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"Okay... Wie machst du das?" Erik und ich saßen im Park auf einem Steg und ließen unsere Füße in einen See hängen. Es war angenehm warm und ich hatte meine Augen geschlossen, um die Gefühle besser wahrnehmen zu können. Das kühle Wasser kitzelte an meinen Fußsohlen und die Sonne ließ das dunkle Gelb vor meinen Augen hell aufleuchten. Gelb war die Farbe von Sicherheit und Entspannung. Es war die Farbe von Sand unter meinen Füßen und meist mein letzter Gedanke kurz vor dem Einschlafen. "Was meinst du?", fragte ich ohne meine Augen zu öffnen. "Wie kannst du sehen? Meine Augen finden und meinen Blick erwiedern zum Beispiel. Und was siehst du? Ich meine... ist es einfach nur schwarz?" Ich musste lächeln. Erik schien es wirklich ernst gemeint zu haben, dass er mich verstehen wollte. "Okay. Mach deine Augen zu.", forderte ich ihn auf und als ich mir sicher war, dass er es getan hatte, fragte ich: "Was siehst du?"

"Ich sehe den See und den Park und... dich.", das letzte antwortete er nur zögernd, doch ich spürte, wie mir bei seinen Worten gleich wärmer wurde. "Jetzt sehe ich nichts mehr.", sagte er nach einer Weile. "Okay. Und was spürst du? Was riechst und hörst du? Und was fühlst du dabei?", fragte ich weiter und merke, wie Erik sich nach hinten auf den Steg legte und lächelte. "Glück.", sagte er schließlich noch immer lächelnd. "Okay. Und welche Farbe hat Glück?" Jetzt war ich gespannt. Erik schien noch darüber nachzudenken, denn jetzt schwieg er.

Eriks Sicht:

Welche Farbe? Welche Farbe? Ich hatte keine Ahnung. Glück hatte eine Farbe? Ich spürte das Wasser an meinen Füßen und die Sonne auf meinem Gesicht. Man konnte Stimmen hören von spielenden Kindern. Irgendwo bellte ein Hund. Ich konnte Lus Atem hören und ihre Nähe spüren. Auch sie hatte sich jetzt auf den Steg gelegt. Und jetzt wurde das Schwarz plötzlich hell. "Es ist Gelb. Glaube ich jedenfalls.", sagte ich jetzt und ich hörte, wie Lu lachte. "Okay. Und jetzt stell dir vor du spielst Fußball und ihr verliert Haushoch. Sagen wir gegen Bayern und ihr steigt ab und ein Eigentor von dir war daran Schuld. Wie fühlt sich das an?" Ich musste Lachen doch Lu sagte nichts. Sie meinte es ernst. "Beschissen. Es fühlt sich beschissen an.", antwortete ich ihr. "Vielleicht auch ein bisschen Wut.", fügte ich nach einiger Zeit noch hinzu. "Wut ist gut. Welche Farbe hat Wut?"

"Keine Ahnung.", gab ich nach einiger Zeit zu. In meinem Kopf gab es keine Farbe. Es war einfach nur Schwarz. "Schwarz vielleicht?", fragte ich nach einiger Zeit, als ich die Stille allmählich nicht mehr ertrug. "Schwarz ist keine Farbe.", antwortete Lu gelassen. Ich öffnete wieder die Augen und sah Lu an. Sie hatte ihre Augen auch wieder geöffnet und ihre Stirn lag in Falten, so als würde sie über etwas nachdenken. Ich setzte mich auf und Lu tat es mir gleich. "Am Anfang ist das sehr schwer. Wenn du noch sehen kannst, dann siehst du die Bilder im Kopf, die du dir vorstellst. Ich habe die Bilder mit der Zeit vergessen. Die Farben sind geblieben." Eine Weile hingen wir beide unseren Gedanken nach und ich ertappte mich immer wieder dabei, wie ich Lu ansah. Sie war einfach so faszinierend und sie machte etwas mit mir, was sich unglaublich aufregend und doch zugleich beängstigend anfühlte. Irgendwann hörte ich, wie Lu einen tiefen Atemzug nahm, ihre Augen öffnete und aufstand. "Es wird gleich regnen. Kommst du?", sagte sie und streckte mir ihre Hand entgegen, um mich hochzuziehen.

I see your true color - Der Mond ist GrünWo Geschichten leben. Entdecke jetzt