"Zeit der Trauer"

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Robb stand vor dem großen Lazarett, in dem auch Aegon Schwarzfeuer behandelt wurde und wartete auf Gendry. Der Schmied hatte Arya in das Lazarett gebracht, nachdem er sie unter den Leichen vor dem Götterhain gefunden hatte. Endlich kam Gendry aus dem Lazarett.

„Wie geht es ihr?", fragte Robb.

Gendry seufzte. Er wirkte erschöpft und müde. Während der Schlacht hatte er die Schmiede kommandiert und die Menschen mit Feuer und Drachenglas beschützt. Dabei hatte er selber eine starke Verbrennung auf der Brust erlitten, die jedoch bereits verheilte. „Die Heiler mussten ihr die rechte Hand abnehmen. Die Wunden hatten sich entzündet. Es war notwendig."

„Bei den Göttern.", murmelte Robb erschrocken. „Aber sie wird Überleben, oder?"

Gendry nickte. „Den Göttern sei Dank ist sie Linkshänderin."

„Danken wir dem Herrn des Lichts," sagte Jon erleichtert. „Lord Tyrion hat berichtet, dass die Scheiterhaufen errichtet wurden. Es kann los gehen."

„Dann last uns beginnen," sagte Robb zu den anderen.

Auf dem Weg zu den Scheiterhaufen sprachen Robb kein Wort. Er konnte es noch immer nicht glauben.

Eine Woche war seit dem Ende der langen Nacht und der Vernichtung der Weißen Wanderer vergangen. Robb konnte es noch immer nicht glauben. Sie hatten gewonnen. Dann dachte er an Arya und an den Preis, den sie dafür hatten zahlen müssen.

Von den über hundertsiebzigtausend Männern und Frauen, die in Harrenhal gekämpft hatten, waren fast zwei Drittel tot, wiedererweckt worden und erneut gestorben. Und die Überlebenden, waren nicht besser dran. Viele waren verwundet und das Essen war knapp. Schon jetzt löste sich das Heer auf und die Menschen kehrten in ihre Dörfer, Städte und Burgen zurück. Und auch wenn die Weißen Wanderer besiegt worden waren, herrschte noch immer Winter.

Doch Robb hatte das Gefühl, das der Wind wärmer und der Schnee leichter wurde. Der Winter war noch immer da, doch er hatte seinen Schrecken verloren.

„Es ist merkwürdig, oder?", sagte Jon mit einem Mal. „Wir haben so lange gegen den Nachtkönig gekämpft und jetzt ist er nicht mehr da."

„Ich weiß was du meinst.", sagte Robb. „Wir haben gesiegt und doch... einhundert alte Familien und Häuser sind ausgestorben. Und fast alle Großen Häuser des Nordens. Karstark, Umber, Cerwyn, Ryswell, die drei Flint Linien und alle Häuser aus den Bergen und der Eng, bis auf die Reets. Ich weiß nichts von der Bäreninsel oder ob es Weißwasserhafen noch gibt. Ich.. ich weiß einfach nicht, wie es weitergehen soll."

Die Verzweiflung übermannte ihn mit einem Mal. Alle Gefühle, die er seit dem Fall der Mauer, dem Fall der Eng und dem Verlust seines Auges hatte hinnehmen müssen, brachen nun durch die Mauer aus Eis, die er in seinem Inneren aufgebaut hatte. „Es sind so viele Tod. So unglaublich viele. Was hat es gebracht, diesen krieg zu gewinnen, wenn mein Volk tot ist?"

Jon nahm in bei der Schulter und führte ihn zu einem kleinen Verschlag, wo sie niemand störte. Er setzte sich auf einen großen Stein und sah Robb auffordernd an.

Robb verstand. Vor niemandem, außer vielleicht Margaery, könnte er sich so seinen Gefühlen hingeben wie bei Jon, der ihm noch immer ein Bruder war. Kraftlos ließ sich Robb auf einen Stein sinken. Tränen liefen aus seinem verbliebenen Auge und die leere Höhle des anderen brannte von unvergossenen Tränen.

„Wir haben gekämpft und gekämpft und für was? Sieh uns doch an: Ich habe mein Auge verloren, meine Kinder seit über einem Jahr nicht mehr gesehen. Ich habe Winterfell verloren, zwei Mal! Alle Entscheidungen, die ich getroffen habe, waren dumm und naiv. Warum habe ich gegen Tywin Lennister gekämpft? Wir hätten ihn gebrauchen können in dieser langen Nacht. Genau wie Stannis und den Königsmörder. Sie waren erfahrene Kommandanten. Sie hätten nicht fünftausend ihrer besten Männer an die Mauer geschickt, damit sie dort sterben. Sie hätten ihre Heimat besser verteidigt und ihr Volk besser geschützt. Sie sind alle Tod, Jon! Was für ein König lässt sein eigenes Volk sterben? Wenn wir in den Norden zurückkehren, was erwartet uns dann?"

Das andere Lied, von Eis und Feuer - Der letzte SturmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt