2. Kapitel

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     Mit meinem Verdacht sollte ich recht behalten. Ein Mitglied der Crew hatte mir versichert, dass Vaughn sich immer wieder den Seebericht ansah und niemanden einer Gefahr aussetzen würde. Seufzend stand ich nun an der Reling und blickte auf die weite See hinaus. Noch fuhren wir um Mali Losinj herum, doch bald würden wir in Richtung Pag fahren. Vaughn wollte nach Novalia, wo es einen Hafen gab.
     Je nach Wetter würde er entscheiden, ob wir noch weiter fuhren, oder ob wir dort blieben und den Sturm abwarteten. Die sonst so beruhigende, unendliche Weite der See konnte mich heute nicht beruhigen. Stattdessen empfand ich dieses nervöse Kribbeln, weil ich Vaughn nicht genug vertraute.
     Was nicht daran lag, dass er nicht Bootfahren konnte, sondern weil... weil er mir oft genug bewiesen hatte, dass man ihm nicht trauen konnte. Was für eine Ironie, dass ich nun auf seiner Yacht war, die er auch noch selbst steuerte und so seinen Befehlen ausgesetzt war. Hier konnte ich nicht steuern und keine Befehle geben.
     Mein Schein reichte nicht für so eine Art von Yacht aus. Natürlich könnte ich sie im Notfall steuern, doch anlegen könnte ich damit nicht. Garantiert nicht. Dafür hatte ich zu wenig Erfahrung. Mein Boot war handlich. Klein mit 150 PS Und reichte für mich aus. Das hier war eine andere Hausnummer.

     In der Hoffnung, Frieden zu finden, blickte ich auf die aufgewühlte Weite hinaus. Schon jetzt peitschte der Wind umher und wirbelte das Meer auf. Kleine Schaumkronen tanzten über die ruppige See, wogen sich im Wind.
     Meine Haare flatterten wild umher. Segler freuten sich sicher, doch mir bereitete der bereits starke Wind Sorgen. Dies war nie ein gutes Zeichen. Es bedeutete Gefahr. Der Wind kam vom Meer, was noch schlimmer war.
     Die Ruhe, die ich mir so sehr wünschte, wollte also nicht kommen. Vaughn hatte mir eine Kajüte zugewiesen, doch ich hielt es unter Deck nicht aus. Dort war alles so erdrückend. So eng... obwohl es weit war. Die Yacht war riesig und doch fühlte sich alles eng an. Zu viel. Also war ich hier draußen auf Deck, im Badeanzug und tankte Sonne.
     Meine Sonnenbrille schirmte meine Augen von der Sonne ab und meine Cap würde dafür sorgen, dass ich so schnell keinen Sonnenstich bekam. So weit so gut natürlich. Das Sonnenöl schimmerte auf meiner Haut, während ich an der Reling entlang ging, zu dem großen Deck nach vorne, wo Liegen standen.
     Erinnerungen tauchten auf. Die Erinnerungen an die Party. Mitten auf dem Weg hielt ich also an und wandte mich wieder dem Meer zu. Doch die unruhige See konnte mir keine Ruhe schenken, sondern war ein Spiegelbild meiner eigenen Unruhe.

     Egal, wie sehr ich es zu ignorieren versuchte. Ich war hier. Mit Vaughn. Auf seiner Yacht. Es gab kein Entkommen. Und er wollte reden. Später, beim Abendessen, wenn wir in einer kleinen Bucht anlegen würden. Heute würden wir es nicht mehr nach Novalija schaffen, hatte er gesagt. Ja, der war auch erst um 15:00 Uhr losgefahren.
     Wir fuhren ungefähr 10 Knoten, was bedeutete, dass wir ungefähr 19 km/h fuhren. Nicht viel, für rund 30 Seemeilen bis Novalija. Das waren nämlich ungefähr 60 Kilometer. Also würden wir in einer Bucht Halt machen, zu Abend essen und jemand würde während der Nacht fahren.
     Zumindest konnte ich so später noch schwimmen gehen. Ein Vorteil. Und er hatte Internet an Bord. So hatte ich zumindest meinem Freund schreiben können, was passiert war. Die Sonne brannte nach einer kurzen Weile auf meiner gebräunten Haut. Trotzdem blieb ich an Deck, dort wo kein Schatten war.
     Denn dort, wo Schatten war, hatte ich ein paar Leute der Crew gesehen, die sich gerade eine Pause gönnten. Sie hatten mir angeboten bei ihnen zu sitzen, doch sie waren... neugierig. Wollten wissen, was zwischen Vaughn und mir war und wieso ich ihm die Muschel zurückgegeben hatte.

     Kein Thema, über das ich momentan gerne reden wollte. Also stand ich weiter an der Reling, sog die salzige Luft tief in meine Lungen und sah auf das weite Meer hinaus, bis zum Horizont. Würde ich rechts blicken, würde ich die weiteren der tausend Inseln von Kroatien erblicken.
     Es war einfacher nur die Weite des Meeres zu bewundern, den weiten Horizont. Es war wunderschön und ich fragte mich oft, wie weit ich wohl fahren müsste, um an die nächste Insel oder ans nächste Festland zu kommen, wenn ich einfach mit dem Horizont fuhr.
     Wie lange es dauern würde, bis ich jegliche Zivilisation hinter mir gelassen hatte. Denn das hatte ich mir schon oft gewünscht. Alles hinter mir zu lassen. Momentan lief es in meinem Job nicht so gut und ich meldete mich mehr krank, als das ich arbeitete.
     Mobbing war etwas, mit dem ich umgehen konnte, doch wenn es am Arbeitsplatz anfing, war es etwas, das ich kaum bewältigen konnte. Meine Chefin hatte dies belächelt und gesagt, dass ich unsere neue Mitarbeiterin falsch verstehen würde. Doch das hatte ich nicht. Seit diesem Zeitpunkt meldete ich mich öfter krank.
     Gerade aber hatte ich Urlaub. Urlaub und doch hatte ich keinen. Denn meine Vorstellung von Ruhe und Frieden sah anders aus und hatte sicher nicht beinhaltet mit Vaughn auf seiner Yacht zu fahren.
     Der Luxus schien mir überall entgegen. Selbst hier an der Reling, wo das Metall so sauber war, dass die Sonnenstrahlen mich blendeten. Das Material der Reling war teuer und auch das Deck war fein gearbeitet. Die Yacht strotzte vor Luxus.

Das Rätsel des VertrauensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt