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Nachdem ich letzte Nacht, nach Louis' und meiner außerordentlich merkwürdigen Begegnung, doch noch ein wenig Schlaf gefunden habe, bin ich relativ froh gewesen, dass nur wenige Minuten später Elle in mein Zimmer gestürmt kam, um mich zu wecken und mir zu sagen, dass es bereits Mittag ist und ich den halben Vormittag verschlafen hätte.

Glücklicherweise ist es Samstag und Daphne und Roderick sind auch zuhause.

»Guten Morgen, Harry«, begrüßt Daphne mich mit einem Lächeln auf den Lippen.

»Morgen«, murmle ich.

»Möchtest du erstmal etwas frühstücken oder gleich Mittag?«

Völlig überrumpelt sehe ich auf die von benutzten Schalen und Brettern übersäte Arbeitsplatte.

»Ähm...was gibt es denn?«

»Wir essen Sandwiches«, antwortet Elle.

»Dann nehme ich auch ein Sandwich.«

»Geht schonmal ins Esszimmer, ich komme gleich.«

Ich folge Elle ins Esszimmer, wo Roderick am Tisch sitzt, und Zeitung liest. Auch ihm wünsche ich einen guten Morgen, wobei er mich ziemlich belustigt ansieht und bemerkt, dass der Morgen ja schon lange vorbei ist.

Seufzend setze ich mich auf einen freien Stuhl und reibe mir über die Augen.

»Konntest du wenigstens ein bisschen schlafen?«, fragt Elle und reicht mir einen Teller.

»Ja, solange bis du in mein Zimmer gestürmt kamst. Dann war meine Nacht vorbei«, antworte ich brummend.

Sie kichert. »Wann hat sie denn begonnen?«

Ich zucke nur mit den Schultern. »Um elf vielleicht?«

»Abends?«

»Morgens...«

»Oh. Aber daran wirst du dich gewöhnen«, sagt sie, »bei mir hat es auch gedauert, bis ich es drin hatte. Aber das kommt mit der Zeit.«

»Zumindest bin ich dann abends nicht mehr so müde«, bemerke ich, »das ist aber auch der einzige Vorteil.«

Daphne kommt ins Esszimmer, als Elle den Tisch für vier Personen fertig gedeckt hat, und sie stellt einen großen Teller Sandwiches in die Mitte des Tisches.

Elle setzt sich gegenüber von mir hin und reibt sich grinsend die Hände. »Ich liebe Sandwiches.«

»Das letzte Mal als ich ein richtiges Sandwich gegessen habe, war, als wir das in Hauswirtschaft gemacht haben«, gebe ich zu, worauf mich Elle mit großen Augen ansieht.

»Stimmt! Bei Miss Carlson oder?«

Ich nicke.

»Was macht die eigentlich? Ist sie noch an der Schule?«

»Ich habe keine Ahnung. Ich war lange nicht da.«

Daphne setzt sich an die Stirnseite des Tisches und sieht mich an. »Das stimmt ja, Elle sagte du hast deine Prüfungen geschafft?«

Ich nicke. »Ja, endlich. Hat auch lange genug gedauert.«

»Und hast du die Ergebnisse auch schon?« Sie deutet auf die Sandwiches. »Bedien dich, Harry.«

Ich nehme das Sandwich, welches mich schon die ganze Zeit anlacht, und beiße gleich einmal davon ab.

»Die Ergebnisse habe ich noch nicht, aber ich denke, dass es nicht allzu schlimm ausgefallen ist.«

»Das kann ich mir bei dir auch nicht vorstellen«, sagt sie lächelnd, »du warst schon damals sehr ehrgeizig.«

Elle muss lachen, denn sie weiß genau, dass das nicht wahr ist. Und auch ich muss mir ein Lachen verkneifen.

My Best Friend's Brother [l.s.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt