"Ein Abschied"

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Kapitel 38 – Loras – Ein Abschied

Es war dunkel in seinem Zimmer.

Loras Tyrell lag in seinem Bett und starrte an die Decke. Seit Stunden lag er schon so da. Er bewegte sich nicht, sagte nichts, lag einfach da. Er hätte aufstehen können. Er hätte durch den roten Bergfried wandern können. Er könnte zu Margaery und ihren Kindern, seiner Nichte und seinem Neffen gehen können. Er hätte sich für das morgendliche Training vorbereiten können. Stattdessen lag er in seinem Bett und starrte in die Dunkelheit.

Wie jeden Tag, seitdem Renly gestorben war.
Es war keine einfache Trauer, die ihn erdrückte. Es war ein Gefühl bohrender Hoffnungslosigkeit. An manchen Tagen hatte er kaum die Kraft gehabt aufzustehen. Wenn er bei seiner Familie oder besser, der Familie seiner Schwester war, wurde das Gefühl schwächer, doch es verschwand nie. Es war, als würde die Dunkelheit, die in dem Zimmer um ihn herum herrschte, auch in ihm sein und alle Freude, vertreiben.

Als die Stunden dahin wanderten und die Dunkelheit langsam von schwarz zu grau wurde, schaffte Loras es, aus dem Bett zu steigen. Seine Glieder fühlten sich an, als wären sie mit Blei gefüllt, während er sich langsam wusch und dann seine Kleider anzog. Es warenlangen dunkle Gewänder. Braune Lederstiefel. Dunkle Wolle, einen schlichten Waffenrock und einen vertreiben  schwarzen Umhang, mit Kapuze. Keine Verzierungen, kein Gold, kein Grün. Nichts, was auf seine Hohe Geburt schließen ließ, außer das alle Sachen neu und gut gearbeitet waren. Dann gürtete er sein Schwert. Er würde es nie zurück lassen. Es war sein steter Begleiter seit der Schlacht am Wiserwald. Er nahm seinen Beutel, in dem er Geld und Anderes aufbewahrte. Es war eine hübsche Summe, für ihn zwar kein Vermögen, aber es würde reichen, bis er ein neues Einkommen gefunden hatte. Ein letztes Mal drehte er sich in dem Zimmer um. Es war ein großer Raum, angemessen für den Erben von Rosengarten, doch es war leer und trostlos.
Es war kein Zuhause.

Loras fuhr sich mit der Hand über die Haare, die er sich am Vorabend mit einem Messer selber geschnitten hatte und die sich nun wirr und struppig anfühlten. Ein letztes Mal sah er zum Zimmer. Auf dem einzigen Tisch lagen drei Briefe. Einen für seinen Vater, Maes Tyrell, in dem er seinen Verzicht auf Titel, Ländereien und Einkommen erklärte und das er Westeros verlassen würde. Einen an seine Frau, Talla Tarly, in dem er ihr erklärte, das sie nun frei war und sich einen neuen Gemahl suchen könne. Und eine Entschuldigung, dass ihre gemeinsame Ehe ein solcher Mummenschanz gewesen war.

Der letzte Brief, ging an Margaery und Robb. Auch bei ihnen entschuldigte er sich. Das war er ihnen schuldig, nach allem was passiert war. Er wusste, er hätte sich eigentlich persönlich bei ihnen verabschieden sollen, doch er hatte es nicht fertig gebracht. Und nun war es zu spät.

Er schulterte seine Rucksack und verließ seine Gemächer.
Der rote Bergfried erwachte allmählich zum Leben, während Loras durch die Gänge schlich. Dienstboten rannten umher. Diener begannen ihre Herren zu wecken und aus der Küche kam ein wundervoller Duft von frischem Brot und Fleisch. Es waren reiche Tage in Königsmund. Daenerys neuer Meister der Münze, Ilyrio Mopatis, hatte große Mengen an Vorräten und Lebensmitteln nach Königsmund gebracht und war so zum Helden der Stadt geworden.

Loras nahm nicht den direkten Weg in die Kerker. Er wollte nicht riskieren, gesehen zu werden. Über Umwege stieg er immer tiefer in die steinernen Eingeweide des roten Bergfrieds. Er sah sich nicht um. Jeder Stein, jeder Raum, alles erinnerte ihn an Renly. Und genau diesen Erinnerungen wollte er entfliehen.

Die Schädel von Balerion, Vhagar, und all der anderen alten Drachen der Targaryen waren wie Dämonen in der Dunkelheit. Ihre leeren Augenhöhlen erschienen Loras noch dunkler als die Finsternis um ihn herum. Die langen schwarzen Zähnen waren fast so lang wie Langschwerter. Loras starrte die Schädel an und fragte sich, ob er sich bei der Eroberung von Königsmund durch die Targaryen nicht einfach in ein Drachenmaul hätte werfen sollen. Dann hätte er sich jetzt nicht mit diesen Schmerzen in seinem Herzen quälen müssen. Er nahm seine Fackel auf und ging weiter.
Die kalte Luft der Schwarzwasserbucht blies ihm beinahe die Kapuze vom Kopf, als er auf der schmalen Steintreppe hinunterging. Jemand sollte diese Geheimgänge verschließen, dachte Loras. Es war eben jener Geheimgang, durch den Jon und sein Trupp in den Roten Bergfried eingedrungen waren.

Das andere Lied, von Eis und Feuer - Der letzte SturmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt