Bewegungen packte ich meine Tasche, überhaupt nicht motiviert, diese bereits zu packen. Es war anstrengend. Es fühlte sich falsch an. Auf der anderen Seite aber musste ich nach Cres zurück. Ich musste meine Sachen aus dem Büro holen und ein für alle Mal damit abschließen.
     Ich musste einfach. Stacy hatten gestern Abend bereits geweint. Rocco war seltsam still gewesen. Wie die ganzen letzten Tage auch schon. Er sprach nicht mehr viel und wenn er sprach, fragte er nur nach dem, was wir essen oder trinken wollten.
     Dejan hatte mir eine gute Fahrt gewünscht, aber gesagt, dass ich ihn in Zadar nicht sehen würde, da er mit seinen Freunden unterwegs war.
     Ich versuchte nicht daran zu denken. Versuchte mich nicht zu fragen, ob ich ihn für immer vergrault hatte. Stattdessen versuchte ich in diesem Moment mein letztes Oberteil in die Tasche zu quetschen. Ohne viel Erfolg. Frustriert schob und drückte ich den Stoff hinein. Es rührte sich nichts. Tränen der Wut stiegen in meinen Augen auf, doch ich wusste genau, dass diese Tränen nicht nur wegen der Wut kamen.

     Momentan war ich emotional aufgeladen und die Tränen wollten einfach nicht verschwinden. Sie liefen bereits in Strömen über meine Wange. Meine Sicht verschwamm, doch ich versuchte noch immer das Oberteil in die Tasche zu pressen.
     Bis zwei Hände meine nahmen, sie von dem Stoff lösten und ich umgedreht wurde. Ich musste ihn nicht sehen, um zu wissen, wer vor mir stand. Sein Geruch stieg mir in die Nase und als er mir die Tränen fortwischte, konnte ich ihn sehen.
      Schniefend sah ich ihn an. Trauer lag in seinem Blick, als er sanft über meine Wange strich. Vermutlich in der Hoffnung, mir dabei helfen zu können, die Trauer hinter mir zu lassen. Was alles andere als einfach war.
     Denn ihn anzusehen half nicht dabei, die Tränen versiegen zu lassen. Ihn anzusehen erinnerte nur daran, dass ich schon bald nicht mehr hier sein würde.

     Das Frühstück war einfach viel zu schnell vergangen. Wie der ganze Urlaub. Die Zeit war einfach verstrichen und jetzt wünschte ich mir, dass ich sie zurückholen könnte. Nur mit meiner bloßen Willenskraft.
     Vaughn beugte sich vor. Nicht um mich zu küssen, sondern um meine Tasche für mich zu packen. Seine Hände waren ruhig und so schaffte er es nach drei Versuchen, meine Tasche zu schließen, ohne dass ich ein Oberteil hierlassen musste.
      Was vermutlich auch nicht sonderlich schlimm gewesen wäre. Doch als er sich wieder zu mir drehte und mich ansah, wollte ich wieder nur weinen. Ich wollte nicht gehen. Nicht jetzt schon. Ich wollte noch bleiben.

     Mit ihm Dinge erleben. Seine Hände fanden den Weg zu meiner Wange und strichen sanft darüber. Vaughn beugte sich näher vor. »In einem Monat sehen wir uns doch wieder.« Das hatte er auch schon gestern Abend gesagt und heute beim Frühstück. Für ihn schien das wohl nicht viel Zeit zu sein, für mich fühlte es sich bereits wie eine halbe Ewigkeit an. Ein Monat. Ein Monat ohne Vaughn.
     Ein Monat, in dem ich mir vermutlich auch einen neuen Job suchen musste. Irgendwo. Denn von etwas musste ich ja leben. Die Auswahl auf Cres war begrenzt und ich wusste nicht recht, was ich wählen sollte. Es gab nicht viel, für das ich mich entscheiden konnte.
     Trotzdem würde ich es einfach versuchen müssen, wenn ich weiterhin in meiner Wohnung leben wollte. Wenn ich weiterhin ein relativ gutes Leben führen wollte.
     »Ein Monat kann sehr lange werden«, meinte ich und sah Vaughn an. Er nickte, dann zog er mich an sich. So dicht, dass meine Brust sich gegen seine drückte und kein Blatt mehr zwischen uns passte.
     »Wir telefonieren jeden Tag. Dann vermisst du mich nicht so stark.« Es war ein Versprechen. Ein Versprechen, was er vorhatte zu halten. Und ich glaubte ihm. Die Stimme des Zweifels blieb aus, stattdessen glaubte ich ihm, dass er es ernst meinte.

Das Rätsel des VertrauensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt