Kapitel 62

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Bella

Erschöpft wache ich auf und Strecke mich erst einmal ausgiebig. Doch meine Augen brennen immernoch vom gestrigen Tag.

Ein leises bellen erklingt neben mir und ich sehe zu meinem Bett runter.
"Aii mein kleiner. Komm her." Ich hebe ihn zu mir aufs Bett und fahre mit meinen Fingern über sein Fell.
"Wie nenn ich dich bloß piccolo (kleiner)?" Der kleine Husky sieht mich aus seinen großen Augen an. Eines ist blau das andere braun. So einzigartig.

"Simba?" Er kläfft laut auf und wedelt mit dem schwanz.
"Mein kleiner Löwe."
"Ich dachte mir schon das du ein disney Fan bist." Erschrocken zucke ich zusammen und sehe auf, in eine Ecke des Raumes.

"Merda (scheiße). Erschreck mich nicht so! Was tust du überhaupt hier?" Wundere ich mich über die Person in meinem Schlafzimmer.
"Ich hab deine Nachricht bekommen." Gibt er Schulter zuckend wieder als wäre es selbstverständlich.

"Schau mich nicht so an Маленькая роза. Du hast gerufen, ich bin erschienen."
"Deshalb beobachtest du mich aus einer dunklen Ecke beim schlafen." Seine weißen Zähne kommen zum Vorschein. Teuflisches grinsen und funkeln in den Augen. Typisch Nikita.

"Simba also." Wechselt er das Thema.
"Ja ich mag disney.
Was tust du wirklich hier?" Werde ich ernster.
Nikita stößt sich von der Wand ab und schreitet zu mir vor.

"Immer diese Verdächtigungen." Rollt er gespielt generft mit seinen Augen. Was mich eine Augenbraue heben lässt.
"Ich gebe nur auf dich acht."
"Im schlaf?" Bin ich noch immer skeptisch.
"Der alte Mann wurde auch im schlaf erstickt. Also ja. Auch im schlaf Маленькая роза." Bringt er kalt aus der Kehle. Aber was soll man auch anders von ihm erwarten.

"Wo ist Emilio?" Will ich tot ernst wissen. Auch wenn ich Nikita vertraue, ist er mir manchmal zu finster.
"Familientreffen." Gibt er mir eine knappe Antwort.
"Logen?" Sein Blick wirkt belustigt.
"Sein Schoß Hund ist natürlich hinterher gedackelt."

Ein kleines schmunzeln bildet sich auf meinen Lippen. Logen ist schon manchmal wie eine Klette an Emilio.

"Warum du nicht?"
"Erstens bin ich kein Mitläufer. Zweitens gebe ich auf dich acht младшая сестра (kleine Schwester)." Meint er auf seine kalte, lockere Nikita Art.
"Was?" Ich versteh nach wie vor kein Wort Russich. Also warum kommt er immer mit seiner Muttersprache? Niki beginnt zu grinsen und streicht Simba einmal über das Fell.
"младшая сестра heißt kleine Schwester." Sagt er als wäre es selbstverständlich.

"Also bin ich nicht mehr die kleine Rose?" Necke ich ihn etwas, doch den Russen kann man nicht ärgern.
"Du bleibst immer meine Маленькая роза aber du bist eben auch meine младшая сестра." Bei seinen Worten muss ich lächeln. Das ist so unglaublich süß von ihm, so kennt man das garnicht.

"Darf ich dich dann auch großer Bruder nennen?" Seine grünen Augen beginnen zu leuchten und er nickt mir knapp zu.

"Na dann, grande fratello. Mach mir was zu essen." Ich seh ihn überheblich an, während er wieder aufsteht und mich mit zusammen gekniffenen Augen ansieht.
"Treib es nicht zu weit Маленькая роза!" Erneut muss ich lachen.

Natürlich war es nur ein Scherz. Nikita wäre der letzte der mir was zu Essen machen würde. Ich befürchte sogar das er nicht weiß wie man kocht.

Simba kullert fast vom Bett, das geht alles so schnell das ich nicht reagieren kann. Er knallt fast mit dem Kopf voraus, doch Nikita fängt ihn rechtzeitig auf.

"Aufpassen kleiner Löwe." Und ich meine ein schmunzeln auf seinem Gesicht zu entdecken. Bevor ich realisiere das es echt war, ist es auch schonwieder weg.
Frustriert schnaufe ich auf.
Ein noch größerer, eingebildeter, sturer Eisklotz als Emilio.

Er lässt Simba auf den Boden runter und stellt sich wieder auf.

Meine Gedanken werden düster und ich muss an Federico denken.
"Warum er? Sags mir." Mein Blick ist flehend und meine Stimme bricht. Nikita mustert mich kalt, bis er doch wieder zu mir kommt und seine Hand auf mein Oberschenkel ablegt.

Er scheint genau zu wissen von wem ich rede. Sein Blick wird sanft aber seine Hand fühlt sich wie eine schwere last an. So, als ob er selbst schon sehr viel durchgemacht hat.

"Viele die leben verdienen den tot.
Viele die sterben verdienen das Leben." Seine Worte schallen wie ein echo in meinem Kopf hin und her. Und er hat recht.

Ich sehe in seine grünen Augen und kann auch in ihnen Schmerz und bedauern erkennen. Er musste viel durch gemacht haben. Anders kann ich es mir nicht erklären.

Es gibt nunmal einen Grund warum Nikita eben so rücksichtslos ist. Er ist nicht zu jedem so. Aber vielen gegenüber gibt er sich als Monster. Dabei ist er so viel mehr.

Er hat mir schon so oft geholfen.
Er hat mich immer beschützt.
Will das ich mich selbst verteidigen kann.
Gibt auf mich acht.
Er ist wie ein großer Bruder.

Als wäre er schon immer so.
Ein großer Bruder der sich einfach sorgt, es aber nicht jedem zeigt.

"Es schmerzt, ich weiß das. Aber der Schmerz vergeht. Er bleibt immer bestehen, aber du lernst mit ihm um zu gehen." Ich nicke langsam, während mir eine Träne über meine Wange kullert. Er beobachtet sie, tut aber nichts.

Seine grünen Augen treffen wieder auf meine und sie machen mir eines ganz genau klar.
Lass deinen Schmerz zu.

Schmerzen zu zulassen bedeutet nicht das man schwach ist. Nein, man ist unglaublich stark.

Und Nikita ist genau das.
Voller Schmerz und dennoch stark.
"Danke." Flüstere ich dankbar. Wirklich dankbar.
"Nicht dafür." Er erhebt sich wieder und läuft Richtung Tür. Kurz davor bleibt er stehen und dreht sich wieder zu mir.

"Na komm schon. Du hast doch Hunger." Er verlässt den Raum und lässt mich mit Simba zurück.

Es war bestimmt selbst für ihn zu viel darüber zu reden. Er hätte es nicht tun müssen, hat es aber getan.
Für einen kurzen Augenblick hab ich sein Leid gesehen und gespürt.

Nicht jeder war immer so, wie er heute ist. Viele sind durch Ereignisse in ihrem Leben so geworden. Durch Menschen die in diesem verweilen oder gehen. Und ich glaube auch nicht das Nikita immer so war. Niemals.

In seinem Leben ist schon viel geschehen und dennoch steht er immernoch und lässt sich nicht in die Knie zwingen. Ich befürchte das er der stärkste Mensch ist den ich kenne.

Und auch Nikita verdient liebe.
Aber keiner ist dafür bereit ihm diese zu schenken.

𝐂𝐥𝐮𝐞𝐥𝐞𝐬𝐬Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt