1 | Besonderer Patient

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Rosabella

"Rosabella, die 52 verlangt nach dir."

Vor 3 Tagen kam ein älterer Mann zu uns ins Krankenhaus. Besser gesagt einer der reichsten Männer aus Pasadena.
Er liegt natürlich auf der privat Station, wieso auch nicht wenn man so viel Geld hat.
Wenn man es dort rausschmeißen will. Seine Sache.

Obwohl, so ein Flachbildschirm und eine mini Bar im Zimmer hat schon was. Die Wände sind auch nicht so ekelhaft weiß, wie in unseren normalen Zimmern. Sie sind in blau Tönen gehalten, sieht für meinen Geschmack freundlicher aus.

Signor Franchini kam mit Schuss Wunden zu uns, welche von einem Banküberfall kamen.
Es ist erstaunlich das er das mit seinen 82 Jahren überlebt hatte.
Die meisten in diesem Alter wären daran gestorben. Oder an einen darauffolgenden Herzinfarkt, geschweige denn Verblutet. Wie gesagt er ist nicht mehr der jüngste. Doch unterschätzen sollte man den alten Mann nicht.

Das erste mal wo ich ihn gesehen habe überkam mich sofort ein Schauer aus Respekt und Furcht, denn dieser Mann ist wahrlich herzlos. Doch schon in unserem ersten Gespräch, gleich nach der stationären Aufnahme, wurde er freundlicher.

Was für mich wirklich ein Rätsel ist, da er alle anderen nur strenge Befehle gibt, während er mir ein Lächeln schenkt.
Ich mein, ich hab auf die meisten Patienten in unserem Krankenhaus eine positive Ausstrahlung. Sie komplimentieren mich immer und überreichen mir manchmal bei ihrer Entlassung Geschenke. Meistens Scheine auf die Hand. Aber auch schon Pralinen oder Merci.

Doch so einen ehrfürchtigen Mann wie ihn, hab ich noch nie getroffen.

"Sarah, ich bin gerade dabei die Infusionen zu richten." ich nehme meine Arbeit hier im Krankenhaus sehr ernst. Ein kleiner Fehler kann schlimme Folgen haben. Klar bei banalen Sachen wie Hände Desinfektion bei betreten des Zimmers kann man eigentlich nichts falsch machen. Dennoch ist es sehr wichtig.

"Ich weiß, aber er ist mir unheimlich. Ich will ihm nicht widersprechen. Er hört außerdem nur auf dich." Sarah setzt sich verzweifelt auf einen unserer vier Drehstühle an einen Computer.

"Schon gut, ich komme ja gleich. Ich mache nur noch diese Infusion fertig." gebe ich mich meiner Kollegin geschlagen.
"Vielen dank Rosabella." sie lächelt mich beruhigt an und kümmert sich darum das unsere Neuzugänge ein passendes Zimmer bekommen. Frauen zu Frauen, Männer zu Männern oder Einzelzimmer auf Wunsch oder Notwendigkeit. Und da sagt man immer man muss bei der Zimmer Einteilung auf nichts besonderes achten. Man kann ja auch schlecht eine 19 jährige neben einen 50 jährigen ins Zimmer stopfen.

Aus dem Schwestern Zimmer hinaus betrete ich sofort unseren WEIßEN Flur. So langsam hasse ich diese Farbe.

Ich bin natürlich auch passend, so wie alle auf Station, auch in weiß gekleidet. Mit rot und blau Stift, sowie Marker, Uhr und Schwesternpflaster in meiner linken Brusttasche, dem Übergabe Zettel, Schere, Klemme und Schlüsselbund in meiner unteren linken Tasche, Handy und Notizblock in meiner rechten Tasche und mein Namensschild an meiner rechten Brust bewaffnet laufe ich in die rechte Richtung wo unsere Privatzimmer liegen.

Kaum betrete ich diesen Korridor ist es plötzlich ganz still. Normalerweise hört man immer die Klingel, die uns zeigt das jemand nach uns verlangt. Doch die Privatpatienten sind meist alle so pingelig und haben sich beschwert, das wir sie in diesem Flur aus gemacht haben. Das einzige was wir noch Vernehmen können ist die rote Anzeige Tafel an der Decke.

Vor dem Zimmer 52 halte ich noch kurz inne und zeige, wie jedem Patienten auch, mein Lächeln. Nicht das ich es immer vortäusche. Ich liebe meinen Job. Doch manchmal ist es hart immer glücklich zu sein.

Vorsichtig klopfe ich an und betrete das Zimmer.
"Guten morgen Signor Franchini." begrüße ich den älteren Mann im Bett. Sofort geht es wieder an meine Hände Desinfektion. Und die Klingel an der Tür, die zeigt das eine Schwester im Zimmer ist, betätige ich auch sogleich.

"Guten morgen Rosabella." lächelt mich der 82 jährige an, was bei ihm immer gezwungen aussieht.
"Wie kann ich Ihnen helfen?" frage ich ihn freundlich und gehe ein paar Schritte näher auf ihn zu.
"Rosabella, ich wüsste gerne was das für eine Spritze ist." frägt er nun strenger und zeigt auf sein Nachtkästchen.

Oh Gott Sarah! Wie dumm kann man sein. Man legt das doch nicht dort ab. Vertrauen ist wichtig aber spitze Gegenstände und vor allem spritzen lässt man doch nicht im Patientenzimmer! Sofort gehe ich auf diese zu und nähme sie in die Hand.

"Diese hier, sir ist gegen Thrombose." informiere ich ihn wie gewünscht.
"Und warum gab es die vorher nicht?" er ist skeptisch. Das spüre ich. Doch das muss er nicht.

"Sie sind jetzt schon 3 Tage bei uns und sind noch nicht aufgestanden. Am ersten Tag hatten sie die Anweisung, wegen der OP. Am zweiten Tag gab es Schonung. Doch jetzt dürften sie wieder aufstehen, sind es aber nicht. Deshalb gibt es jetzt eine Thrombose Spritze. Als Vorbeugung."
Er nickt verstehend und schielt kurz zur Spritze in meiner Hand.

"Würden sie bitte ihren Bauch frei machen?"
"Natürlich." er krempelt sein T-Shirt etwas hoch damit der Bereich um den Bauchnabel frei wird.

"Das reicht schon." ich gehe wieder zurück in Richtung Tür. Auf der linken Seite ist ein großer Schrank wo die Patienten ihre Kleidung verstauen können und davor ist ein kleiner Schrank wo Utensilien für uns als Personal drinnen verstaut wird. Auf diesem sind drei Kartons mit Handschuhen gestapelt. Ich entnehme zwei aus Größe M und ziehe sie mir an. Mit einem Tupfer und Desinfektionsmittel bewaffnet trete ich wieder an das Bett.

"Das wird jetzt kurz kalt." gebe ich ihm Bescheid und sprühe darauf auch schon etwas Desinfektionsmittel drauf, tupfe es wieder weg und wiederhole diesen Vorgang.
Ich setze die Spritze an und sehe kurz in seine eisblauen kalten Augen.

"Das könnte etwas weh tun." in seinen Augen sehe ich etwas aufzucken. Überraschung.
"Ich habe Schusswunden überstanden. Da wird mir so eine kleine Spritze schon nichts ausmachen." entgegnet er mir nun belächelnd, was mir ein ehrliches auflachen entlockt.

"So, schon fertig." ich tupfe nochmal kurz über die Stelle und räume meine Utensilien wieder alle feinsäuberlich weg. Nur die Nadel verstaue ich geschützt in meiner Tasche, damit ich sie bei uns entsorge, nicht hier im Patientenzimmer.
"Und sehen sie" ich schaue zu ihm in Richtung Bett,
"ich habe nicht mal mit der Wimper gezuckt."  Seine Tonlage ist kühl und arrogant. So das es meine Haare am Nacken aufstellen lässt. Sinn für Humor hat er irgendwie nicht.
"Da haben sie recht." bestätige ich seine Aussage. Auf keinen Fall widersprechen Rosabella.

Ich bin schon auf dem Weg zur Zimmertür als er mich innehalten lässt.
"Ach und Rosabella." ich drehe mich nochmal kurz herum. In Signor Franchini seinen Augen flackert etwas auf. Doch bevor ich erkennen kann was es ist, verschwindet es auch schon wieder. Also widme ich mich ganz seinen nächsten Worten.

"Morgen kommt mein Enkel vorbei."

𝐂𝐥𝐮𝐞𝐥𝐞𝐬𝐬Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt