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»Was läuft da zwischen dir und meinem Bruder?«

Ich reiße die Augen auf, bleibe wie vereist stehen.

Elle steht im Türrahmen, durchlöchert mich mit einem erwartungsvollen Blick.

»Was meinst du?«, frage ich unsicher.

»Läuft da was zwischen euch?«

Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt es zu sagen. Jetzt könnte ich es sagen, kurz und schmerzlos, und dann hätte das ganze Versteckspiel endlich ein Ende.

»Sekunde«, beginne ich und stelle meinen leeren Joghurtbecher auf die Arbeitsplatte, »wie kommst du darauf, dass da etwas zwischen uns läuft?«

Mein Herz schlägt höher und ich habe Angst, dass sie jeden Augenblick Beweise zückt, die es mir unmöglich machen, unsere Beziehung weiter zu dementieren.

»Als wir am Strand den Filmeabend gemacht haben vor ein paar Tagen, da seid, ihr zusammen weggegangen«, sagt sie, die Arme vor der Brust gekreuzt, »und gestern seid ihr auch zusammen im Garten gewesen.«

Ich hebe meine Augenbrauen. »Das ist alles?«

Sie legt ihre Stirn in Falten. »Was meinst du?«

»Das ist alles, woran du festmachen willst, dass zwischen Louis und mir etwas läuft?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Qualität vor Quantität.«

Ich seufze. »Elle, bitte, du interpretierst zu viel in die Dinge rein. Ich verstehe mich mit Louis gut, ja, und das solltest du eigentlich wissen. Zumal wir uns seit Ewigkeiten kennen.«

Elle kräuselt die Lippen und ich beginne zu bezweifeln, dass sie mir das abkauft. Dabei ist es ja nicht Mal gelogen.

»Das heißt da läuft nichts?«, fragt sie.

Ich hole tief Luft. Es ist nur ein kleines Wörtchen, das mir alles Drama ersparen würde, würde ich jetzt wieder »nein« sagen.

Aber wenn ich sie so ansehe, dann kann ich es ihr nicht sagen. Zumindest nicht jetzt. Ich will es mit Louis zusammen machen, damit wir uns beide nur einmal rechtfertigen müssen. Und dann am besten gleich vor der ganzen Familie – dann ist es ein Abwasch.

Dana brauche ich es scheinbar nicht mehr sagen.

»Nein«, sage ich mit aufgesetztem Lächeln, »zwischen uns läuft nichts und zwischen uns wird nichts laufen, zumal Louis ja nicht Mal auf Jungs steht.«

Ein amüsiertes Lächeln umspielt Elles Lippen. »Du hast Recht, tut mir leid. Ich glaube ich bin aktuell ein bisschen durch den Wind. Ich weiß, dass du mir das niemals antun würdest.«

»Liegt es an Zayn?«, frage ich schnell, um ihren Worten nicht einmal die Chance zu geben, Gewissensbisse in mir auszulösen.

»Weiß ich nicht.« Sie holt sich ebenfalls einen Joghurt aus dem Kühlschrank und setzt sich auf den Küchentisch. »Obwohl, ja, es liegt an ihm.«

»Lief da mehr zwischen euch an seinem Geburtstag?«

Sie wirft mir einen vielsagenden Blick zu. »Das bleibt ein Geheimnis.«

Ich muss grinsen. »Also, ja?«

»Sagen wir so...er will mich heute Abend sehen...«

»Ui! Wie aufregend!« Aufgeregt klatsche ich in die Hände. »Und? Du hast zugesagt, oder?«

»Ich habe noch gar nichts. Ich wollte das erst mit dir besprechen«, erklärt sie.

»Schieß los, was spricht dagegen?«

»Ich glaube tatsächlich, dass das zwischen uns funktionieren kann, aber wenn ich mich darauf einlasse, dann bin ich vermutlich schuld daran, dass Louis seinen besten Freund und ich meinen Bruder verliere.«

Ich kräusle die Lippen. »Aber, wenn es wirklich liebe ist? Da kannst du doch nichts für. Und, wenn er dich genauso liebt, und Louis das nicht versteht, dann...kann dir das egal sein.«

Während ich diese Worte spreche, muss ich an Louis und mich denken, und ich muss an Zayns Worte denken, nämlich, dass wir uns ja in einer heiklen Situation befinden.

Dabei befindet er sich in einer ebenso heiklen Situation.

»Ja schon klar, aber das wäre unfair Louis gegenüber«, sagt sie, »ich kann nicht einfach anfangen mit seinem besten Freund zu gehen. Das wäre genauso schräg und unfair, wie, wenn du plötzlich mit Louis zusammen wärst, was du ja offensichtlich nicht bist, und da bin ich wirklich froh drüber.«

Ich presse meine Lippen zusammen und merke, wie mir der große Kloß in meinem Hals, die Luft wegschnürt.

Sicherlich meint sie es nicht böse, aber ihre Worte sind wie ein tiefer Stich ins Herz und ich muss mich zusammenreißen, nicht doch etwas zu sagen, was ich vermutlich danach bereuen würde.

»Ich meine, du hast ja Dana, was für mich halt okay ist, weil sie nur eine gute Freundin und nicht meine beste Freundin ist. Aber Zayn ist eben Louis' bester Freund...«

»Was sagt er denn dazu?«, frage ich neugierig.

»Er meint nur, dass, wenn es so weit kommen sollte, er es Louis lieber gleich sagen wolle, um es nicht aufzuschieben und unnötig Stress zu verursachen.«

Ich schlucke. Das hätte er mal zu mir sagen sollen.

Das schlechte Gewissen überrollt mich in einer großen Welle. Sie vertraut sich mir an, ist so offen zu mir und sagt mir alles, was ihr gerade durch den Kopf geht, während ich sie von vorne bis hinten belüge.

Ich bin so sprachlos wegen meiner eigenen Gedanken, dass Elle ihren Satz schon selbst weiter fortführt: »Ist auch egal, ich sollte einfach auf das Date gehen, oder?«

Ich nicke zaghaft. »Ja, ja solltest du.«

»Dann schreibe ich ihm. Ich hoffe doch, das ist okay für dich, wenn ich dann heute Abend für ein zwei Stunden weg bin? Wir wollen ins SinCity.«

»Sicher«, murmle ich, »ich komme klar.«

»Cool«, sagt sie grinsend und will gerade aus der Küche, als ich ihre Hand nehme und sie zurückhalte.

»Elle, warte-«, sage ich, etwas unüberlegt.

Sie sieht mich an.

Mir liegt es auf den Lippen, ich will es ihr sagen, jetzt ist der richtige Moment. Aber ich kann nicht. Ich kann ihr nicht in die Augen sehen, und dabei zu sehen, wie dieses Strahlen und freudige Funkeln erlischen.

»Schon gut«, sage ich lächelnd, »nicht so wichtig.«

Sie springt vom Küchentisch, wuschelt mir noch einmal durch die Haare, und verschwindet dann aus der Küche, vermutlich hoch in ihr Zimmer, um ein Outfit rauszusuchen.

Und so kann sich das Blatt wenden...


My Best Friend's Brother [l.s.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt