Die Uhr tickt

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Ich schrecke auf. Mein Kopf zuckt von der einen Seite zur Anderen und ich atme hektisch, Schweiß perlt von meiner Stirn. Ich habe schlecht geträumt, das weiß ich. Doch was ich geträumt habe, ist mir schleierhaft. Wahrscheinlich ist das besser so. Ich hasse es, mich an Albträume zu erinnern. Ich atme ein paarmal ein und aus und versuche mich zu beruhigen. Schließlich gelingt es mir und ich stehe auf. Heute ist es soweit, heute muss ich in die Arena. Vielleicht bin ich in vier Stunden schon tot. Ich schaudere.

Ich will mir gar nicht vorstellen, wie ich sterben werde. Hoffentlich geht es schnell. Ein Speer durchs Herz. Eine Axt in den Kopf, höchstwahrscheinlich von Trehna geworfen. Vielleicht habe ich sogar das Glück, bloß von einem Giftpfeil getroffen zu werden. Schnell und Schmerzlos. So hätte ich es gerne. Doch das Kapitol sieht gerne Blut fließen, somit stehen meine Chancen schlecht. Ich zucke zusammen, als es an der Tür klopft.

„Ja?" Ich muss erbärmlich aussehen, wie ich hier zitternd stehe, mitten im Zimmer, auch noch im Pyjama. Kaidan öffnet die Tür und sieht mich mit diesem ich-weiß-alles-was-in-deinem-Kopf-vorgeht-Blick an. „Du denkst an die Arena", sagt er, ohne mir auch nur ein Guten Morgen oder etwas dergleichen zu wünschen. Es ist ja auch kein guter Morgen.

Ich nicke. „Ich frage mich gerade, auf welche Art ich wohl in sterben werde", murmele ich kaum hörbar. Meine Stimme klingt ganz heiser und brüchig, obwohl ich nicht krank bin. Tränen brennen mir in den Augen, meine Kehle ist wie zugeschnürt. Ich kann nicht anders und schluchze los. Schon wieder.

Ich weine so oft in den letzten Tagen und das, obwohl ich stark sein muss. Und schon wieder kommt Kaidan auf mich zu und schließt mich in seine Arme. Ich lehne mich an seine muskulöse Brust und denke, dass er einfach ein Schatz ist. „Ich hoffe du gewinnst", wispere ich und er sieht mich irritiert an. „Ich hoffe wirklich du kannst zu Roxaine zurück. Sie verdient einen wie dich. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich hier ohne dich überleben soll".

Das ich mit ihm wahrscheinlich auch nicht überlebe, lasse ich besser aus. Das warme Lächeln auf seinen Lippen ist es wert, mich selbst für tot zu erklären. „Du stirbst schon nicht". Ich schniefe und lehne mich wieder an seine Brust. Es ist heuchlerisch, dass wir uns Mut machen. Wir sind Konkurrenten. Aber ich brauche ihn, wenn auch nur noch für wenige Stunden. „Ich habe schreckliche Angst vor dem Gemetzel am Füllhorn. Ich glaube kaum, dass ich das überleben werde. Ich renne einfach so schnell ich kann und hoffe, dass niemand mir folgt", flüstere ich schließlich.

Erst es ganz still. Dann holt Kaidan tief Luft. „Dann gebe ich dir Rückendeckung", verspricht er. Ich runzele die Stirn und sehe ihn verwundert an. „Ehrlich?" „So wahr ich hier stehe". Kaidan nickt und streicht mir über die zotteligen Haare. „Kleine, hab keine Angst. Das einzige, was dir den Rest geben kann, wäre dein eigener Selbstmord. Du bist eine Kämpferin, Nova, dich kriegt man nicht klein. Du schaffst das schon". Ich nicke ebenfalls, beinahe hektisch und verzweifelt. „Ja, ja. Ich schaff das schon". Ich höre Kaidan lächeln, während er das Kinn auf meinem Kopf ablegt.

Soviel größer als ich, ist er gar nicht, obwohl er fast drei Jahre älter ist. Entweder er ist sehr klein für sein Alter oder ich bin sehr groß, was wahrscheinlicher ist. „Ich hoffe für dich, dass du gewinnst. Sollte ich vor dir sterben, musst du es sogar. Nicht nur für deine süße Freundin. Auch für mich und Roxy. Sie kriegt dann die Nahrungspakete, weißt du".

Ich lache spöttisch auf. „Ach darum geht's dir die ganze Zeit", sage ich und schlage ihn gegen die Brust, ohne mich von ihm zu lösen. Seine Wärme und die Vibration seiner Brust wenn er spricht, ist tröstlich. Er zuckt die Schultern. „Versprich mir einfach, dass du's versucht, sollte ich nicht mehr sein". Ich knabbere auf meiner Lippe herum und halte meinen kleinen Finger hoch. Kaidan hakt den seinen ein, als wären wir in der ersten Klasse. „Danke", sagt er liebevoll. „Ich glaube an dich". Seltsamerweise sind diese vier Worte eben die, die mich wieder aufbauen. Dass er auf mich setzt, macht mich unglaublich stolz.

The second mentor- DieTributeVonPanemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt