Ich ging die Straße entlang und nickte ab und zu einigen Nachbarn zu, die ich in den letzten Monaten kennengelernt hatte.Mein neues Kleid – eine Art Entschuldigungsgeschenk von Belle – strahlte mit mir um die Wette. Es war Efeugrün und wunderschön gearbeitet. Heute hatte ich mich danach gefühlt es zu tragen. Ich musste zugeben, dass ich mich mittlerweile auch mit meinen vielen weißen Kleidern angefreundet hatte. Möglicherweise hatte das auch damit zu tun, dass sie Ilan so gut an mir gefielen. Nur zum Gärtnern trug ich noch meine alten Kleider aus dem UBH oder aber, wie Ilan, Jeans und alte Hemden von ihm.Als ich am Amt vorbeikam, musste ich kurz an die zurückliegenden Montage denken, an denen ich wütend und mit gesenktem Kopf durch die Straßen gehetzt war, ohne je Jemandem in die Augen zu blicken.Mit diesem Gedanken im Hinterkopf genoss ich es besonders dem entgegenkommenden älteren Mann freundlich in die Augen zu blicken und zuzunicken, was er ebenso entgegnete. Unwillkürlich musste ich an meinen Vater denken. Er und ich und auch Belle hatten uns vorsichtig miteinander vertraut gemacht. Es war eine zarte, zerbrechliche Verbindung, aber es war ein Start.Belle hatte sich einige Zeit nach dem Vorfall in der Schneiderei bei mir entschuldigt. Ich vermutete, dass unser Vater ihr eine Standpauke gehalten hatte und sie dazu verdonnert hatte. Doch ich hatte ihr angesehen, obwohl ihr die Entschuldigung sichtlich schwergefallen war, dass sie es ernst gemeint hatte.Also hatten wir uns versöhnt.Belle hatte erzählt, dass Noir seitdem nicht mehr mit ihr gesprochen habe.Mit mir hatte sie auch kein Wort gewechselt, sie war aber wenig später aus Ilans Haus ausgezogen – Türen knallend. Ilan hatte mir erzählt, dass Black – Noir, wie auch immer – ihn tatsächlich mehrfach gebeten hatte nichts mit mir anzufangen. Wie genau sie das getan hatte, wollte er mir nicht erzählen. Ich vermutete, dass er immer noch hoffte, dass wir uns alle irgendwann versöhnen würden. Ilan hatte aber, nachdem Black ihn gezwungen hatte mitzukommen, um zu sehen, wie ich betrunken Unit geküsst hatte, hatte er wohl umgedacht. Ich hatte ihm erklärt, wie es dazu gekommen war. Er hatte es gar nicht wissen wollen. Ilan hatte schon an dem Abend dazwischen gehen wollen, weil er gesehen hatte, dass ich Unit nicht küssen wollte. Black hatte ihn aber davon abgehalten.Ilan schien es nicht besonders gut zu gefallen, dass seine Schwester ausgezogen war. Aber nur wenige Wochen später hatte er mich gebeten, bei sich einzuziehen.Und das hatte ich getan. Ich hatte meine weißen Kleider, meinen Topf mit Vergissmeinnicht und meine wenigen Habseligkeiten eingepackt und war bei ihm eingezogen.Dorthin war ich auch jetzt unterwegs.Nach Hause.Als das kleine, vertraute Haus mit dem frischgestrichenen Zaun in Sicht kam, begann ich beinahe zu laufen.Ich öffnete das Gartentor – ohne Quietschen, weil ich es letzte Woche geölt hatte – und in diesem Moment öffnete sich die Haustür.Ilan hatte mich kommen sehen und lächelte mich an.Ich sprang in seine Arme und küsste ihn. Unser Kuss war innig. Seine Hände hielten mich fest an sich gepresst, während seine Lippen sanft über meine wanderten.„Zora", murmelte er in mein Ohr, als ich die Beine um seine Taille schlang und den Kopf an seiner Schulter vergrub.Mit seinen Lippen fängt er mein Lächeln ein und ich vergesse alles um mich herum, als er mich wieder küsst.
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Die Einsamkeit der Namenlosen
FantasiaBei der Geburt eines Kindes gibt die Mutter diesem einen Namen. Im System hat die Mutter keinen Einfluss auf den Namen, doch sie weissagt damit das zukünftige Leben des Kindes. Kinder, deren Mütter bei der Geburt sterben, bleiben namenlos und wachse...