Kapitel 39 - Ich bin ein werter Herr

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Es dauerte eine Weile, bis sich alle genug beruhigt hatten, damit wir wieder unser Siegel planen konnten.
Der Großteil der Zwerge hatte sich aber mal auf die Suche nach etwas Essbarem gemacht, sodass jetzt nur noch Kíli, Fíli, Dori, Thorin, Bilbo und ich hier chillten. Thorin wäre am liebsten mitgegangen, aber Bilbo und ich hatten ihn davon überzeugen können, hier zu bleiben. Wir machten uns natürlich Sorgen um ihn, also wollten wir ihn so lange wie möglich bei uns unter Beobachtung behalten, wo er immer noch genug Ablenkung von seiner Krankheit hatte.

„Amralimê. Mein Stern. Habe ich deine Aufmerksamkeit?", begann Kíli gespielt militärisch, den Kohlestift schon in der Hand.
„Yessir", sagte ich, genauso steif.
„Also, ich dachte mir, dass wir mein Muster behalten und-"
„Und meinen Stern mit der Krone in die Mitte, perfekt. Aber dann fehlt noch was", beendete ich seinen Gedankengang.
Gleichzeitig kamen wir auf die Idee, und sagten synchron: „Eine Sonne neben den Stern!"
Dann mussten wir grinsen, küssten uns kurz und zeichnete unsere Vision auf die Papierrolle.
„Wow, wieso haben wir dafür so lange gebraucht?", kommentierte ich.
Dann schnappte ich mir den Stift aus Kílis Hand und schrieb als Überschrift Chili Familiensiegel dazu.
„Wer bitte ist Chili?", fragte Kíli leicht lachend.
„Charly plus Kíli, werter Kek", antwortete ich, als sei es selbstverständlich.
„Natürlich, ich bitte die edle Dame um Entschuldigung." Dann schwieg er und überlegte kurz, ehe er fragte: „Ist edle Dame denn okay?"
Von der Frage war ich so überrascht, dass ich selbst erstmal nachdenken musste.
„Ähm", machte ich. „Naja, Gender ist halt n bisschen kompliziert. Aber jetzt, wo du's eh ansprichst, hab ich's glaub ich rausgefunden. Manchmal ist Dame okay, besser noch wäre Lady, weil's fancy klingt. Lord klingt komisch, aber werter Herr ist immer willkommen. Neutrale Bezeichnungen sind auch immer gut. Du kannst mich er und sie nennen, oder auch wieder etwas Neutrales. Ich hab darüber schon n bisschen länger nachgedacht, aber nie was gesagt, weil ich mir erst sicher sein wollte. Und meistens sind feminine Wörter ja auch okay. Aber mein voller Name ist sehr weiblich, und das klingt komisch. Wie geht man hier denn mit sowas um?"
Beruhigend nahm Kíli meine Hand und strich die geflochtene Strähne mit seiner Siegelperle hinter mein Ohr.
„Warum glaubst du, kann niemand außer Zwerge selbst unsere Männer von Frauen unterscheiden? Keine Sorge, Liebes. Wir sind in dem Bereich sehr offen. Falls du deinen Namen ändern möchtest, ist das auch kein Problem. Außerdem wärst du nicht der erste werte Herr, den ich küsse."
Ein breiteres Grinsen hatte man wohl selten auf meinem Gesicht gesehen, und das noch gepaart mit meinen Liebe ausstrahlenden Augen sparte ich wirklich nur für die besondersten Leute auf.
„Mahal, ich liebe dich!", entfuhr es mir.
„Ich heiße Kíli", sagte er trocken, konnte sich das Lachen aber nicht lang verkneifen.
Dankbar drückte ich ihm ein paar Küsse auf, dann kam endlich der Rest der Gartenzwerge mit Essen im Gepäck zurück.

Dieses Abendbrot konnte man zwar immer noch nicht Festessen nennen, aber es war schon sehr beachtlich den Umständen entsprechend. Allerdings traute ich mich nicht zu fragen, wo sie nun all das Essen gefunden hatten. Manches war wohl noch Proviant aus der Seestadt, aber nicht alles.
Zuerst erklärte ich meine neue Pronomen Situation und all das mit Kílis Hilfe, was hier wirklich kein großes Ding war. Alle waren sehr verständnisvoll und respektvoll, wie es sich gehörte.
„Hast du schon über einen neuen vollen Namen nachgedacht? Wenn ich euch beide verheiraten soll, müsste ich den wissen. Zeremonien werden traditionell eben mit vollen Namen gehalten", sagte Thorin freundlich.
„Charles wäre wohl die einzige Möglichkeit, wenn es denn einen vollen Namen geben muss. Charly ist neutral, also gern weiter als Rufname."
„Naja, wir möchten nicht, dass du einen Namen wählst, nur weil du musst", sagte Fíli mit vollem Mund.
„Doch, Charles ist gut. Und wenn du einen vollen vollen Namen haben willst, Thorin", setzte ich an. „Dann wäre das wohl ab sofort Charles Callisto Adaneth. Lavinia hat mich schon immer gestört."
Zufrieden nickte er, dann kippte er sich einen Becher Bier runter, welches, anders als der Wein, genießbar war.
„Also auf Charles Callisto Adaneth und Prinz Kíli, Erbe Durins!", rief Fíli feierlich, worauf nochmal alle ihre Becher hoben und runterkippten.
„Ich bin übrigens in meiner Freizeit Hochzeitsplaner", begann Dori, der gegenüber von uns saß.
„Er hat's noch nie gemacht, wollte es aber schon seit er ein frecher Bengel war", korrigierte Dwalin.
„So oder so," sagte Dori, „ihr braucht noch ein Datum und Trauzeugen. Den Rest können wir später in aller Ruhe planen."
Sofort sprang Fíli auf, als wolle er sich freiwillig melden.
„Fíli", entschied Kíli schon, und sein Bruder konnte sich wieder setzen.
„Bilbo!" Der Hobbit schaute auf, als hätte ich ihn aus seinen Gedanken gerissen. „Würdest du mir die Ehre erweisen, mein Trauzeuge zu sein?"
Aus seinem besorgten Gesicht wurde ein frohes Lächeln und er nickte: „Gerne doch!"
„Und ein Datum?", fragte Ori.
„Es müsste nächstes Jahr sein, dem Menschenkalender nach. Unser Jahr hat schließlich erst begonnen", erzählte Dori.
„Wäre Februar zu früh?", fragte Kíli.
„Ui, der Vierzehnte!", rief ich grinsend.
Ich hatte mein ganzes Leben lang den Valentinstag gehasst, aber durch diese einfache kleine Entscheidung könnte ich das für immer ändern. 
Ha. Ha. Wie falsch ich damit gelegen hatte.
„Vierzehnter Februar. Das wäre festgelegt!", verkündete Thorin, und Kíli und ich wechselten noch einen aufgeregten Blick.

Mittelerde... Ernsthaft?! //Hobbit ff Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt