6 Die lebenden Toten

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„Was haben Sie in der Schweiz gemacht?" fragte der Zollbeamte am Zürcher Flughafen Nikos freundlich.

„Ich wollte unbedingt einmal die Schweizer Alpen sehen. Ich bin gewandert, dafür habe ich jetzt nach dem Abitur Zeit."

„Dann wünsche ich eine gute Heimreise."

Die Swissair-Maschine war bis auf den letzten Platz besetzt. Nikos stopfte den Rucksack unter seinen Sitz und band sich einen Träger um den Fuß. Nach dem Start klappte er den Sitz nach hinten und schlief auf der Stelle ein.

***

Tom konnte ein leises Neidgefühl nicht unterdrücken, als ihm Dave, den er telefonisch bei Killers Cousin in Notting Hill erreichte, von Phils Ausflug in die Wüste erzählte. Tom hatte Verständnis dafür, dass Dave und Anna nur noch auf Phils Rückkehr aus Afrika warteten, um mit ihm zusammen nach Griechenland zu fliegen.

„Dann macht ein paar Wochen Urlaub," meinte Tom. „Ihr habt's nach diesen bitteren Wochen verdient."

„Wir haben's auch nötig," sagte Dave. „Anna meint, wir sollten nach Agia Galini fahren. Ich möchte lieber nach Kairo."

„Macht doch eine Woche da und eine Woche dort."

Auf dem Weg in die Kaserne wich Toms Neid der Sorge um seinen kleinen Bruder Phil. Was, wenn die Amerikaner ungenau zielten?

***

In der Dämmerung verabschiedete sich Ismail wieder. Ali löste Muhammad als Wache ab, der völlig durchgefroren war. Gegen Morgen war es nur wenige Grad über Null. Reiner postierte sich mit der Kamera hinter den Büschen. Die anderen erzählten sich Wüstengeschichten, und auch einige wüste Geschichten. Um neun meldete sich Ismail:

„Einzelnes Flugzeug von Nordost. Fliegt sehr hoch."

Phil informierte Reiner, dann meldete auch Ali den Flieger.

„Das ist der Aufklärer. Ich schätze, es geht bald los," sagte Phil. Reiner sah durch das Fernglas. Vier Personen liefen vor der Fabrik auf und ab. Plötzlich meinte er, links der Anlage in weiter Entfernung einen Blitz gesehen zu haben. Er suchte die Wüste mit dem Fernglas ab, konnte aber nichts entdecken.

„2 km südöstlich von Wazin ist etwas," meldete Ali. „Ich sehe nicht, was, aber es gab drei kurze Blitze."

„Ich hab mich die ganze Zeit gefragt, wo sie die Flugabwehr aufgebaut haben," sagte Phil. „Müssen die Idioten mit dem Fernglas nach oben gucken? Die sollten doch wissen, dass der Aufklärer genau so etwas sucht."

„Du meinst, die wollen die Flieger abschießen?" fragte Hans.

„Sie werden es versuchen, schaffen werden sie es kaum. Aber die Bomber sollen sehen, dass die Anlage geschützt wird. Das ist Teil der Inszenierung. Es ist doch logisch, dass es in der Nähe einer Giftgasfabrik eine Flugabwehr gibt, oder nicht? Allerdings sollte die nicht vor dem Angriff auffallen. Hoffentlich hat der Aufklärer sie nicht bemerkt."

Hassan prägte sich den Vorgang genau ein, damit er ihn am Abend in seinem Heftchen vermerken konnte.

Keiner sagte etwas. Keiner dachte etwas. Keiner konnte sich vorstellen, was passieren würde. Eine halbe Stunde lang herrschte eine extrem angespannte Stille.

„Mehrere Flugzeuge von Nord. Nicht so hoch," meldete Ismail.

„Ich sehe sie auch," bestätigte Ali.

„Es geht los," rief Phil Reiner zu. „Viel Glück."

Dann hörten sie das Dröhnen. Reiner startete die Kamera, und Hans drückte den „Record"-Knopf. Alle gingen so weit in die Höhle, dass sie gerade noch die Fabrikanlage im Blick hatten. Muhammad führte das Kamel weiter hinein und hielt es an einem Strick fest.

Die richtigen Leute Band 7: Regentanz in ObervoltaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt