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Lunas Sicht:

"Oh mein Gott, Lu! Das ist...Wow!!", dieses war bereits das vierte Kleid und die Reaktion von Lena und Cathy wurde von Mal zu Mal euphorischer. Doch ich fühlte mich so gar nicht "Wow". Ich fühlte mich eingeengt, verkleidet und so gar nicht, wie ich. "Das ist der Zweck eines Brautkleides. Sich einmal wie etwas ganz besonderes fühlen. Eine Prinzessin sein, die alle bewundernd nachschauen.", hörte ich die Verkäuferin sagen. Doch ich fühlte mich nicht wie eine Prinzessin. "Ich fühle mich eher wie eine Presswurst im Tüllrock. Diese ganzen Kleider sind doch einfach nur bescheuert." Ich konnte die entsetzten Gesichter förmlich riechen. "Sie meint es nicht so.", erklärte Lena, während sie mir beschwichtigend die Hände an die Schultern legte. Orange. "Fass mich nicht an!", schrie ich hysterisch und versuchte zwanghaft das orange aus meinem Kopf zu verbannen. Ich spürte, wie das Hochzeitskleid immer enger wurde und mir die Luft zum Atmen nahm. "Das ist ganz normal.", erklärte die Verkäuferin jetzt. "Setzen sie sich erstmal." Und dann drückte sie mich auf einen Sessel und sagte zu Lena und Cathy: "Viele bekommen im Brautkleid Zweifel oder Panik, wenn sie realisieren, dass..." "Ich habe keine Zweifel!", Schnitt ich ihr schreiend das Wort ab. "Bitte ruft Erik an! Er soll mich sofort abholen!" Dann brach meine Stimme und flüsternd fügte ich noch ein "Bitte" hinzu. Dann brach ich zusammen. Das Orange wurde immer mächtiger und dann... Schwarz.

"Du siehst wunderschön aus, Lu. Du bist bestimmt die schönste Prinzessin heute Abend.", immer wieder fuhren meine Finger über den samtig weichen und federleichten Stoff an meinem Körper. Eigentlich wollte ich gar nicht zum Anschlussball gehen. Nicht, nachdem ich erfahren hatte, dass mein Ex-Freund mit der größten Schlampe der Stadt hingehen würde. Noch dazu hasste ich Anlässe wie diese. Was brachte es schon sich schick zu machen und sich wie eine Prinzessin zu fühlen, wenn die Hälfte der Menschen sowieso nichts sehen würden. Es war mir klar geworden, als meine Mam mir ihr Abschlussballkleid übergab und mir erzählte, dass sie einen Friseur bestellt hätte, um mir die Haare zu machen. Das Kleid fühlte sich grässlich an. Es engte mich ein und es kratzte, doch für meine Mutter war es DAS perfekte Kleid. Mats war mit mir einkaufen gefahren und hatte mit mir ein neues Kleid ausgesucht. "Luna, das ist nicht dein Ernst? In diesem Kleid wirst du nicht auf den Ball gehen.", hatte meine Mutter gesagt, als ich es ihr stolz präsentiert hatte und ich hatte sie gefragt warum und ihre Antwort war: "Es ist grün! Darin siehst du aus wie ein Frosch. Was sollen die Leute denken?" Ja was sollten sie denken? In diesem Moment wurde mir klar, dass wir es nur für sie taten. Für unsere Eltern, unsere Lehrer, die Menschen, die uns sehen würden an diesem Abend. Für die Fotos, die an den Wänden der ganzen Familie hängen würden und die Fotoalben zieren. Die Fotoalben, die wir niemals sehen würden. Wir machten uns nur für sie hübsch, so wie sie es für hübsch empfanden. Seit ich ein Kind war, sagten mir andere, was ich anziehen und wie ich meine Haare tragen sollte. Wie eine Puppe. Doch ich war keine Puppe. Mats hatte mich an diesem Abend begleitet und er hatte sich sogar ein grünes Jackett gekauft, damit wir im Partnerlook gehen konnten. "Jeder soll sehen, dass du zu mir gehörst." Mats hatte das Foto von diesem Abend ausgedruckt und es stand auf seiner Komode im Flur.

"Das war ein schöner Abend. Du warst da so glücklich." Mats Worte zauberten mir ein kleines Lächeln auf die Lippen. "Es ist schön, wenn du lächelst." Sanft fuhr er mit seinen Fingern über meine Haare. "Lena und Cathy sind enttäuscht oder?", fragte ich unsicher und ich hörte, wie Mats leicht auflachte. "Enttäuscht? Sie sind in Panik.", lachte er jetzt. "In zwei Tagen ist Hochzeit und die Braut hat kein Kleid. Das ist eine mittelschwere Katastrophe.", lachte mein Cousin jetzt und er steckte mich an. "Vielleicht sollte einfach nackt gehen. Was meinst du?", stimmte ich jetzt ein und es tat so gut mit Mats so lachen zu können. "Vielleicht passt mir ja das Froschkleid noch." "Das hast du noch?" "Natürlich. Der Blick meiner Mam ist unbezahlbar, wenn sie bei mir ist und meinen Kleiderschrank durchforstet. Allein dafür ist es das wert." Was gibt's denn hier zu lachen?", empörte sich Erik, der soeben zur Tür hereinkam. "Ach Lu, hat nur überlegt, nachdem der heutige Kleiderkauf ein Flop war, dass sie ja in grün heiraten könnte." Ich fiel in Eriks Arme und war so froh, seinen Geruch einzuatmen und seine beruhigenden Berührungen auf meinem Rücken zu spüren. "Gute Idee!", lachte dieser jetzt. "Aber dann müsste ich mir dein Jackett ausleihen..." Ich musste schmunzeln. Dafür liebte ich Erik so sehr. Jeder andere Ehemann wäre ausgerastet und in Panik verfallen, doch Erik stand hier und machte Späße mit Mats.

"Ich habe gerade mit Lena und Cathy geredet. Die waren ja ziemlich durch den Wind wegen des Kleides.", lachte Erik, während er sich zu mir unter die Decke kuschelte. Ich kuschelte mich an seine Brust und lauschte seinem Atem. Es beruhigte mich. "Mats und ich haben ihnen erzählt, dass wir in grün heiraten." Erik brach in Gelächter aus. "Das habt ihr nicht?", versuchte ich glaubwürdig tadelnd zu sagen, doch die Vorstellung wie die beiden ausgetickt waren, war einfach zu witzig. "Ich habe mit Kuba und Jonas gesprochen. Die beiden helfen mir morgen bei den restlichen Vorbereitungen. Cathy kümmert sich um Torte und den Aufbau von der Band und du fährst mit Mats morgen nochmal in die Stadt. Was hälst du davon?" " Danke. Du bist der beste.", murmelte ich lächelnd, bevor ich auf Eriks Brust einschlief.

I see your true color - Der Mond ist GrünWo Geschichten leben. Entdecke jetzt