28. Kapitel

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     Der nächste Morgen fing so an, wie der gestrige Tag geendet hatte. Dejan sprach kaum mit mir, war in seinen eigenen Gedanken gefangen und mein Handy verkündete eine neue E-Mail von meiner Arbeitsstellte. Vermutlich hatten sie meine Kündigung gelesen.
     Ich wagte es im ersten Moment nicht sie zu öffnen. Der Mut fehlte mir dazu noch, besonders zu dieser Stunde. Diese E-Mail so früh am Tag zu bekommen, war meist kein gutes Zeichen.
     In meinem Magen rumorte es und das Frühstück schmeckte nach Asche in meinem Mund. Die Nervosität stieg mit jedem weiteren Bissen, mit jeder weiteren Sekunde. Dejan war so tief in dem Strudel aus Gedanken gefangen, dass er das nicht mal mitbekam.

     Mit fahrigen Bewegungen stopfte ich so gut es ging die letzten Reste des Essens in mich hinein und versuchte mir den Geschmack der Semmel vorzustellen, nur um nicht diese Asche im Mund zu schmecken.
     Fehlanzeige. Der Geschmack kam nicht zurück. Alles, was blieb, war am Ende das Gefühl von Sand zwischen den Zähnen und ein starkes Kribbeln im Bauch.
     Der Bildschirm meines Handys leuchtete erneut auf, diesmal mit einer Nachricht. Doch meine Augen konnten sich nur an der ersten Benachrichtigung festsaugen, die mich zu verspotten schien.
     Öffne mich doch, schien sie zu rufen. Öffne mich doch, du Feigling.
     Denn das war in dieser Situation wohl. Ein Feigling. Ein elender Feigling. Entschlossen kein Feigling zu sein schnappte ich mir mein Handy und wischte in einer zitternden Bewegung über den Bildschirm, ehe ich meinen Code eingab, bei dem ich mich natürlich vertippte.

      Frustration stieg in mir auf, doch nach dem zweiten Versuch klappte es dann. Dejan neben mir merkte noch immer nichts. Vielleicht war das auch ganz gut so. Denn ich wusste nicht, was mit ihm los war und gerade musste ich mich darum kümmern.
     Mit wild klopfendem Herzen öffnete ich die E-Mail und las die Worte, die mir spöttisch entgegen stachen.

Liebe Sita,

es tut uns leid bedauern zu müssen, dass Sie uns verlassen wollen. Hiermit erinnern wir Sie daran, dass Sie die Kündigungsfrist von einem Monat einhalten müssen. Erst dann tritt Ihre Kündigung in Kraft.

Sollten Sie in dieser Zeit krank sein, dann überreichen Sie uns die Krankmeldung. Ihre Stelle wird danach gleich vergeben, also wäre es nett, wenn Sie es in der Zeit irgendwann schaffen würden, Ihre Sachen aus dem Büro zu holen un-

     Weiter konnte ich einfach nicht lesen. In meinen Augen brannten Tränen und die schwarzen Buchstaben verschwammen vor meinen Augen. Nicht, dass ich etwas anderes erwartet hätte. Natürlich mussten sie sagen, dass sie bereits eine neue Stelle für mich hatten. Natürlich.
     Sie hätte es anders sein sollen. Oft genug hatten sie mir gesagt, dass sie Ersatz für mich finden würden. Einen Ersatz, der leicht zu finden war und besser sein würde als ich. Lange Zeit hatte ich das nicht geglaubt.
     Hier waren es sogar nur Worte auf einem Bildschirm und doch stachen sie mitten in mein Herz. Ich hörte sogar die Stimme meiner Chefin, wie sie mir diese Zeilen vorlas. Kalt und mit einer gewissen Wut in der Stimme.
     Eine Wut, die sie womöglich nie wieder verlassen würde. Eine Wut, die sie immer auf mich gerichtet hatte.

     Ein Zittern durchlief erneut meinen Körper und eine Träne rollte nass und kalt über meine Wange. Das Handy glitt mir aus den Händen und landete mit einem dumpfen Schlag auf dem Tisch.
     Die Welt um mich herum drohte in Dunkelheit zu versinken, während ein Schrei in meiner Kehle aufstieg. Ein Schluchzen schüttelte meinen Körper. Ehe ich mich versah, wurde ich hochgezogen und dann an eine Brust gedrückt.
     Der Geruch von Dejans Aftershave stieg mir in die Nase und beruhigte meine Sinne zumindest für einen kleinen Moment. Dejan hielt mich einfach fest, während ich weinte. Ich sollte nicht weinen. Schon gar nicht wegen ihnen. Schon gar nicht wegen dem, was sie sagten. Ihre Worte sollten mich nicht verletzen. Ich hatte es ja auch nicht anders erwartet. Dennoch weinte ich mir in diesem Moment die Augen aus.
     Weinte, weil ich wusste, dass sie ihre Worte wirklich glaubten und dass sie Ersatz gefunden hatten. Einfach so. In der kurzen Zeit. Mein Platz war noch nicht mal kalt! Schnell verwandelte sich das Eis in meinen Adern zu Feuer. Wildes Feuer der Wut schoss durch meine Adern hindurch und brachte mich innerlich zum Kochen.

Das Rätsel des VertrauensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt