22 - Löffelchen

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Als ich zurückkam, kramte Frau Schwarz in ihrer Tasche.

Sie wollte sich ein Taxi rufen, aber ich nahm ihr das Handy aus der Hand.

"Du bleibst heute Nacht hier. Ich lasse dich nicht mehr vor die Tür!"

"Schon gut, Schatz!", lallte sie.

Ich fühlte mich gleichzeitig ein wenig mies, dass ich sie ausnutzte, weil ich sie nackt gesehen hatte und weil sie Sachen sagte und tat, die sie nüchtern nicht gesagt und getan hätte. Auf der anderen Seite freute es mich, dass ich ihr helfen konnte.

"Du kannst in meinem Bett schlafen, ich schlafe hier auf der Couch."

"Nein!", murmelte sie. "Will nicht allein schlafen!"

"Aber bevor du zu Bett gehst, trinkst du noch was."

"Ich bin nicht mehr durstig!"

"Wenn du jetzt noch ein Glas Wasser trinkst, dann ist der Kater morgen nicht so schlimm! Also keine Widerrede!"

Ich holte ihr noch ein Glas Wasser, und auch wenn sie sich zunächst ein wenig sträubte und ich sie ermahnen musste, trank sie es trotzdem.

Ich fand es irgendwie süß, dass sich unsere Rollen so vertauscht hatten und dass ich nun die Gelegenheit hatte, mich mal um sie zu kümmern. So als könnte ich ihr etwas zurückgeben für all die abgefahrenen Erfahrungen, die sie mir beschert hatte.

Sie wollte noch einmal aufs Klo, und ich fand noch eine verpackte Zahnbürste, die ich ihr in die Hand drückte, und damit machte sie sich fertig für die Nacht.

Als sie aus dem Bad kam, war sie zwar immer noch wackelig auf den Beinen und sah ziemlich gemütlich aus in meinen Schlabberklamotten, aber es ging ihr sichtlich besser.

Schließlich führte ich sie in mein Schlafzimmer zu meinem Bett.

Die Wärme meines Körpers war aus der Bettdecke längst entschwunden.

Ich packte sie in mein Bett, deckte sie zu, doch als ich gute Nacht sagen und mich verabschieden wollte, hielt sie meinen Arm und flüsterte:

"Will nicht allein schlafen. Bleib bei mir!"

Ich muss gestehen, dass ich mich nicht so richtig viel sträubte. Stattdessen ließ ich mich von ihr in mein Bett ziehen und schlüpfte auch unter die Bettdecke.

Sie umarmte mich sofort, küsste mich erst auf die Wange und dann zog sie mein Kinn zu sich und küsste mich auch auf den Mund.

Viel mehr passierte nicht.

Ich hätte es auch nicht zugelassen, schließlich wollte ich ihre Lage nicht ausnutzen.

Doch bevor sie mich zum letzten Mal in dieser Nacht küsste, flüsterte sie noch:

"Alessia, ich liebe dich!"

Und dann schmiegte sie sich an mich, presste ihren Körper an meinen und legte gar ihr rechtes Bein über meine.

Damit hatte ich nicht gerechnet!

Sie liebte mich?

Konnte das sein?

Ich war einerseits entsetzt und enttäuscht, andererseits total hin und weg!

Entsetzt, weil es so total verboten war.

Enttäuscht, dass sie es nicht zu einem romantischeren Zeitpunkt gesagt hatte.

Hin und weg, weil sie mich liebte!

Ich war aber noch viel mehr:

Überrascht, weil ich nicht gerechnet hatte, so etwas aus ihrem Mund zu hören.

Geschmeichelt, weil ich niemals geglaubt hätte, dass so eine tolle Frau sich in eine langweilige Schülerin wie mich verlieben könnte.

Misstrauisch, ob das vielleicht nur der Alkohol war, der aus ihr sprach.

Ich war total verwirrt.

Eine Weile tobte noch all das Chaos in meinem kleinen Verstand, aber je länger ich ihren warmen Körper an meinem spürte, desto mehr beruhigte ich mich.

Sie drehte sich noch einmal um, von mir weg, den Rücken zu, und ich war enttäuscht, dass sie allein schlafen wollte, meine Berührung offensichtlich nicht wollte.

Doch dann griff sie hinter sich, fand meinen Arm, zog ihn zu sich und murmelte etwas, das ich erst nicht verstand.

Sie wiederholte es, und ich war mir nicht sicher, aber ich bildete mir ein, dass sie sagte:

"Sei mein großes Löffelchen!"

Damit schmiegte ich mich an sie, presste meinen Oberkörper an ihren Rücken, meinen Schoß an ihren Po und unsere Beine verknoteten sich.

Der Duft ihrer Haare, die Wärme ihres Körpers.

Ich hatte das noch nie so gefühlt. Die Wärme einer Person, die man abgöttisch liebt. Die das aber nicht wusste oder nicht interessierte. Zumindest hatte ich das gedacht.

Doch nun hatte sie mir ihre Liebe gestanden.

So nebenbei im betrunkenen Halbschlaf.

Aber gab es nicht dieses Sprichwort, dass Kinder und Betrunkene immer die Wahrheit sagen?

Hatte sie mir gerade ihre wahren Gefühle gebeichtet?

Was würde das bedeuten?

Für uns?

Hätten wir eine gemeinsame Zukunft?

Sie und ich?

Würde ich mal mit ihr zusammenleben wie ihre Freundin, vielleicht gar ihre Ehefrau? Als ihre Sub, ihre devote Freundin?

Würde sie mich lieben, über mein Leben bestimmen, würde sie mir bei den vielen Entscheidungen helfen, würde sie mir die vielleicht sogar abnehmen?

Könnte ich ihr etwas von dem zurückgeben, was sie mir schenkte, ohne dass sie das vielleicht wusste?

Konnte ich ihr helfen mit den Dämonen, die sie quälte, die sie andeutete, aber über die sie nie sprach?

Ich wollte so gerne für sie da sein. Ihr das schenken, das sie mir schenkte.

Durfte ich das hoffen?

Nur weil sie mir besoffen ihre Liebe gestanden hatte.

Wahrscheinlich würde sie sich am nächsten Tag nicht einmal mehr daran erinnern.

Dass sie das gesagt hatte: Alessia, ich liebe dich.

Doch das wollte ich nicht hören. Nicht in diesem Augenblick. Ich wollte mich weiter festhalten an diesem Satz. Nicht an der Realität.

Die Sonne machte sich schon langsam am Horizont bemerkbar. Der Himmel war nicht mehr tiefschwarz, er wurde langsam blau. Man konnte es durch mein Schlafzimmerfenster sehen.

Ich kuschelte mich an meine Lehrerin umarmte sie, hielt sie fest.

Sie schlief bereits, ihr Atem ging regelmäßig und dieser schöne Rhythmus ihres Atems beruhigte mich auch.

Die bösen Gedanken waren ausgeatmet und mit ihr im Einklang atmete ich nur noch das Schöne ein.

So schlief ich schließlich auch ein.

An sie gedrückt. Wie sie es wollte:

Ich war das große Löffelchen meiner Lehrerin geworden.

Meine Lehrerin, meine HerrinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt