"Wölfe unter Vipern"

40 7 3
                                    


Arianne saß im Schatten einer Säule und hörte, wie Hazel ihre Zofen anschrie. „Ich will keine Blutorange. ICH WILL EINEN APFEL!" brüllte die junge Prinzessin.
Die Dienerinnen flüchteten, als Hazel eine wertvolle Vase aus dem fernen Yi Ti gegen eine Wand warf.
„Das wird Vater nicht gefallen," murmelte Trystan und setzte die Elefantenfigur des Cyvasse. „Du bist dran."
Arianne wand sich wieder dem Brettspiel zu. Doch sie konnte sich nicht richtig konzentrieren und setzte ihren Drachen falsch.
Trystan seufzte, kesselte ihren Drachen mit seinen Elefanten zwischen den Bergen fest und erledigte ihn mit den Katapulten. „Ich habe gewonnen," sagte er resigniert und sah sie vorwurfsvoll an, „entweder lässt du mich gewinnen oder du bist abgelenkt."
„Ach komm. Jeder hat mal Glück," versuchte Arianne abzulenken.
„Ja, aber nicht drei Mal hintereinander. Du warst in Cyvasse schon immer besser als ich. Was ist los, Schwesterchen?" fragte Trystan.
Arianne seufzte und deutet auf Hazel, die vor Wut schrie und ihren Teller nun auch gegen die Wand warf. „Muss ich noch etwas sagen? Seit die Stark-Prinzessin in den Dorne ist, benimmt sie sich wie eine Wilde."
„Ich will zu Grauwind!! Wo ist Geist? Wo ist Struppie?" schrie sie. „Wenn mein Vater davon hört, dann wird er euch seinem Wolf zu Essen geben. Mein Vater ist ein König!"
Arianne schloss entnervt die Augen. „Ich bete zu den Sieben, dass meine Töchter nicht so widerspenstig sind."
„Sie sind vom Blut des Drachen. Ich würde mir keine Hoffnung machen.", Trystan spielte mit einer Cywasse Figur.
„Danke für deine Unterstützung.", spottete Arianne.
„Du kennst mich." grinste Trystan. „Noch eine Partie?"
„Nein. Ich denke, ich muss mich um unseren Gast kümmern.", Ariannes Blick wanderte an ihm vorbei. „Und ich denke, du hast ebenfalls deine Verpflichtungen."
Trystan sah hinter sich. Myrcella Wasser, stand neben einer Säule und sah Trystan an. Ihr Lächeln war voller Freude und Arianne erkannte das Funkeln in ihren Augen.
„Ich lasse euch dann mal alleine," Arianne stand auf und verließ den kleinen Balkon. Mit einem sandfarbenem Tuch um den Kopf, um sich vor der Hitze zu schützen, trat sie hinaus in die Wassergärten.
Hazels Schreien war überall zu hören. „Ich will zu meiner Mutter! WO IST MEINE MUTTER?"
Arianne überlegte, ob sie sich zu Hazel setzten und versuchen sollte, mit ihr zu reden, doch ein Diener eilte auf sie zu. „Prinzessin Arianne. Euer Vater verlangt euch zu sprechen."
Arianne hörte wie Hazel einen weiteren Teller zerbrach. „Richtet meinem Vater aus, das ich mich um unser Wolfsproblem kümmern muss," antwortete Arianne dem Diener.
„Verzeiht Prinzessin, aber er der Fürst sagt, er dulde keine Entschuldigung."
Arianne spürte das Verlangen, entnervt zu seufzten, doch sie beherrschte sich. Sie warf noch einen Blick zu Hazel Stark, die sich weiterhin wie eine Wilde aufführte. „Bringt ich zu meinem Vater."
Fürst Doran erwartete sie in seinem Solar. Seine Hände ruhten auf den Lehnen seines Stuhles. Eine Seidendecke bedeckte seine, von Gicht geplagten Beine. Areo Hotah stand hinter ihm, seine Langaxt in den Händen.
Arianne machte einen Knicks. „Vater."
Fürst Doran sah aus dem Fenster, wo die Blutorangen an den Bäumen hingen. „Ich weiß, was du getan hast," klagte er sie an.
Arianne sah ihren Vater fragend an. „Wovon redest du?" Natürlich wusste sie, was ihr Vater meinte, aber sie dachte, es wäre besser, sich dumm zu stellen.
Auf der Terrasse fiel eine Blutorange zu Boden und zerplatzte.
Doran drehte ihr den Kopf zu. Sein Blick war finster. „Ich weiß, was du getan hast, Arianne.", sagte er erneut. „Du hast Myrcella überredet, Trystan an sich zu binden. Er war bereit, sie gehen zu lassen und eine neue, bessere Ehe einzugehen." Seine Hände ballten sich zu Fäusten.
Doran Martell war kein Mann, der seiner Wut mit lauter Stimme, wilden Gesten, oder beleidigenden Worten Ausdruck verlieh. Doch man merkte, wann er wütend war. Und in diesem Moment war er wirklich wütend. „Die Zeit von Dornes Isolation ist vorbei. Wir müssen uns erneut mit dem Rest der Sieben Königslande verbünden. Und dazu müssen wir uns an andere große Häuser binden und Ehen mit ihnen eingehen. Eine Ehe zwischen Trystan und Isabella Velaryon hätte uns gute Dienste geleistet. Doch jetzt weigert sich Trystan zu heiraten."
„Nun. Wir sind in Dorne. Wenn Trystan Myrcella heiraten will, dann lass sie doch," antwortete Arianne. „Du hast dir Mutter schließlich auch ausgesucht." Sie bereute ihre Worte sofort. Sie wusste, das ihre Mutter, Mellario von Norvos, ein schwieriges Thema für ihren Vater war.
Dorans Augen verengten sich. „Ich habe die eine Hälfte meiner Ehe mit Mallario in Streit und die andere Hälfte in Trennung verbracht."
„Diese Ehe war das einzig Unbesonnene, was Doran je gemacht hat," die Worte ihres Onkels Oberyn kamen Arianne in den Sinn. Er hatte sie gesagt, als er von Ellarias dritter Schwangerschaft erfahren hatte. Arianne hatte ihn damals gefragt, warum er Ellaria nicht heiratete und ihre Kinder zu ehelichen Martells machte. Oberyn hatte ihr erklärt, das er in der Ehe ihres Vaters ein schlechtes Beispiel hatte. „Die Liebe ist etwas, das man nicht in einer Ehe einfangen kann. Man muss sie genießen und ausleben."
„Es tut mir leid, Vater. Ich tat, was ich für richtig empfunden habe.", sagte Arianne mit fester Stimme. „Doch Trytsan und Myrcella lieben sich. Und wenn du den Septonen in Dorne nicht verboten hättest..."
„Ich werde nicht darüber streiten," verkündete Doran. „Was du getan hast, war gegen meinen Befehl und es ist nicht zum Besten von Dorne." Er sah sie mit finsterem Blick an. „Wenn es mir möglich wäre, würde ich euch beide dafür bestrafen. Doch er ist mein Erbe und du bist mit unserem zukünftigem König verheiratet. Ihr seid unantastbar."
Er legte seine Fingerspitzen aneinander. „Doch ich werde ein solches Verhalten, kein zweites Mal dulden. Widersetze dich erneut meinen Anweisungen und du wirst mit den Konsequenzen leben."
Arianne versteifte sich. „Natürlich, Vater. Darf ich mich zurück ziehen?"
„Geh. Kümmere dich um deine Gäste.", sagte Fürst Doran.
Arianne machte einen erneuten Knicks und wollte gehen, als sich ihr eine weitere Frage aufdrängte. Eine Frage, die sie nie hatte stellen wollen. „Hast du es je bereut? Das du Mutter geheiratet hast?"
Doran wich ihrem Blick aus. „Sie hat mir zwei starke Kinder geschenkt. Das bereue ich nicht. Und hetzt geh."
Arianne verließ den Balkon und überließ ihren Vater wieder seinen eigenen Gedanken. Sie bereute nicht, was sie Myrcella geraten hatte. Doch sie war sich auch bewusst, das sie vielleicht einen Fehler gemacht hatte. Trystan war der Erbe von Dorne, einem zerstrittenem Reich. Und wenn die Dornischen Lords ihm die Treue aufkündigten, weil er sich weigerte, Myrcella Wasser gehen zu lassen... dann wären die Folgen vielleicht nicht einmal mit Drachenfeuer zu bereinigen. Die Erkenntnis über die Folgen ihres Handelns trafen Arianne mit voller Wucht. Nun mischten doch Zweifel in ihren Entschlossenheit.
Sie überlegte, ob sie mit Trystan und Myrcella reden sollte, entschied sich jedoch dagegen. Jetzt war nicht der Zeitpunkt dafür. Und sie musste sich noch um ein anderes Problem kümmern. Ein Wolfsproblem.

Der kleine Raum, der von Säulen begrenzt war und einen wunderbaren Blick auf die Wassergärten hatte, glich einem Schlachtfeld. Scherben lagen am Boden. Kelche aus Metall waren zerdellt. Wein, Milch und Saft war verschüttet worden und hatte, gemeinsam mit dem Essen, hässliche Flecken an den Wänden hinterlassen.
Im Stillen betet Arianne, das sie mit ihren eigenen Töchtern nie solche Probleme haben würde.
Hazel Stark saß auf einer Bank, die Beine an die Brust gezogen und ihren Kopf zwischen den Knien. Ihr haselnussbraunen Haare hingen herab wie ein brauner Schleier. Sie zitterte und schluchzte herzergreifend.
„Hazel?", fragte Arianne leise.
„Geh weg!", sagte Hazel mit erstickter Stimme.
Arianne setzte sich neben das kleine Mädchen. Sie versuchte ihr eine Hand auf die Schulter zu legen, doch Hazel drehte sich von ihr weg. „Lass mich!", sagte sie laut.
Arianne faltete ihre Hände in ihrem Schoß. Still wartete sie, bis Hazel sich beruhigt hatte. „Weißt du, warum du hier, in Dorne bist, kleine Wölfin?"
Hazel zucke mit den Schultern. Die vierjährige versteckte ihr Gesicht noch immer auf ihren Knien.
„Deine Eltern, wollen das du in Sicherheit bist. Deine Mutter, Königin Margaery, hatte einen Schmuggler damit beauftragt, dich in Sicherheit zu bringen.", erklärte Arianne sanft. Doch der Mann mag deine Eltern nicht. Er wollte dich entführen. Deshalb hat dein Onkel Jon euer Schiff in Sicherheit bringen lassen. Damit du und dein Bruder hier bleibt. Wo ihr in Sicherheit seit."
„Mama hat gesagt, das Ser Davos uns in Sicherheit bringen wollte. Doch Davos war nicht lieb zu uns. Er hat uns immer angeschrien und über Mama und Papa geschimpft. Er hat gesagt, das er uns bestrafen würde, weil sein König weg ist.", Hazel hob den Kopf. Ihre grauen Augen waren rot. „Ich weiß nicht, was er wollte. Papa ist doch der König. Und er ist noch da." Ihre Unterlippe zitterte und sie musste wieder weinen. „Ich weiß nicht, was er wollte. Ich hatte Angst. Ich will doch nur zurück zu meiner Mama," Tränen schossen ihr in die Augen. „Ich will zu meiner Mama."
Als Arianne die Tränen der kleinen Stark sah, wurde ihr Mitleid nur noch größer. Hazel war gerade einmal vier Jahre alt und hatte schon so viel erlebt, wovon sie das Meiste überhaupt nicht verstand. Arianne legte Hazel tröstend die Hände auf die Schulter.
Hazel ließ ihre Knie los und warf sich in Ariannes Arme. Sie drückte ihr Gesicht in Ariannes Kleid und weinte. Die Tränen flossen wie Sturzbäche über das kleine, pausbäckige Gesicht.
Arianne drückte Hazel an sich. Die Gefühle der Kleinen waren überwältigend. „Alles gut. Alles gut, kleine Wölfin. Du wirst sie wiedersehen. Das verspreche ich dir." Sie drückte hob Hazel hoch und wischte eine Träne von ihrer Wange. Mit großen Augen und zitternden Lippen sah Hazel zu ihr hoch. Die Wut war verschwunden und nun zeigte sich die Trauer der Kleinen. „Wo ist Ned? Mama sagte, ich soll auf ihn aufpassen."
„Deinem Bruder geht es gut." Arianne lächelte Hazel aufmunternd an. „Komm. Wir gehen zu ihm.", sie stand auf und nahm Hazel auf den Arm. Das Mädchen klammerte sich an ihren Hals. Es fühlte sich natürlich an, sie auf dem Arm zu halten. Eine Mutter und eine Tochter, die durch die Wassergärten spazierten.
Eddard Stark saß in einem der vielen Brunnen. Er lachte und ließ seine kleinen Hände immer wieder ins Wasser platschen.
Auf Ariannes Arm begann Hazel zu zappeln und mit den Beinen zu strampeln. „Ned! Ned!", rief sie.
Ihr kleiner Bruder dreht sich im Wasser herum. „Hazel!", rief er mit seiner kleinen Kinderstimme. Sein Lachen war süß und Unschuldig.
Arianne setzte Hazel am Boden ab, hielt jedoch ihren Arm fest.
„Lass mich los. Du hast gesagt, ich darf zu meinem Bruder!", beschwerte Hazel sich.
„Du darfst auch gleich zu ihm. Aber zuerst,", Arianne fing Hazels Blick ein, „musst du mir versprechen, dass du ab jetzt brav bist. Keine Schreierei mehr und es werden auch keine Dinge nach den Dienern geworfen. Sind wir uns einig?"
Hazel wich Ariannes Blick aus, nickte aber.
Arianne lächelte. „Dann geh jetzt zu deinem Bruder. Na los."
Hazel grinnste bis über beide Ohren und rannte zu dem Brunnen. Ohne auf ihre Kleider zu achten, oder auf das entsetzte Rufen der Ammen sprang sie in das Wasser. Eddard kreischte vor Freude und die beiden begannen sich mit Wasser zu bespritzen.
Arianne sah lächelnd zum, wie die beiden Starkgeschwister ihren Spaß im Wasser hatten. Zwei Ammen kamen und brachten Lyanna und Elia. Die beiden kleinen Mädchen giggelten vor Freude, als sie ihre Mutter sahen. Arianne nahm Elia auf den Arm und hielt Lyanna ihren Zeigefinger hin. „Kommt meine Kleinen. Lasst uns ins Wasser gehen."
„Prinzessin...", wand eine der Ammen ein, doch Arianne ignorierte sie. „Kommt. Lasst uns einen Nachmittag Spaß haben. Wie haben zu wenig davon." Sie stieg aus ihren Schuhen und ging ins Becken. Das kühle Wasser war eine Wohltat, für ihre Füße.
Den Rest des Tages, verbrachte Arianne mit ihren Töchtern und den beiden Stark Kindern im Wasser. Sie lachten, planschten und hatten Spaß.
Als die Sonne langsam tiefer sank, konnte Arianne sehen, wie Trystan und Myrcella, ganz offen und Hand in Hand durch die Wassergärten spazierten. Sie sahen glücklich aus, als sie sich auf einen Balkon stellten und den Sonnenuntergang ansahen.
Arianne lächelte. Für einen Augenblick, vergaß sie die Bedrohung durch die Weißen Wanderer und das ihr geliebter Jon in Harrenhall für ihre Sicherheit kämpfte. Für einen Augenblick, war sie glücklich.

Das andere Lied, von Eis und Feuer - Der letzte SturmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt