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"Nächste Station Dortmund Hauptbahnhof. In a few minutes we'll arive at...", die schrille Stimme aus dem Lautsprecher ließ mich zusammenfahren. Vorsichtig stand ich auf und tastete mich zu meinem Koffer vor. "Entschuldigung könnten Sie...", keine Antwort. Nur ein genervtes Stöhnen. "Entschuldigung. Ich bräuchte Hilfe. Ich..." Wieder nichts. "Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.", krächzte die Stimme aus dem Lautsprecher und kurz darauf tat es einen Ruck und der Zug stand still. Ich spürte, wie sich alles um mich herum in Bewegung setzte und ich wurde unsanft auf einen Sitz gedrückt. "Entschuldigung können Sie... Kann mir irgendjemand helfen? Ich muss doch...", versuchte ich es noch einmal. "Machen Sie doch mal Platz. Hier wollen Leute aussteigen.", schimpfte eine tiefe unfreundliche Stimme. "Aber ich..." Wieder wurde ich in eine Sitzreihe gedrückt. Als die Menschen im Gang endlich verschwunden waren, stand ich erneut auf, um meinen Koffer zu suchen. Wieder verlor mein Gleichgewicht und unsanft fiel ich auf den Boden. "Scheiße.", flüsterte ich und Tränen stiegen mir in die Augen. Eigentlich wollte ich doch in Dortmund aussteigen. Mats hatte doch extra alles abgeklärt. Er hatte doch extra im Zug angerufen und das Personal darum gebeten, dass ich Hilfe bekam beim Ein- und Aussteigen. Und jetzt? Jetzt konnte ich ihm nicht einmal Bescheid sagen, dass ich nicht kommen würde. Wahrscheinlich wartete er am Bahnsteig auf mich. "Hey! Machen Sie mal den Weg frei da vorne. Hier sind Leute, die gerne auf ihre Plätze würden!", brüllte hinter mir eine Stimme durch den Zug. Zitternd zog ich mich hoch und tastete mich vorwärts. "Hey! Was soll das?", meckerte mich eine Frau an, die ich aus Versehen am Arm berührt hatte. "Tut mir...tut mir Leid...Ich...", langsam tastete ich mich weiter. Ich hatte einen dicken Kloß im Hals und könnte nur mit Mühe die Tränen zurückhalten. Wieso half mir denn keiner? Konnten sie nicht sehen, dass ich blind war? Vorsichtig tastete ich an meinem Arm entlang. Mist. Meine Blindenbinde. Ich musste sie auf meinem Platz liegen gelassen haben. Um die Leute hinter mir nicht weiter aufzuhalten, tastete ich mich bis zum Ende des Abteils und nach draußen auf den Gang. Es tat wieder einen Ruck und Zug fuhr los. Langsam ließ ich mich an der Wand auf den Boden sinken. Ich zog die Knie an und versuchte meine Gedanken zu ordnen, was gar nicht so einfach war. Mein Kopf schmerzte und ich hatte Angst. "Hey. Kann ich dir irgendwie helfen? Ist bei dir alles in Ordnung?", hörte ich plötzlich eine sanfte, ruhige Männerstimme und spürte, wie sich jemand neben mir auf dem Boden niederließ. Als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte zuckte ich zusammen. "Oh tut mir Leid.", sagte die Männerstimme besorgt. Er schien bemerkt zu haben, dass er mich erschreckt hatte. "Ich brauche meinen Koffer.", flüsterte ich. "Ich wollte in Dortmund aussteigen. Mein Cousin wartet da auf mich und ich kann ihn nicht erreichen." Der Mann neben mir hörte ruhig zu und dann sagte er. "Okay. Kleine. Gut festhalten." Dann hörte ich ein Lachen und kurz darauf tat der Zug einen gewaltigen Ruck. Dann stand er still. Hatte er gerade wirklich die Notbremse gezogen? "Welche Farbe hat dein Koffer?", fragte er nun und ich könnte hören, dass er noch immer grinste. "Grün.", antwortete ich, "So wie der Mond."

I see your true color - Der Mond ist GrünWo Geschichten leben. Entdecke jetzt