42

264 29 0
                                    

Mir ist schlecht.

Es liegt an der Tatsache, dass ich in Louis' Auto sitze, vor dem Haus, und jetzt zu Elle gehen muss, um mit ihr zu reden.

Eigentlich wollte ich nicht, dass Louis mitkommt, aber nachdem er all das gestern zu mir gesagt hat, konnte ich nur noch schwer widersprechen.

Wir haben aber den Kompromiss gefunden, dass ich erstmal mit ihr allein reden werde, bevor ich sie auf Louis loslasse. Er wird aber die ganze Zeit in meiner Nähe sein und sobald ich merke, dass es mir zu viel wird, soll ich ihm Bescheid geben.

»Hey, sieh mich an«, sagt Louis und nimmt meine Hand.

Ich sehe ihn an.

»Es wird alles gut, ja?«

Ich nicke und zwinge mich zu einem leichten Lächeln.

Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn und dann auf die Lippen, bevor wir beide aussteigen und zur Haustür gehen.

Wenige Sekunden nachdem ich geklingelt habe, öffnet Daphne die Tür.

»Harry, wie schön, dass du wieder da bist, komm rein«, sagt sie lächelnd und lässt mich in das Haus.

Auch Louis begrüßt sie herzlich, bevor sie die Tür wieder schließt.

»Wo ist Elle?«, frage ich vorsichtig.

»Sie müsste oben sein. Geh ruhig hoch. Wie geht es deinem Fuß?«

Ich nicke. »Um einiges besser, danke. Ich gehe mal hoch.«

Louis schenkt mir noch ein letztes Lächeln, und ich gehe langsam die Treppe hoch.

Vor ihrer verschlossenen Zimmertür bleibe ich stehen, atme tief durch und klopfe.

»Ja?«

Langsam drücke ich die Tür auf und komme in ihr Zimmer. Elle sitzt auf dem Bett, die Beine an ihren Oberkörper gezogen und mit ihren Armen umschlungen, ihr Blick starr aus dem Fenster gerichtet.

»Hey«, sage ich, »darf ich reinkommen?«

Sie sagt gar nichts, hätte ich mir denken können.

Ich kann nicht wieder einen Rückzieher machen, weshalb ich hinter mir die Tür schließe und nun im Raum stehe.

»Ich will mit dir reden«, sage ich bestimmt, ohne eine Reaktion zu bekommen, »und es ist mir egal, ob du mit mir reden willst, oder nicht. Aber ich will es dir erklären, weil ich eingesehen habe, dass ich einen Fehler gemacht habe.«

Sie presst ihre Lippen zusammen, schaut immer noch aus dem Fenster auf die wehenden Palmen, während ich mich auf die Bettkante am Fußende des Bettes setze.

»Ich weiß, dass du sauer auf mich bist, und du hast auch gutes Recht dafür. Ganz ehrlich, wenn du meine Schwester daten würdest, wäre ich genauso sauer. Aber ich will dich nicht verlieren, Elle, du bist meine allerbeste Freundin. Du bist meine Person. Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben, und ich will nicht all das, was wir uns neunzehn Jahre lang aufgebaut haben, über Bord werfen, als wäre es nichts gewesen. Und ich hoffe wirklich, dass du das auch nicht willst.«

Sie senkt ihren Blick und schüttelt leicht ihren Kopf.

»Ich weiß ich habe einen Fehler gemacht«, beginne ich erneut, »ich habe die siebte Regel gebrochen und bin mit Louis zusammengekommen. Wobei, ich bitte dich zu verstehen, dass das für mich nicht der Fehler ist. Nachdem Rebecca mit ihm Schluss gemacht hat, habe ich sehr viel mit ihm darüber geredet, über die Trennung, und mir ist bewusst geworden, dass ich mich in ihn verliebt habe. Nicht in Dana. Ich wollte es nicht, das musst du mir glauben. Ich habe gedacht, wenn ich mich auf Dana einlasse, dann könnte ich Louis vergessen, aber je mehr ich mich auf sie einließ, umso größer wurde das Verlangen bei Louis zu sein. Der Fehler, den ich gemacht habe, war, dass ich deine Liebe zu Zayn genutzt habe, um bei Louis zu sein. Ich hatte die Idee, dass du mit Zayn ausgehen könntest, damit Louis und ich zusammen sein können. Und im Endeffekt hätte ich auch sagen können, dass du dich mit Dana und Louisa treffen sollst, aber das habe ich nicht, weil ich gehofft habe, zwischen dir und Zayn würde es genauso funktionieren. Ich wollte immer noch, dass du glücklich bist, denn du verdienst jemanden, der dich glücklich macht und nicht so verletzt, wie ich es getan habe. Erst als du mir gesagt hast, du würdest wieder mit Zayn ausgehen, ist mir bewusst geworden, wie sehr es eigentlich wehtut, so versetzt zu werden und es fiel mir wirklich schwer, mich mit der Situation zu arrangieren. Das war der eine Fehler. Und der andere Fehler, den ich gemacht habe, war, dass ich es dir nicht gesagt habe. Ich habe dir nicht gesagt, dass Louis und ich zusammen sind, ich habe dich belogen, obwohl du mir so viele Möglichkeiten gegeben hast, es dir gleich zu sagen. Aber nein, stattdessen habe ich es drauf ankommen lassen, bis du uns erwischt hast. Ich wollte nicht, dass es so passiert. Tag und Nacht habe ich mir überlegt, wie ich es dir am besten sage, ohne dich zu verletzen, dabei habe ich nicht bedacht, dass ich dich dadurch nur noch mehr verletze. Das war mir nicht bewusst, und es tut mir leid, dass es so gekommen ist.«

Sie wischt sich mit dem Handrücken über die Augen und sieht wieder aus dem Fenster.

Ich merke, wie der Kloß in meinem Hals immer dicker wird, meine Stimme zu zittern beginnt, und meine Sicht vor meinen Augen immer weiter verschwimmt.

»Dass ich mich in Louis verliebt habe und mit ihm zusammen sein will, kann ich nicht als Fehler sehen, denn er macht mich glücklich. Ich liebe ihn und daran kann ich nichts ändern. Aber ich hätte es dir sagen müssen. Ich hätte dir von vornerein sagen müssen, dass ich unsere Regel gebrochen habe und mit ihm zusammen bin. Es tut mir wirklich so unglaublich leid.«

Sie schweigt weiter.

»Bitte, Elle«, hauche ich, »schrei mich an, sag mir, dass ich der schlechteste beste Freund der Welt bin, schlag auf mich ein, wirf mir alles an den Kopf was du willst, aber bitte zeig mir irgendwie, dass du mir zuhörst.«

Aber sie schweigt weiter.

»Ich weiß nicht, was ich noch tun soll«, schluchze ich, »ich versuche alles, was in meiner Macht steht. Ich habe realisiert, dass es anders geworden ist als früher. Ich war naiv zu glauben, dass wir uns auf selben Wege vertragen würden, wie wir es noch vor vier Jahren gemacht haben. Aber so ist es nicht mehr, und das hast du mir gezeigt. In den letzten vier Jahren hat sich so viel verändert. Du hast dich verändert, ich habe mich verändert. Du bist nicht mehr die, die du warst, als du gegangen bist. Ich bin nicht mehr der, der ich war, als ich dich gehen gelassen habe. Wir sind nicht mehr die, die wir mal waren, und ich habe das Gefühl, dass wir uns erstmal wieder neu kennenlernen müssen. Und ich bin bereit diesen Schritt zu gehen, dich neu kennenzulernen, die australische Eleanor Tomlinson-Calder kennenzulernen, wenn es bedeutet, dass wir damit unsere Freundschaft retten können.«

Wieder wischt sie sich über die Augen.

»Ich wünschte mir doch nur, dass es so ist, wie es mal war. Ich muss mich aber mit dem Gedanken abfinden, dass es nicht mehr so ist, wie früher, und auch nie wieder so sein wird. Wir sind älter geworden, haben unterschiedliche Interessen entwickelt. Aber trotzdem bist du meine beste Freundin, und ich hoffe, dass du mich auch weiterhin als besten Freund behalten willst. Du bist mir wichtig, Elle, ich will dich nicht verlieren. Du warst immer der Grund, wieso jeder Tag der schönste meines Lebens war. Ich will das nicht aufgeben, und ich hoffe, du willst das auch nicht aufgeben. Was wir haben, ist echt, Elle, und das kannst du nicht dementieren, auch, wenn du wahrscheinlich gerne würdest. Ich will nicht, dass du das Gefühl hast, ich würde dich an zweite Stelle stellen, weil ich jetzt mit Louis zusammen bin, denn das tue ich nicht. Du wirst immer meine Nummer eins bleiben. Es ist wie die Spice Girls es gesagt haben, weißt du? Wenn er mein Lover sein will, dann muss er akzeptieren, dass meine Freunde an oberster Stelle stehen. Denn Freundschaft endet nicht. Und was wir haben, Elle, das ist mehr als Freundschaft. Es ist Liebe, echte Liebe, und ich möchte sie dir weiterhin geben, sowie sie von dir erhalten.«

Mir bleiben weitere Worte fern. Entweder mir fällt nichts mehr ein oder sie werden erstickt vom Schluchzen.

Sie sagt nichts. Sie sieht mich nicht einmal an. Nicht einmal über meine kleine Spice Girls Anspielung schmunzelt sie, was sie getan hätte, hätten meine Worte irgendetwas bewirkt.

Da bin ich mir sicher.

Ist es das?

Ist das das Ende von uns?

Scheinbar bin ich ihr doch nicht so wichtig, wie ich dachte.

Scheinbar will sie uns aufgeben, für immer, und ich kann nur dasitzen und dabei zu sehen, wie neunzehn Jahre harte Arbeit einfach zusammenfallen, wie ein Kartenhaus.

Ich weiß, dass ich sie nicht dazu zwingen kann, mir zu verzeihen.

»Okay«, sage ich und stehe auf, »ich gebe dir Zeit, darüber nachzudenken. Ich werde auf dich warten. Es tut mir leid, alles, Elle.«

Ich drücke die Türklinke herunter und gehe aus dem Zimmer. Langsam schlendere ich die Treppe runter und höre schon Louis mit Daphne und Roderick im Esszimmer reden.

Ich atme tief durch, versuche meine Tränen zu unterdrücken, wenn ich ins Esszimmer gehe und Bericht erstatten muss.

Ich sehe zu Louis, der meinen Blick erwartungsvoll erwidert.

Doch ich schüttle nur leicht mit dem Kopf und senke meinen Blick.

Sofort springt er auf und zieht mich in seine Arme, wo ich mich, wie so oft, an seiner Schulter ausheule.

My Best Friend's Brother [l.s.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt