Noch ein Versprechen

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Ich werde von hellem Sonnenlicht geweckt. Vorsichtig luge ich durch das Loch in der Wand nach draußen um zu überprüfen, ob die Luft rein ist. Ich kann niemanden sehen. Die Gebirgskette sieht bei Tag wieder so freundlich und einladend aus wie noch vor 24 Stunden, doch der Schein trügt.

Nachdem ich etwas Wasser getrunken und die Umgebung gesichert habe, schleiche ich durch die Ruinen, lasse die Berge hinter mir. Die Spielmacher werden zwar wohl kaum zweimal die gleiche Bedrohung hinter einander abfeuern, das wäre ja auch wieder langweilig. Aber dennoch fühle ich mich dort nicht mehr sicher. Aber ich muss weg von den anderen Tributen.

Ich schaffe es, mich einige zerbrochene Häuser weiter zu schleppen, ohne an gestern zu denken. Der Schreck sitzt mir noch immer in den Knochen. Ich hoffe, so etwas Schreckliches nie wieder erleben zu müssen, doch wahrscheinlich habe ich keine Wahl. Es ist überraschend, dass ich das überlebt habe.

Ehrlichgesagt, habe ich keine Ahnung was ich jetzt tun soll. Gestern noch hatte ich irgendwie den Hauch von einem Plan, doch jetzt... die Wahrscheinlichkeit, meinen kleinen See wieder zu finden, ist gering. Also laufe ich weiter.

Wie am ersten Tag. Auf der Flucht vor den anderen Tributen, die erschreckend nah sind. Ich muss nur so weit wie möglich weg von ihnen. Vielleicht kann ich mich verstecken bis alles vorbei ist.

Ich quäle mich weiter, Mauer für Mauer. Mir tut alles weh und ich habe Angst vor der ungewissen Zukunft. Gestern wurde mir wieder verdeutlicht, dass ich hier niemals sicher sein werde, in keinem Moment. Ich will nur noch hier raus. Ich versuche, die nächste Zeit nicht darüber nachzudenken und in meinen Gedanken nur bei Fjella zu sein, denn das spornt mich an, weiter zu laufen.

Es gelingt mir nicht.

Die Luft um mich herum flimmert in einem staubigen Rot. Die Hitze ist kaum auszuhalten. Schweiß rinnt mir von der Stirn und ich muss mich sehr zusammenreißen, mir das Wasser das ich noch habe gut einzuteilen. Meine Haare liegen verknotet und strähnig über meinen Schultern.

Das Haargummi, mit dem Lennox mir vor den Spielen einen Zopf gebunden hatte, ist wohl im See verschollen. So muss ich mir alle paar Sekunden genervt einige unzähmbare Strähnen hinter die Ohren schieben. Als Junge hat man es hier wirklich leichter.

Als ich es gar nicht mehr aushalten, fasse ich einen Entschluss und lasse mich auf einer beschatteten kleinen Mauer nieder. Ich atme einmal tief durch, dann bündle ich mein Haar mit den Händen und setze das Messer an.

Mit ungeschickten Hebelbewegungen durchtrenne ich Strähne für Strähne. Als ich meine Hand wieder öffne, fällt ein zotteliges, braunes Büschel zu Boden.

Ich streiche über meinen Kopf und betaste die neue Kurzhaar Frisur. Sie ist ungleichmäßig, auf der rechten Seite etwas länger als auf der Linken und Zuhause hätte ich es nie gewagt, mir so etwas zu verpassen. Aber jetzt bin ich ehrleichtert, dass ich mich getraut habe, denn als ich weiter stapfe, nerven mich keine Strähnen mehr. Und ganz ehrlich. Ist doch vollkommen egal wie ich aussehe, oder? Ich sollte mich darauf konzentrieren, zu überleben.

Als es Nacht wird, rolle ich mich zusammen, blicke zum Himmel und warte auf das Wappen des Kapitols. Der unbequeme Boden macht mir ja schon etwas zu schaffen. In den Bergen war es deutlich angenehmer. Die Hymne erklingt, das Wappen erscheint und verschwindet wieder. Keine Toten. Ich hasse mich dafür, dass ich deswegen enttäuscht bin.

Die nächsten zwei Tage klettere ich durch die Gerölllandschaft, schlafe auf unbequemen Steinboden und finde einen kleinen Bach, der mitten durch das Ödland fließt. Ich lief mit dem Strom, um immer genug Wasser zu haben, was sich als weise Entscheidung erwies, denn die Hitze nimmt von Stunde zu Stunde zu. Gestorben ist nur Jasper Chadburn aus Distrikt 11.

The second mentor- DieTributeVonPanemWo Geschichten leben. Entdecke jetzt