66
Ich zucke zusammen und sehe mich panisch um. Der ganze Boden um mich herum zittert und vibriert, die Felsen um mich herum wackeln bedenklich, feine Kiesel regnen auf mich herab, das Wasser im See kräuselt sich. In meiner Panik renne ich so schnell es mir möglich ist, den Weg den ich gekommen bin wieder zurück, weg von dem See.
Alles um mich herum bebt, der Boden beginnt Risse zu bilden, die an den Felswänden emporklettern. Alles ist in das blutrote Licht der untergehenden Sonne getaucht, als würde die Welt selbst bluten während sie stirbt. Mein Atem geht hektisch, das Herz rast in meiner Brust. Ich bin zu vollgepumpt mit Adrenalin um Angst zu haben.
Das Erdbeben treibt mich immer weiter abwärts, als würde es mich jagen, erscheint es immer genau an den Stellen, an denen ich innehalten will. Ich beobachte, wie an dem Ort, wo ich vor gerade einmal 10 Sekunden gestanden und nach Luft geschnappt habe, sich ein gigantischer Riss im Boden auftut.
Ok, jetzt habe ich trotz des Adrenalins regelrechte Panik! Ich muss hier weg. Mit riesen Sätzen springe und laufe ich über die unebene Erdoberfläche, stürze, schürfe mir die Hände auf, rapple mich aber auf um weiter zu laufen. Mit mir stürzen die ersten Bäume um und kullern ins Tal hinab. Ich muss höllisch aufpassen, nicht von einem mitgerissen zu werden.
Meine Lunge beschwert sich bei mir und ich ignoriere sie hartnäckig. Schließlich erreiche ich endlich das Tal. Das Beben stoppt abrupt. Oder nein, ich kann es nur nicht mehr so präsent spüren, weil es sich nur in den Bergen abspielt. Hier unten bin ich sicher. Das Problem ist nur, dass hier auch die anderen Tribute hingetrieben werden.
Das haben die Spielmacher auch mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit geplant. Sie wollen uns kämpfen sehen, wollen Mord, Blut und Todschlag. Ich ducke mich hinter einen großen Stein, um mich vor den Blicken möglicher Bedrohungen zu schützen, kauere mich zusammen und warte einfach nur noch darauf, dass es aufhört. Während ich warte, verblutet die Welt und wird schließlich schwarz.
Als die letzten Strahlen hinter den Hügeln verschwunden sind, stoppt auch abrupt das Erdbeben und endlich kann ich mich entspannen. Es ist schrecklich dunkel und als ich mich erhebe, taste ich mich so vorsichtig wie möglich voran. Ich weiß, meine Mittribute sind nicht weit von hier. Ich muss mich leise verhalten, jeden Schritt sorgfältig überdenken.
Wie durch ein Wunder schaffe ich es zu den Ruinen auf der gegenüberliegenden Seite, ohne von jemandem entdeckt zu werden. In den Bergen fühle ich mich jetzt nicht mehr sicher. Ich verstecke mich in einem der zerfallenen Gebäuden und lege mich auf den scharfkantigen Boden. Es ist unbequem, aber es wird gehen.
Kurz darauf, ertönt wieder die Hymne des Kapitols und ich linse durch ein Loch in der Wand zum Himmel. Wer wohl alles an dem Erdbeben verendet ist? Das erste Bild, dass ich zusehen bekomme, zeigt Amethyst Villindame aus Distrikt 1. Wieder ein Karriero tot. So leid es mir für ihn tut, ich freu mich darüber.
Auch Selma Catrece ist gefallen. Sie war aus Distrikt 4. Ich muss unweigerlich an Finnick denken. Ob er enttäuscht ist? Traurig? Oder ist er wieder einmal so skrupellos, dass er sogar Witze über ihren Tod macht? Ich weiß es nicht.
Dann wird das Bild von Lorey Rymer, Distrikt 7, an den künstlichen Himmel projiziert. Also sind die einzigen noch lebenden Karrieros die beiden Mädchen aus 1 und 2 und der Junge aus 4. Das ist ja mal eine erfreuliche Nachricht. Beide Tribute aus 9 sind ebenfalls tot, ebenso Tara Eyvind aus 10. Auch über ihren Tod bin ich ehrleichtert, denn sie gehörte zu denen, die mir Angst gemacht haben.
Dann erscheint das Wappen und ich schließe die Augen. Kaidan hat das Beben überlebt. Gott sei Dank.
Es werden sechs Kanonenschüsse abgefeuert, wie am ersten Tag. Das ist zwar eigentlich unüblich, aber die Spielmacher haben wohl auch hier den Überblick verloren.
In Gedanken gehe ich durch, wer noch im Spiel ist. Perlmutt, Rosalie und Jeresmy, die verbliebenen Karrieros. Hollice Barryloth aus 5 und Trehna Bytheseia aus 7. Beide hatten hohe Punktanzahlen bei der Bewertung, deshalb erinnere ich mich an ihre vollen Namen. Sie haben mir imponiert. Zelda aus 8 lebt noch, genauso wie Jasper aus 11. Und natürlich Kaidan und ich.
Wir sind nur noch acht Tribute. Mich und Kaidan ausgeschlossen muss ich noch sechs töten. Ich schaudere. Acht. In zwei Tagen. Jetzt werden meine Mutter, mein Vater und mein Bruder interviewt und mit Sicherheit auch Fjella. Aber ich lebe noch. Ich habe es unter die letzten acht geschafft. Ich gebe die Hoffnung nicht auf.
Seufzend rolle ich mich auf dem unbequemen Boden zusammen und schlafe beunruhigt ein.
DU LIEST GERADE
The second mentor- DieTributeVonPanem
FanfictionNiemand hätte gedacht, dass ausgerechnet die unscheinbare Novalee aus Distrikt 12 den Mut aufbringen würde, sich für die 66. Hungerspiele freiwillig zu melden. Sie selbst auch nicht. Aber als ihre beste Freundin in den Tod geschickt werden soll, gib...