31. Kapitel

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     Zu meinem Leidwesen vergingen die Tage wie Stunden. Der dritte Tag war bereits vergangen. Mittlerweile hatte ich eine Nachricht von Dejan erhalten, in der er schrieb, dass es ihm so weit gut ging. Was ich ihm nicht glaubte. Ich glaubte nicht, dass es ihm gutging. Doch er tat zumindest so, als wäre das die Realität.
     Er tat so, als wäre er nicht sauer und als gäbe es nichts, was so schlimm wäre. Leider wusste ich nicht, ob ich ihm das glauben sollte. Er schrieb sehr selten und wenn er schrieb, dann wirkten seine Texte eher kryptisch als hilfreich. Seine Texte waren einfach nur verwirrend.
     Vaughn bemerkte natürlich meine Unruhe, konnte aber nichts dagegen tun. Dafür versuchte er jeden Tag unvergesslich für mich zu machen. Gestern waren wir mit einem Mietwagen in Primosten gewesen, bei der Aussichtsplattform mitten am Berg und es war wundervoll gewesen. Einfach märchenhaft.
     Er hatte den Sonnenuntergang als Zeitpunkt gewählt und was soll ich sagen? Es war einfach traumhaft schön gewesen. Wie in einem Märchen. Heute war zwar Regen angesagt und es schüttete wie aus Eimern, doch selbst da fand Vaughn für uns alle eine Ablenkung. An Bord kümmerten wir uns um ein paar Dinge und machten ein Spiel daraus.

     Wer zuerst all seine Aufgaben erledigt hatte, konnte sich heute mal dem Abspülen entziehen und durfte aussuchen, was morgen auf dem Tagesplan stand. Eifrig erledigte ich also meine Aufgaben in rekordverdächtiger Geschwindigkeit.
     Jeder hatte Spaß dabei. In der Ferne hörte ich Stacy lachen und schreien gleichzeitig. Ein Laut, der mich grinsen ließ. Doch egal, wie schnell ich arbeitete, niemand konnte Stacy schlagen. Wir war eine ganze halbe Stunde früher fertig als Vaughn und erst danach kam ich. Die anderen trudelten ein und zogen einen Schmollmund, während Stacy siegessicher auf dem Stuhl saß und strahlte wie ein Stern am Weihnachtsbaum.
     »Tja, ich würde sagen, dass ich nun bestimmte, was mir morgen machen. Nicht wahr?« Mark murmelte etwas, Rocco schüttelte lächelnd den Kopf, die anderen lachten leise und Vaughn grinste nur. »Ja, das darfst du tatsächlich.«

     »Dann macht euch auf was gefasst«, sagte sie im geheimnisvollen Tonfall, als gäbe es ein großes Geheimnis um den morgigen Tag. Doch egal wie viel wir wissen wollten, sie verriet niemanden von uns etwas.
     Auch nicht, als wir noch so sehr darum bettelten. Nicht mal Mark erzählte sie etwas. Sie schwieg, die Lippen versiegelt. Eine Überraschung, wie sie es nannte. Eine Überraschung für uns alle.
     An diesem Abend versuchten wir alle also dahinter zu kommen, doch niemand schaffte es, das Geheimnis zu lüften. Rocco war so oder so ruhig und schien es nicht wirklich für die Lösung dieses Geheimnisses zu interessieren. Im Gegenteil.
     Er stocherte erneut lustlos in seinem Essen herum, wie die ganzen letzten Abende. Rocco wirkte fast schon wie eine Leiche. Anders konnte man es nicht sagen. Er bewegte sich sehr langsam, sein Gesicht war bleich und es war ein Wunder, dass er in der Küche noch nichts hatte anbrennen lassen, so abgelenkt wie er manchmal war.
     Rocco war abgelenkt und ich wusste nicht, wie ich ihm helfen sollte. Ich wusste es einfach nicht. Rocco war nicht ganz bei sich und auch nicht bei uns anderen. Rocco war in seiner eigenen Welt versunken.

     Auch nach dem Essen noch. Und so endete der Abend für ihn wieder sehr früh. Gleich nach dem Essen verabschiedete er sich und ging in seine Kajüte. Einfach so. Er ließ uns alle hier wartend zurück, doch wir wussten, dass er nicht zurückkommen würde.
     Rocco würde nun die ganze Zeit in der Kajüte sein und vielleicht wieder an Deck kommen, wenn er wusste, dass die meisten von uns schliefen und er allein war. Denn manchmal, wenn ich noch ein Buch las und neben Vaughn in seinem Bett lag, dann hörten wir ihn die Treppe raufgehen.
     Bis jetzt erwähnte das niemand, weil wir alle wussten, dass er nur an Deck ging, um die Sterne anzusehen. Vermutlich in der Hoffnung, eine Antwort auf seine vielen Fragen zu finden. Doch darauf gab es wohl keine Antwort. Zumindest nicht sofort.
      Etwas später lag ich erneut neben Vaughn in seinem Bett und wir beide schauten auf den kleinen Bildschirm seines Laptops. Grey's Anatomy lief auf seinem Bildschirm und ich sah dabei zu, wie Meredith und Derek sich langsam erneut näherkamen, nachdem sich beide endlich eingestanden hatten, dass sie sich liebten.

Das Rätsel des VertrauensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt