Kapitel 1

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Madelyn

Schnee fiel leise auf die sowieso schon zugeschneiten Bäume. Einige Zweige wippten im Wind hin und her. Kein Vogel zwitscherte in der eisigen Kälte des Kiefernwaldes, kein Laut war zu hören.

Einige Schneeflocken berührten sanft den Boden, andere wiederum fielen auf graues Fell. Die dunkelgrünen Augen der Wölfin glitzerten in dem Morgenlicht und der Schnee gab unter ihren kräftigen Pfoten nach. Sie hinterließ Fußspuren im kalten Schnee.

Madelyn verfiel in einen Laufschritt. Von ihren Pranken fiel der pulverige Schnee. Ihre Ohren drehten sich von der einen Seite zur Anderen, während die durch den Wald joggte. Ihre Augen suchten aufmerksam zwischen den Nadelbäumen nach Bewegungen.

Ihre Vorsicht war berechtigt, keiner durfte sie so sehen.

Sie beschleunigte und bald schon flog sie nur so zwischen den Bäumen hindurch. Sie kniff die Augen zusammen. Die Schneeflocken flogen mit dem kalten Wind in ihr Gesicht.

Der Weg wurde steiniger und sie wurde nun wieder langsamer. Madelyns Atem bildete weiße Wolken in der Morgenluft und ihre Muskeln entspannten sich. Sie trabte leicht über die Felsen.

Am Fuße eines Felsens ließ sie sich nieder. Sie legte ihren grauen Schweif ordentlich um ihre Pfoten. Madelyn hob die kalte Wolfsnase und blickte mit ihren grünen Augen einen Abhang hinab.

Hinter den Bäumen sah man die Umrisse einiger Häuser von der kleinen Stadt, der sie angehörten. Einige Kinder liefen durch den Schnee.

Sie hatten rote Nasen und Wangen vor Kälte, obwohl sie dicke Jacken trugen. Einige hatten zudem noch Pudelmützen oder einen Schal an. Sie waren voll und ganz auf ihr Spiel konzentriert und bemerkten die Wölfin zwischen den Bäumen nicht.

Daran merkt man eben, dass es Menschenkinder sind. Madelyn musste bei ihrem Anblick grinsen. Ein Werwolf würde niemals so unbeschwert und naiv spielen. Vielleicht lag es an ihren Instinkten, an ihrer Verwandtschaft mit den Wölfen.

Ihre Ohren zuckten, als sie die Gestalten wahrnahm. Sie huschten unscheinbar durch die Gassen der Straße. Wölfe. Einer hatte einen schwarzen Pelz, der andere war braun mit einigen helleren Farbtupfern.

Obwohl sich die Wölfe alle sehr ähnlich sahen, hatte Madelyn mit der Zeit gelernt, sie zu unterscheiden. Auch jetzt kamen ihr die Gesichter vertraut vor. Es ist jeden Tag das Selbe. Es wirkt ja fast so, als würden Sidney und Kenneth gerne zur Schule kommen. Wer kommt sonst freiwillig früher, als er muss?

Madelyns Ohren zuckten erneut, als sie ein Geräusch hinter sich wahrnahm. Sie sprang auf, entspannte sich aber gleich wieder. Ein großer schwarzer Wolf mit helleren Punkten im Gesicht kam auf sie zugelaufen. Wyatt, natürlich!

Er war der einzige, der sich ungesehen an sie anschleichen konnte. Er tat dann immer so als würde ihn das nicht interessieren. Aber Madelyn wusste, dass ihn das insgeheim ein wenig stolz machte.

Ihr bester Freund lief an ihr vorbei und mit einem Schweifschnippen deutete er auf die Straße unterhalb des Abhangs. Er wartete ihre Reaktion gar nicht erst ab. Während des Laufens veränderte sich die Struktur des Wolfes.

Sein Fell verschwand, um Haut freizugeben. Er stand im Laufen auf und seine Hinterpfoten wurden zu Füßen mit brauen Schuhen. Seine Krallen an den Vorderpfoten verschwanden. Schon hatte er statt der Pfoten wieder Hände. Die Ohren wurden kleiner und der Pelz in seinem Gesicht bildete sich zurück, bis er nur noch längere braune Haare auf dem Kopf hatte. Eine schmale Brille zierte sein Gesicht mit den großen karamellfarbenen Augen.

Wyatt warf noch einen Blick hinter sich, als sich nun auch Madelyn aufrichtete. Ihr kurzes graues Fell verschwand und ehe er sich versah, stand ein Mädchen mit langen Haaren, einem schmalen Gesicht und dunkelbraunen Locken vor ihm.

Ohne ein Wort zu wechseln schlüpfen sie zwischen den Bäumen hindurch. Fast geräuschlos liefen sie im Schatten der Häuser durch die Gassen.

Die Geräusche der spielenden Kinder verklangen hinter ihnen. Eine Gruppe von Menschen lief schnatternd über die Straße und die beiden schlüpften zwischen ihnen hindurch und verschwanden in den Gassen.

Mate of my heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt